Logistik bei der Sanktionskonfrontation

Die Neuaufteilung des Transportweltmarkts bietet neue Möglichkeiten eurasischen Akteuren

Der Sanktionskrieg hat für Russland viele gewohnte logistische Transportwege geschlossen. So eine Situation zwingt Moskau dazu, Aus- und Einfuhrrouten fast aller Waren grundsätzlich zu überprüfen. Im Grunde genommen geht es um das Volumen von 12-13 Millionen Ladetonnen im Jahresvergleich. Dazu kommen noch Probleme mit der Ausstattung und Infrastruktur, weswegen ein ganzer Problemkomplex entsteht. Von den entstandenen Schwierigkeiten profitieren die Weltakteure, die Russland schnell die günstigsten Lösungen anbieten.

2021 wurden 60-65 Prozent aller in Russland eingeführten Waren in Asien-Pazifik produziert. Doch wenn man sich die Richtung der Logistik ansieht, kamen über 80 Prozent der Warenmasse aus dem Westen. Das war bis in die letzten Monate der logistische Standardweg.

Ein 12-Fuß-Container wurde auf eine Panamax in Shanghai aufgeladen, ging über den Indischen Ozean, den Persischen Golf, den Suezkanal, das Mittelmeer, dann über den Gibraltar in den Atlantik, bog nach rechts zum Norden und wurde irgendwo in Antwerpen, Amsterdam oder Hamburg entladen. Schon da in Europa nahm ein Lastwagen diesen Container auf und fuhr den auf einen Verladungsplatz bei Jekaterinburg, bei Moskau und sogar bei Nowosibirsk. In der Logistik galt dieser Weg (recht nicht offensichtliche für einen Nicht-Eingeweihten) als billig und sicher.

Nun gibt es den nicht. Und für asiatische Partner ergab sich die Möglichkeit, einen direkteren Weg nach Russland zu erschließen. Zum Schlüsselmittel wird die Eisenbahn. In der nächsten Zeit wird eine wesentliche Durchfuhrleistungssteigerung von russischen Osttransportstrecken erwartet.

Das ermöglich China zum Beispiel, mehr Waren über die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale zu fahren – nach Russland und auf langer Sicht im Transit nach dem Westen. Die VR China kann dann die russischen Eisenbahnkapazitäten noch aktiver als eine Reservealternative für ihr Projekt „Neue Seidenstraße“ einsetzen.

Außerdem wird dann China ein Umschlagplatz für die in Russland aus anderen Asien-Pazifik-Ländern importierten Waren. So bekommen Asiaten die Einnahmen, die europäische Häfen und Logistikzentren verloren haben.

Traditionell machen 80 Prozent der Frachtmasse, die nach China über die Transsibirische Eisenbahn geht, russische Kohlen aus. Doch in die entgegengesetzte Richtung werden Containers mit ganz verschiedenen Waren geschickt. Sie werden im Einzelnen in Shanghai entladen und dann schon auf die Eisenbahn überladen. Dabei stehlen an der Nomenklatur unter anderem Bananen aus Ecuador oder Apfelsinnen aus Marokko.

Russland will in den nächsten Jahren mindestens zweifach die Kapazitäten seiner Grenzen zu China steigern. Außerdem wachsen in hohem Tempo die Fernosthäfen, im Einzelnen der Vostochny Hafen. Man erwartet, dass zum Jahresende ihre Kapazitäten um 30-40 Prozent steigen.

Für Seetransporte aus Asien nach Europa ergeben sich auch andere Möglichkeiten. Die Rede ist vom Nördlichen Seeweg. Die Entwicklung dieser Richtung reduziert für asiatische Transportfirmen die Laufzeit nach Europa und dementsprechend senkt wesentlich die Kosten. Das ist besonders aktuell in der letzten Zeit, mit Rücksicht auf den riesigen Transportkostenwachstum. 2018-2019 kostete zum Beispiel der Transport von einem Container von der chinesischen Küste bis zu den Vereinigten Staaten 3.000 Dollar, und nun – schon 18.000 Dollar. Eine Versechsfachung.

Zwar wird momentan die Schifffahrt über den Nördlichen Seeweg als „adventures“ eingestuft, muss Russland aber alle seine Kräfte einsetzen, um die in die Kategorie „business as usual“ zu versetzen. Es geht nicht nur um Eisbrecher- und meteorologische Begleitung, sondern um Bau der Eisenbahnstrecken den ganzen Weg entlang, die über das System der Nordhäfen gehen würden. Eine wesentliche Leistungssteigerung existierender Knotenpunkte und der Bau von neuen werden erwartet. Asiatische Bauunternehmen sind mir Rücksicht auf ihre Erfahrungen in solchen Geschäften klare Kandidaten für potenzielle Aufträge.

