Dollar-Dämmerung

Der Niedergang des Dollars auf den Währungsmärkten

Der Dollar verliert deutlich an Ansehen, und dies ist nicht allein nur aufgrund des exzessiven Ausgabeverhaltens der USA, das die Staatsverschuldung weit über das jährliche BIP katapultierte, oder weil die aggressiven Zinserhöhungen der Federal Reserve Bank (Fed) zur Inflationsbekämpfung die Kreditaufnahme in Dollar enorm verteuerten, sondern vor allem aufgrund der aggressiven Sanktionspolitik gegenüber Rußland, dem Iran, China und anderen Ländern.

Gerade letztere führte vielen Nationen vor Augen, in welchem Maße die USA den Status des Dollars als Leitwährung als politische Waffe mißbrauchen, was letztendlich jede Nation treffen könnte. Der Umstand, daß zahlreiche wichtige Güter und Rohstoffe in Dollar abgewickelt werden, veranlaßt zahlreiche Länder, Dollarreserven vorzuhalten bzw. ihre Wechselkurse zum Dollar zu stabilisieren, wodurch nicht zuletzt erst ermöglicht wird, daß das Ausgabeverhalten der USA bislang keine Konsequenzen für Washington hat. Valéry Giscard d’Estaing, französischer Staatspräsident von 1974 bis 1981, sprach in diesem Zusammenhang einmal von einem „exorbitanten Privileg“.

Dieses Privileg verschafften sich die USA auch keineswegs auf friedlichem Wege, denn für den hierzu wichtigen Deal mit dem Anfang der siebziger größten Ölproduzenten Saudi-Arabien, das schwarze Gold nur noch gegen Dollar zu verkaufen, garantierten die USA den Saudis Waffenhilfe. Damit war im wesentlichen der Petrodollar und die Weltleitwährung geboren.

Vor mehr als einem Jahrzehnt wies der Ökonom Stephan Schulmeister vom österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) bereits auf vorprogrammierte Interessenkonflikte bezüglich des Dollars als Leitwährung hin, da dieser ebenso nationale Währung blieb und sich im Zweifel die USA ungeachtet der Lautstärke der Globalisierungsrhetorik stets rücksichtslos für eine Geldpolitik entschied, die ihren eigenen Interessen nützte. Überdies sticht auch ein ökonomisches Mißverhältnis ins Auge, indem mehr als 60 Prozent aller weltweiten Devisenreserven US-Dollar sind, allerdings nur ein Bruchteil dessen an globalen Gütern in den USA produziert werden.

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Der österreichische Jurist und Ökonom Stephan Schulmeister (* 26. August 1947), von 1972 bis 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), war ein früher Kritiker der Rolle des US-Dollars als Weltleitwährung.

Interessanterweise sah sich das Credit Suisse Research Institute (CSRI) in einer Veröffentlichung Anfang des Jahres 2023 bemüßigt, zu untersuchen, wie makro-ökonomische Ungleichgewichte und geopolitische Entwicklungen in der Lage wären, Veränderungen im derzeit vom US-Dollar dominierten Währungssystem zu beschleunigen. Es wurde konkret beleuchtet, wie sich die Zentralbankreserven bislang entwickelten und künftig neu ausgerichtet werden könnten, und – man höre und staune – wie sich allmählich ein spürbar multipolar geprägtes Währungssystem herausbilden könnte.

Eine der zentralen Erkenntnisse des Berichts ist die Feststellung, das maßgebliche politische Entscheidungsträger sowohl in Industrie- als auch Schwellenländern zunehmend Kritik am internationalen Währungssystem üben, weil wesentliche geldpolitische Entscheidungen in den USA Schwierigkeiten in anderen Ländern auslösten. Speziell kam das CSRI zu dem Schluß, daß der verschärfte geldpolitische Kurswechsel in den USA den Verlauf von Konjunkturzyklen in anderen Ländern verschärft bzw. sogar Krisen auslöst.

Die Zahl der Länder nimmt zu, die sich nach und nach vom US-Dollar lösen bzw. zumindest ihre Abhängigkeit drastisch verringern. Jedoch spielt der Euro keine Rolle als Alternative. Die Chance, daß der Euro die Rolle des US-Dollars einnehmen könnte, habe Europa verspielt, zitierte beispielsweise die „Welt“ am 20. April 2023 den Ökonom Gunther Schnabl.

