Vom Niedergang einer Leitwährung

Der geo-ökonomische Wandel jenseits des US-Zentrismus.

„Der US-Dollar ist unsere Währung, aber Euer Problem.“

US-Finanzminister John Connally, 1971

Spätestens seit Obamas „Pivot to Asia“-Orientierung (dt., „Schwenk nach Asien“) versuchte der US-Deep State die wirtschaftsimperialistische Verlängerung des politischen Westens ostwärts zu forcieren. Das bereits 1989 von Francis Fukuyama propagierte „Ende der Geschichte“ sollte durch die One World nach US-amerikanischem Vorbild erreicht werden. Geopolitische Machtausübung wird dabei nicht allein nur mittels militärischer Strukturen verfolgt, sondern basiert ebenso auf Marktstrukturen, die von einer expansiven Wachstumslogik geprägt sind, um durch assimilierende Transformation im globalfeudalistischen Weltmarkt Zielräume kulturell zu annektieren.

Unterschiedliche institutionalisierte Wirtschaftszonen, die sich nicht dem US-Leitbild fügen, passen nicht ins hegemoniale Weltbild Washingtons. Allerdings erleben wir in den zurückliegenden Jahren, daß sich sowohl konkurrierende Institutionen zu den althergebrachten Globalisierungswerkzeugen wie IWF und Weltbank oder SWIFT bilden, sowie auch gewisse regionale Wirtschaftszonen zunehmend unabhängig vom politischen Westen agieren. Letzteres beschränkt sich keineswegs nur auf BRICS, wenngleich dieses – nicht zuletzt nach dessen Erweiterung zu BRICS-Plus – den einflußreichsten Mitspieler auf dem globalen Parkett darstellen mag.

BRICS-Plus bezeichnet Anfang 2024 die Erweiterung um Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, und Ägypten. Saudi-Arabien, Iran und die Emirate sind wichtige Öl- und Gasproduzenten, Ägypten eine Regionalmacht im afrikanisch-arabischen Raum, und alle trachten sie danach, resilienter gegen westliche Wirtschaftssanktionen zu werden, was bedeutet unabhängiger vom US-dominierten Finanzsystem zu agieren. Der Anteil der BRICS-Länder an der weltweiten Wirtschaftsleistung beträgt mittlerweile 35 Prozent des kaufkraftbereinigten BIP, womit der Anteil der G7-Länder übertroffen ist.

vom-niedergang-einer-leitwaehrung
BRIC wurde 2006 durch Brasilien, Rußland, Indien und China gegründet. 2010 erfolgte eine Erweiterung um Südafrika. Aus BRIC wurde BRICS. Zum Jahresbeginn 2024 kamen Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate hinzu. Zusammen umfassen die BRICS-Mitglieder etwa 30 % der weltweiten Landfläche und 45 % der Weltbevölkerung. Brasilien, Rußland, Indien und China gehören nach Bevölkerung, Fläche und BIP (KKP) zu den zehn größten Ländern der Welt . Alle fünf ursprünglichen Mitgliedstaaten sind Mitglieder der G 20 mit einem gemeinsamen nominalen BIP von 28 Billionen US-Dollar (etwa 27 % des Bruttoweltprodukts ) und einem Gesamt-BIP (KKP) von rund 57 Billionen US-Dollar (33 % des globalen BIP-KKP) und mit geschätzten 4,5 Billionen US-Dollar an kombinierten Währungsreserven (Stand 2018). – Im Bild: Der BRICS-Turm in Schanghai, der Sitz der Neuen Entwicklungsbank.

Wir sprechen hier folglich über ein Bündnis, das seinem handelspolitischen Gewicht nur folgerichtig auch währungspolitisch entsprechenden Ausdruck verleihen wird. Seitdem Sanktionspolitik geradezu zum außenpolitischen Alltagsgeschäft seitens der USA und EU wurden, wächst auch das Interesse zahlreicher um ihre Souveränität bedachten Länder an alternativen Zahlungsmethoden zu SWIFT. Nachdem Rußland regelrecht zur Entwicklung eines eigenen Systems (SPFS) gedrängt wurde, haben sich diesem laut der russischen Zentralbank bereits 557 Banken und Unternehmen aus 20 Ländern angeschlossen. Rußland, das aktuell den BRICS-Vorsitz innehat, will vornehmlich die Agenda forcieren, den Zahlungsverkehr in den Landeswährungen auszuweiten. Der Iran meldete im Januar 2024, sein Finanznachrichtensysteme mit dem Rußlands kompatibel gemacht zu haben.

Das Credit Suisse Research Institute (CSRI) veröffentlichte vergangenes Jahr eine Untersuchung, wie makroökonomische Ungleichgewichte und geopolitische Entwicklungen, Veränderungen im derzeit vom US-Dollar dominierten Währungssystem beschleunigen könnten. Demnach deute die Entwicklung der Zentralbankreserven auf die Entstehung einer multipolar geprägten Währungslandschaft hin. Die Zahl der Länder, die sich sukzessive vom US-Dollar lösen bzw. zumindest die Abhängigkeit drastisch verringern, nimmt deutlich zu, wodurch es für die USA schwieriger wird, den Dollar als Leitwährung politisch zu instrumentalisieren.

