Am Februar veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die korrigierte Version ihres aktuellen Jahresberichts. Neben vielen schönen oder möglicherweise geschönten Worten lassen sich daraus einige ernstzunehmende Risikofaktoren herauslesen.
Dies wird umso interessanter, nachdem die jüngsten Medienmeldungen bestätigen, daß potenziell weitreichende Negativentwicklungen zu einer realen tagespolitischen Herausforderung werden. Doch vorerst noch einmal zurück zum BaFin-Bericht, in dem sich, nachvollziehbar, mit den Auswirkungen der veränderten Zinspolitik der EZB befaßt wurde.
Hierfür unterzog die Aufsichtsbehörde knapp 1.300 kleine und mittelgroße Banken sowie Sparkassen einem Streßtest, im Zuge dessen deren Ertragslage und Widerstandsfähigkeit für die Jahre 2022 bis 2024 simuliert wurden. Dies ergab, daß bei Zinsanstiegen mit Gewinnrückgängen, insbesondere aufgrund von Kursverlusten von Wertpapieren zu rechnen wäre. Weiter zitiert der Bericht BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler, der meint, daß man sich angesichts der unsicheren wirtschaftlichen und geopolitischen Lage mit Kreditausfällen befassen müsse, und daß nicht alle Institute gut kapitalisiert seien.
Dipl.-Kaufmann Raimund Röseler, Jahrgang 1962, ist seit Juni 2011 Exekutivdirektor für den Geschäftsbereich Bankenaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Bereits am 18. Mai 2022 stellte Röseler in seiner Rede auf der BaFinTech in Berlin auch die entscheidende Frage in den Raum: „Sind Finanzinstitute überhaupt noch in der Lage, ausgelagerte Risiken entlang einer extrem fragmentierten Wertschöpfungskette zu steuern?“
Laut dem BaFin-Exekutivdirektor würden bereits die Auslagerungen im eigenen Land Risiken bergen, doch je globaler die würden, desto mehr fielen solche Risiken ins Gewicht.
Diese Aussage muß man sich auf der Zunge zergehen lassen, gibt sie doch Anlaß, die hyperkonnektive Globalisierungsideologie auf den Prüfstand zu stellen. Das noch junge Jahr 2024 zeigte jedenfalls, daß die deutschen Bankinstitute vor anspruchsvollen Herausforderungen stehen, wobei selbst die Bundesbank nicht ausgenommen ist.
Die größte Komponente der Gewinn- und Verlustrechnung der Bundesbank ist jener Nettozinsertrag, der sich gegenüber dem Vorjahr um 17,9 Milliarden Euro reduzierte, wodurch dieser erstmalig in der Bundesbankgeschichte in Höhe von minus 13,9 Milliarden Euro in den negativen Bereich geriet. Betreffend 2023 ergab sich ein Gesamtfehlbetrag von nahezu 21,6 Milliarden Euro. Um die Verluste auszugleichen, wurden in der Größenordnung von 19,2 Milliarden Euro die Wagnisrückstellungen zur Gänze aufgelöst.
Nun bleibt BaFin-Präsident Mark Branson nur zu hoffen, daß keiner der Fälle eintritt, für die besagte Wagnisrückstellungen gebildet wurden. Für den Ausgleich des verbleibenden Jahresfehlbetrags von ca. 2,4 Milliarden Euro hat man die Rücklagen auf nur mehr 0,7 Milliarden Euro reduziert. Fraglich, ob dieses Polster auch nur ansatzweise für die nicht zu unterschätzenden Belastungen dieses Jahres ausreichen werden. Im übrigen fiel auch, wie bereits im Vorjahr, die Ausschüttung der EZB an die nationalen Notenbanken im Euroraum aus, die für 2023 ebenfalls einen Verlust ausweist.
Mark Branson, geboren 1968 in Großbritannien, ist seit August 2021 Präsident der BaFin. Zuvor leitete er als Direktor mehr als sieben Jahre die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) in Bern. 2010 trat er als Leiter der Bankenaufsicht in die FINMA ein, 2013 wurde er dort zum stellvertretenden Direktor ernannt.