Immer mehr Länder, nicht allein nur China, Rußland oder Brasilien, sind nicht länger gewillt, durch den Kauf von US-Staatenanleihen über die Stabilisierung des US-Finanzmarktes hinaus auch noch deren Kriege quasi fremdzufinanzieren. Über 70 Prozent der Handelsgeschäfte zwischen Rußland und China verwenden laut dem russischen Finanzminister Anton Siluanow mittlerweile entweder den Rubel oder den Yuan.

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Der Ökonom und Politiker Anton Germanowitsch Siluanow (* 12. April 1963 in Moskau) ist seit Dezember 2011 Finanzminister in der Regierung der Russischen Föderation.

An der Moskauer Börse hatte der Yuan im März einen Marktanteil von knapp 40 Prozent erreicht und damit den US-Dollar als meistgehandelte Währung abgelöst. Doch beschränkt sich die Abkehr vom Dollar bzw. der Aufstieg des chinesischen Yuan keineswegs bloß auf die russisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Rußland und Indien vereinbarten ihren Ölhandel in Rupie abzuwickeln, Chinas Öl- und Gaskonzern CNOOC und Frankreichs TOTAL verständigten sich erstmals auf einen Handel mit verflüssigtem Erdgas (LNG) in Yuan.

Mehr als 25 Prozent der weltweiten Ölexporte entfallen heute auf den Golf-Kooperationsrat, davon 17 Prozent auf Saudi-Arabien, dessen größter Abnehmer mittlerweile China ist. Dies könnte die Geburtsstunde des Petroyuan sein. Chris Devonshire-Ellis, Vorsitzender von Dezan Shira & Associates, verwies auf die jüngste Vereinbarung zwischen Brasilien und China, beide Währungen im bilateralen Handel zu verwenden. Immerhin beträfe das ein Handelsvolumen von ca. 163 Milliarden Dollar jährlich.

„Die globale Leitwährung steht unter Druck. Niemals waren die Dollar-Gegner stärker, niemals der Versuch Chinas aussichtsreicher, sich durchzusetzen“, schrieb das „Handelsblatt“ am 12. Mai. Brasiliens Präsident Lula besprach sich jüngst erst mit seinem argentinischen Amtskollegen Alberto Fernandez über die Schaffung einer gemeinsamen Währung für die BRICS- und Mercosur-Staaten. „Warum kann eine Institution wie die BRICS-Bank nicht eine Währung haben, um die Handelsbeziehungen zwischen Brasilien und China, zwischen Brasilien und allen anderen BRICS-Ländern zu finanzieren? Wer hat entschieden, daß der Dollar diese Währung nach dem Ende der Goldparität ist?“ führte Lula ebenso im April bei einem Besuch der in Shanghai ansässigen New Development Bank (NDB) aus.

Laut aktuellen IWF-Daten tragen die bislang fünf BRICS-Staaten 32,1 Prozent zum globalen Wachstum bei, wohingegen der Beitrag der G7-Staaten nur 29,9 Prozent ausmacht. Hinzukommt, daß für die Einschätzung der künftigen Gewichtsverlagerung die zahlreichen Anwärter auf einen Beitritt zum BRICS-Bündnis in Betracht zu ziehen sind. Unter den sage und schreibe 19 Ländern befinden sich relevante Regionalmächte, wie z. B. der Iran, Argentinien, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Indonesien, Kasachstan. Selbst Saudi-Arabien und Mexiko erwägen einen Beitritt.

Auch der bilaterale Handel zwischen Rußland und Bolivien soll künftig in der bolivianischen Landeswährung abgewickelt werden, was mit Blick auf die Rolle Rußland bei der Erschließung der riesigen bolivianischen Lithiumvorkommen nicht zu unterschätzen ist.

Am 28. März trafen sich überdies die Finanzminister und Zentralbankgouverneure der ASEAN-Staaten in Indonesien, die sich ebenso der Erörterung widmeten, wie man durch den weiteren Ausbau eines grenzüberschreitenden digitalen Zahlungssystems zu Abrechnungen in lokalen Währungen übergehen könne. Wenngleich auch nicht davon auszugehen ist, daß der Dollar seinen Status als Reservewährung über Nacht völlig einbüßen wird, besteht jedoch kein Zweifel mehr hinsichtlich dessen noch nie dagewesenen Bedeutungsverlusts. Immerhin stürzte im Jahr 2022 der Dollaranteil der weltweiten Reservewährungen zehnmal schneller ab als im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte davor. – Das sollte den inflationären Gelddruckern der Fed zu denken geben.

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