Der Dollar-Anteil an den weltweiten Reserven betrug im dritten Quartal 2023 keine 60 Prozent mehr. Dieser Trend wird sehr wahrscheinlich anhalten. Beispielsweise erörterten die Finanzminister und Zentralbankgouverneure der ASEAN-Staaten in 2023, durch den Ausbau eines grenzüberschreitenden digitalen Zahlungssystems zu Abrechnungen in lokalen Währungen überzugehen. Der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) gewinnt im Vergleich mit westlichen Bündnissen, wie z. B. der EU, nicht nur an Bedeutung, er unterscheidet sich auch dadurch, daß er die strikte Neutralität gegenüber inneren Angelegenheiten eines anderen Staates wahrt, sprich die Souveränität respektiert, die Washington und Brüssel supranational aushebeln wollen. Auch ist dort die Beteiligung nichtstaatlicher Akteure an politischen, Ebenen übergreifenden Entscheidungsprozessen weniger ausgeprägt als im NGOs-durchsetzten Westen. Verhandelt wird dort nach wie vor auf intergouvernementaler Ebene.

vom-niedergang-einer-leitwaehrung
Der Verband Südostasiatischer Nationen, kurz ASEAN, mit Sitz in Jakarta hatte als ursprüngliches Ziel die Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Zusammenarbeit. Später erweiterte sich das Betätigungsfeld um Sicherheits-, Kultur- und Umweltfragen. Im September 2009 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der ASEAN-Mitglieder, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum nach dem Vorbild der EU zu schaffen. – Im Bild: Das ASEAN-Hauptquartier in Jakarta/Indonesien.

BRICS und ASEAN mögen vielleicht die bekanntesten Namen sein, allerdings sind es keineswegs die einzigen Wirtschaftszonen, in denen sich der Wind dreht, und zwar nicht in Richtung Westen. In Westafrika kam es reihenweise zu einer politischen Trendumkehr, infolge derer sich – nicht zuletzt erneut durch Sanktionsdrohungen ausgelöst – zu handels- und währungspolitischen Neuorientierungen kommen dürfte. Mali, Burkina Faso und Niger wenden sich von der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS ab, nachdem letztere Sanktionen verhängte und sogar militärische Intervention androhte. Vor allem Niger war vor dem dortigen Regierungswechsel ein sehr enger Partner der Europäischen Union. Nachdem die EU die Finanzhilfen und die Entwicklungszusammenarbeit für Niger einstellte, hat im Gegenzug Niger die Schleusen geöffnet, indem er das Abkommen mit der EU, das den Transit von Migranten durch das Land unter Strafe stellte, aufkündigte. Die drei westafrikanischen Länder haben ihre Beziehungen zum Westen zurückgefahren, unter anderem, indem sie französische Militärs und Diplomaten des Landes verwiesen. Gleichzeitig haben sie die Beziehungen zu Rußland, aber auch zum Iran, intensiviert.

Auch die Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) schwimmt nicht vollends im Kielwasser der USA, was daran bemerkbar war, daß deren Mitglieder sich bei ihrem letzten Gipfeltreffen in San Franzisko nicht auf eine gemeinsame Position zu den Kriegen in der Ukraine und in Nahost verständigen konnten. Einige Staats- und Regierungschefs seien dagegen gewesen, diese Themen überhaupt in die Abschlußerklärung aufzunehmen, da die Wirtschaftsgemeinschaft kein Forum zur Erörterung geopolitischer Fragen darstellen solle. Die APEC-Staaten erwirtschaften zusammen rund 60 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP).

vom-niedergang-einer-leitwaehrung
Die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, im pazifischen Raum eine Freihandelszone einzurichten. In den 21 APEC-Staaten lebt knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Der Wirtschaftsraum erbringt mehr als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung und ist eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen der Welt. Die APEC repräsentiert 60 % der weltweiten Wirtschaftsleistung und 47 % des Welthandels (2022). – Im Bild: Abschlußphoto vom APEC-Gipfel in San Franzisko 2023.

Ein weiteres Beispiel dafür, daß der Westen handelspolitisch – die währungspolitische Analogie wird nicht ausbleiben – ins Hintertreffen gerät ist MERCOSUR. Während die EU und die MERCOSUR-Staaten um ein Freihandelsabkommen ringen und der Handel der EU mit der lateinamerikanischen Wirtschaftszone in den vergangenen zehn Jahren kaum Fortschritte machte, baut China seine Netzwerk in der Region aus. Allein seit 2012 ist das Handelsvolumen zwischen MERCOSUR und China um 95 Prozent gestiegen. Im Jahr 2022 betrug das Handelsvolumen bei Gütern zwischen China und den Mercosur-Staaten bereits rund 192 Milliarden US-Dollar. Das Handelsvolumen zwischen den Mercosur-Staaten und China übersteigt damit das mit der EU um fast 70 Milliarden US-Dollar. Wenn der handelspolitische Wind sich so stark dreht, ist eine entsprechende währungspolitische Kehrtwende – weg vom US-Dollar – nur eine Frage der Zeit.