Mit Blick auf die Haushaltsdefizite, mit denen Bundesfinanzminister Lindner zu kämpfen hat, muß die Regierung zum vierten Mal in Folge auf eine Gewinnüberweisung der Bundesbank verzichten. 2019 machte dies noch satte 5,85 Milliarden Euro aus. Diese Entwicklung dürfte das Vertrauen in die Zentralbanken nachhaltig erschüttern.
Dies war nicht immer so, zumindest nicht im Deutschland vor der Euro-Einführung. Noch 1992 tätigte der damalige Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, die Aussage: „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle glauben an die Bundesbank.“
Doch manifestieren sich Gefahren finanzwirtschaftlicher Natur nicht allein bei der Zentralbank und der Zinspolitik, sondern es droht ein vergleichbares Szenario, wie wir es im Zuge der internationalen Finanzkrise 2008 erlebt haben. Beispielsweise stellt die Besorgnis, daß die Krise in den USA bei der Finanzierung bestimmter Immobilien, insbesondere Gewerbeimmobilien, nach Europa überschwappen könnte, einen wesentlichen Punkt des EZB-Finanzmarktstabilitätsreports dar.
Aufgrund vergleichbarer Entwicklungen zur seinerzeitigen Lehman-Krise – wie z. B. Wertberichtigungen, Liquiditätsengpässe, hohe Leerstände, Insolvenzen, steigende Baukosten – wird eine potenzielle Ansteckungsgefahr auch in Frankfurt nicht ausgeschlossen.
Erschwerend kommt hinzu, daß ausgerechnet die beiden größten Volkswirtschaften der EU, Deutschland und Frankreich, am stärksten von Kredit-Risiken bei Gewerbeimmobilien betroffen sind, wobei nicht allein mehr nur in den USA, sondern längst auch in der Euro-Zone der Gewerbeimmobilienmarkt als Sorgenkind gilt. Überdies wurden die Kreditvergabepraktiken der Banken in der Euro-Zone bereits mehrmals von den Aufsichtsbehörden kritisiert, zu hohe Risiken einzugehen, indem seitens der Kreditinstitute die Sicherheiten überbewertet würden. Analysen des Europäische Ausschuß für Systemrisiken ergaben, daß Banken in Deutschland unter den Banken aus den wichtigsten Volkswirtschaften der Europäischen Union den höchsten Anteil an grenzüberschreitenden gewerblichen Immobilienrisiken halten.
Der Crash der Signa-Unternehmensgruppe des ehemaligen Immobilien-Tycoons Rene Benko war vielleicht erst ein Anfang in Europe. 2008 wurden die Gefahren aus der Immobilienkrise für die Finanzwirtschaft sträflich unterschätzt, man darf gespannt sein, wie kompetent sich die Politik dieses Mal erweist.
Nach Angaben des Immobilien-Analyseunternehmens Green Street vom Januar sind die Preise für Büroimmobilien in den USA in den letzten zwölf Monaten bis Dezember um immerhin 25 Prozent eingebrochen. Hinzukommt, daß allgemein die Konkursanmeldungen innerhalb der EU rasant ansteigen; in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres um 13 Prozent. In Dänemark, Schweden und Finnland liegen laut OECD die Konkursraten oberhalb des Niveaus der globalen Finanzkrise von 2008. Dies bleibt natürlich mit Blick auf notleidend werdende Unternehmenskredite ebenfalls nicht folgenlos für das EU-Bankenwesen.
Die nächste Finanzkrise ist womöglich näher als man denkt, und die Folgen werden ggf. nicht weniger hart ausfallen, nur weil man vielleicht die Schuld wieder Rußland in die Schuhe schieben wird.
Titlefoto: Der Europäische Ausschuß für Systemrisiken oder EU-Systemrisiko-Rat ist ein Ausschuß der Europäischen Union zur Früherkennung, Prävention und Bekämpfung von systemischen Risiken innerhalb des Finanzmarktes der EU. Er ist integraler Bestandteil des seit 1. Januar 2011 bestehenden Europäischen Finanzaufsichtssystems und der Europäischen Zentralbank (EZB) untergeordnet. – Im Bild: Der Sitz der EZB in Frakfurt am Main.