Noch eine aussichtsreiche Möglichkeit hat sich für asiatische Firmen ganz plötzlich ergeben. Die Rede ist von Containers. In Russland merkt man einen akuten Mangel an Standardtaren für Warentransport. Das ist damit zu verbinden, dass die größten Logistikunternehmen wie das dänische «Maersk» oder schweizerische «NSC» sowie auch französische und italienische Unternehmen, die insgesamt fast die Hälfte dieses Markts belegen, sich geweigert haben, russische Lieferungen zu bedienen, und angefangen haben, ihre Containers aus dem Land wegzunehmen.

Solange Moskau in weltweiten Logistikketten eingebunden war, machte das Container-Problem nur wenigen Sorgen. Normalerweise sind Standardmetallkisten Mehrwegverpackung. In Russland wurden sie nicht hergestellt, weil für Metallurgen dies unvorteilhaft war. Nun hat sich die Situation grundsätzlich verändert: Ein akuter Mangel ist entstanden, den China – der weltweit größte Container-Produzent – beseitigen kann.

Die Volksrepublik China stellte diese Kapazitäten zu Zeiten der Covid-Pandemie her. Damals blieb eine beträchtliche Zahl der Container, die in die USA geschickt worden waren, da stecken. Leere Containers über den Ozean zu jagen, war halt unrentabel. Damals fand China einen Ausgang aus dieser Situation, trotz der bedeutenden Finanzverluste. Nun kann es die Verluste zurückgewinnen.

Wegen der sich zuspitzenden Sanktionskonfrontation wird Moskau nämlich eine beträchtliche Zahl der Container auslösen müssen. Da sogar die Tara, die chinesischen Unternehmen gehörte, man für Lieferungen an Russland wegen der Sekundärsanktionen nicht benutzen kann.

Inzwischen werden asiatische Transportfirmen noch ein Begünstigter des westlichen Sanktionskrieges gegen Russland. Für sie erschließen sich, nachdem Europäer weggegangen sind, neue Richtungen. Dabei schaffen es chinesische Transportfirmen kaum, diese Nische zu besetzen, weil amerikanische Überwachungsstrukturen auf sie ganz aufmerksam aufpassen. Doch eine Chance auf Gewinnmachung hat die vietnamesische Logistik. Sie kann zum Beispiel Kaffeetransporte aus Brasilien und Kolumbien gewährleisten. Diese Länder sind bereit, Bohnen nach Russland zu verschiffen, aber europäische Firmen weigern sich, sie zu fahren.

Noch eine Richtung, die asiatische Transportfirmen besetzen können, sind Kohlenlieferungen aus Kolumbien nach Deutschland, anstatt der russischen. Sowie auch Lieferungen russischer Kunstdünger für Argentinien, Paraguay, Brasilien, Ecuador und andere Länder der Region. Jetzt ist der Düngermangel für diese Länder ganz schön spürbar, und sie sind bereit, eine große Prämie denjenigen zu zahlen, die dieses Problem lösen.

Eine andere Verdienstmöglichkeit sind russische Schemata, wie man der Sanktionsaufmerksamkeit entgehen kann. Daran werden (wahrscheinlich machen sie das schon jetzt) nordafrikanische Länder sowie die Türkei und Israel teilnehmen, wo Offshore-Zentren gegründet werden. Auch für den Iran, Indien und Aserbaidschan erweitern sich Handelsmöglichkeiten.

Außerdem kann eine Reihe der Länder davon profitieren, dass sie Russland alternative Wege für Schiffbesitz verschaffen. Die Rede ist nicht nur von gewohnten Liberiern oder Panama. Russische Schiffe werden in Rechtshoheiten Kasachstans, Vietnams, Kambodschas und sogar der Mongolei, die auch ein bequemes internationales Schifffahrtsregister hat, überwiesen.

Wie wir sehen, ist eine Logistikkrise die Zeit der Möglichkeiten. Transeuropäische Transportkorridore werden durch transkontinentale ersetzt, und das schafft Aufträge für Transportunternehmen der Region. Außerdem profitieren davon auf langer Sicht auch Bauer, die sich an den Aufbau entsprechender Infrastruktur machen. Im Allgemeinen reduzieren die Veränderungen auf dem Logistikmarkt Frachtzulieferungskosten und machen die Waren aus Asien wettbewerbsfähiger. Die Rechtshoheiten, die sich in Schemata fürs Umgehen der Sanktionen fügen werden, werden auch profitieren. Gute Aussichten für eurasische Länder. 

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