vom-niedergang-einer-leitwaehrung
Mercosur, eine internationale Wirtschaftsorganisation in Lateinamerika, konstituierte sich durch Unterzeichnung des Vertrages von Asunción vom 26. März 1991. Es handelt sich um einen Binnenmarkt mit mehr als 260 Millionen Menschen (Stand 2006), der derzeit 12,8 Mio. Quadratkilometer umfaßt, was ungefähr 72 % der Fläche Südamerikas bzw. 56 % der Fläche Lateinamerikas entspricht. Der Mercosur erwirtschaftet ein Bruttoinlandsprodukt von etwa 2,4 Billionen US-Dollar (Stand 2020). Im Außenhandel beträgt der Wert der Exporte etwa 400 Mrd. US-Dollar und der der Importe etwa 330 Mrd. Dollar (Stand: 2020). – Im Bild: Hauptsitz des Mercosur in Montevideo/Uruguay.

Wobei es hier durchaus hilfreich ist, den Begriff „US-Dollar“ einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Der US-Dollar war vom 2. April 1792 bis zum Federal Reserve Act im Jahre 1913 die staatliche Währung der USA. Diese Staatswährung wurde durch die sogenannten Federal Reserve Notes abgelöst. Der anglizierte Begriff leitet sich vom deutschen Wort Taler, ursprünglich Joachimsthaler ab. Der Dollar ist frei konvertibel. Die Banknoten werden vom Bureau of Engraving and Printing gedruckt. Die Münzprägung besorgt die United States Mint.

Der US-Dollar, recte: der FED-Dollar ist ein privates, nichtstaatliches Geld des US-Großkapitals, von niemandem außer von ihm garantiert, aber nach Kräften mißbraucht und kräftig inflationär vermehrt, um als Instrument seiner Herrschaft und als Hilfsmittel für den Erwerb – manche Zeitgenossen bezeichnen es Raub – aller wichtigen Rohstoffe und Sachwerte der Welt zu dienen. Die US-Großfinanz steuert über die ihr gehörende Federal Reserve Bank letztlich das Geld und die Währungen zahlreicher Staaten dieser Erde.

Im Gegensatz zum früher im Umlauf befindlichen US-Dollar ist der FED-Dollar also kein Geld der Vereinigten Staaten, sondern er wird herausgegeben von einer privaten Bankiergruppe unter Leitung Rothschilds, die den USA dieses Geld quasi „leiht“. Die sog. Federal-Reserve-Bank der USA ist keine staatliche Bank, sondern eine Privatbank.

1944 fand in Bretton Woods/New Hampshire eine Konferenz der Vereinten Nationen zu internationalen Fragen bezüglich Finanzen und Währungen statt. Insgesamt nahmen an dieser Konferenz 44 Staaten teil, die die Errichtung der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie ein System fester Wechselkurse beschlossen, wobei der US-Dollar als weltweite Leitwährung eingeführt wurde. Im Jahr 1946 traten diese Abkommen in Kraft.

Mit dem US-Dollar als Weltleitwährung wurde auch gleichzeitig eine Goldparität bzw. ein Gold-Dollar-Standard eingeführt, der die US-Notenbank (FED) dazu verpflichtete, jeden umlaufenden US-Dollar zu einem festen Preis in Gold umzutauschen.

Dieses System des Goldstandards hielt allerdings nicht sehr lange, denn nachdem bereits in den sechziger Jahren (Vietnam-Krieg) die Goldreserven der FED gegenüber der stark angestiegenen Bargeldmenge des US-Dollars nicht mehr gedeckt werden konnten, wurde im Jahr 1971 der Goldstandard von Nixon aufgehoben. Die FED fand sich fortan nicht mehr in der Lage, die massiv gestiegene Dollarmenge in Gold einzulösen. Das Ende des Bretton-Woods-Systems war damit besiegelt.

vom-niedergang-einer-leitwaehrung
Eine jüngere 1-Dollar-Note, herausgegeben als „Federal Reserve Note“.

vom-niedergang-einer-leitwaehrung
Eine ältere 5-Dollar-Note. Hier fehlt der Aufdruck „Federal Reserve Note“. Sie heißt noch „United States Note“.

In den letzten drei Jahrzehnten wurde die Tatsache, daß der internationale Erdölhandel dollarbasiert abgewickelt wird, erneut zum Politikum. Der Regierung in Washington wird mittlerweile weltweit unterstellt, daß sie etliche ihrer Interventionen in Staaten der Dritten Welt (Irak, Libyen) allein wegen deren Weigerung, fortan Erdöl ausschließlich gegen US-Dollar einzutauschen – sondern statt dessen weitere Währungen dafür zu akzeptieren –, vorgenommen habe. Sie kreide dieses Verhalten als unverzeihliches politisches Verbrechen an, das eine sofortige Bombardierung der jeweiligen Hauptstädte und Wirtschaftszentren rechtfertige.

ОК
Im Interesse der Benutzerfreundlichkeit verwendet unsere Internetseite cookies.