Von Sparta lernen heißt siegen lernen!

Rückbesinnung auf Gemeinschaftsgeist und Wehrhaftigkeit.

„Eurer Thaten Verdienst meldet der rührende Stein:

,Wanderer, kommst Du nach Sparta, verkündige dorten, Du habest

Uns hier liegen geseh'n, wie das Gesetz es befahl.'

Ruhet sanft ihr Geliebten! Von eurem Blute begossen

Grünet der Oelbaum, es keimt lustig die köstliche Saat.“

Friedrich von Schiller: „Der Spaziergang“; aus: „Gedichte. Erster Theil“, Verlag Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804, 2. Auflage, S. 57.

Die Jungen und Mädchen absolvieren einfache gymnastische Übungen; dann werfen sie sich bunte Bälle zu. Das Training bereitet ihnen sichtliche Mühe. Unter den Trikots zeichnen sich dicke Bäuche ab, unter den noch unbehaarten Achseln bilden sich Schweißflecken. Wir befinden uns in einem von einer Krankenkasse geförderten und von erfahrenen Trainern geleiteten Kurs, irgendwo in der Bundesrepublik Deutschland.

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Fastfood, Chips, Pommes mit Majo oder Ketchup, die Zusammensetzung der Lebensmittel, in denen sehr oft neben industriellem Zucker der appetitanregende Geschmacksverstärker Glutamat zu finden ist, entwickelten sich zur Leib- und Magenspeis der jungen BRD-Deutschen. Zudem hat die Spielkonsole den Spielplatz ersetzt – in der Zusammenschau entsteht eine Sprengstoffladung, die zu Übergewicht, ja, sogar Adipositas und frühzeitigen Erkrankungen des Halteapparats führt. Experten fordern deshalb seit Jahren die Einführung eines Schulfaches Ernährungskunde und auch mehr Schulsport.

Im alten Sparta führten dicke Zeitgenossen ein Außenseiter-Dasein. So heißt es bei dem antiken griechischen Geschichtsschreiber und Geographen Agatharchides (um 208 v. Chr. – nach 132/131 v. Chr.): „… Es galt als große Schande, in seinem Aussehen ein Zeichen von Unmännlichkeit an sich zu haben und übermäßig dick zu erscheinen, wenn die Jünglinge sich alle zehn Tage nackt vor den Ephoren (den höchsten Beamten im alten Sparta) zeigen mußten.“

Statt dessen war Enthaltsamkeit angesagt, wie der griechische Philosoph und Historiker der hellenistischen römischen Zeit, Plutarch (um 45 n. Chr. – um 125) in Lykurg 17 zu berichten weiß: „Ihre Mahlzeiten waren immer sehr kärglich eingerichtet, damit sie gezwungen wären, selbst an die Befriedigung des Magens zu denken und dadurch kühn und verschlagen zu werden. Dies war der Hauptzweck ihres dürftigen Unterhalts, ein Nebenzweck soll der Wuchs des Körpers gewesen sein. Denn wenn die Lebensgeister nicht durch zu viele Nahrung beschwert, nicht in die Tiefe und Breite gepreßt werden, sondern vermöge ihrer Leichtigkeit emporsteigen, so kann auch der Körper frei und ungehindert zunehmen und bekommt so einen schlanken Wuchs.“

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Plutarch (* um 45 in Chaironeia/Boötien (Mittelgriechenland); † um 125), ein antiker griechischer Schriftsteller, verfaßte zahlreiche biographische und philosophische Schriften, die seine umfassende Bildung und Gelehrsamkeit zeigen. – Moderne Büste in Chaironeia.

Hervorbringung eines leistungsfähigen Nachwuchses

Nun kann es in der heutigen Zeit nicht darum gehen, übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche zu verspotten. So eine Reaktion hilft ihnen keinen Millimeter weiter. Geholfen werden muß den Heranwachsenden im Interesse der Volksgesundheit und der Volkswirtschaft – erinnert sei hier nur an die Kosten für Krankenbehandlungen – aber unbedingt. Die spartanische Staatserziehung kann uns Produkten (oder sollten wir besser sagen: Opfern?) der Hochzivilisation auch und gerade heute einiges an Grundsätzen vermitteln.

Die staatliche Fürsorge galt im alten Sparta der Hervorbringung eines leistungsfähigen Nachwuchses. Und so wurde mit der körperlichen Erziehung der Knaben und Mädchen vornehmlich ein Ziel verfolgt: Sie sollten Väter und Mütter gesunder und leistungsfähiger Kinder werden, was wiederum die Quellen belegen. So lesen wir bei Plutarch (Lykurg 14, 15): „Zuerst suchte er (Lykurgos) die Körper der Mädchen durch Laufen, Ringen und das Werfen von Wurfscheiben und Spießen abzuhärten, damit die in einem starken Körper erzeugte Frucht kraftvoll aufkeimen und gedeihen, sie selbst aber die zur Geburt erforderlichen Kräfte erlangen und die Wehen leicht und ohne Gefahr überstehen möchten.“

Überhaupt war frei geborenen Mädchen in erster Linie die Mutterrolle zugedacht. In diesem Zusammenhang erwähnt auch Xenophon (Staat der Lakedaimonier I, 3) einige Maßnahmen, die der (wahrscheinlich sagenhafte) spartanische Staatsmann Lykurgos im Zuge der Erziehung der Mädchen traf: Diesen wurde demnach Enthaltsamkeit auferlegt, indem ihnen „so sparsam wie möglich Brot und so wenig wie möglich Zukost zu essen“ gegeben werden sollte. Auch Genußmittel wie Wein waren im Erziehungsprozeß – wenn überhaupt – nur in gemischter, mit Wasser versetzter Form vorgesehen.

Auch Lykurgos vertrat den Standpunkt, daß kräftige, gesunde Eltern auch ebensolche Kinder hervorbringen würden. Und so „führte er wie bei den Männern so auch bei den Frauen Wettkämpfe untereinander ein im Schnellauf und in der Übung der Körperkräfte, in der Überzeugung, daß bei voller Kraft beider Eltern auch die von ihnen erzeugten Kinder stärker sein würden“. Kurz und prägnant formulierte es der athenische Aristokrat Kritias (um 460 – 403) in Der Staat der Lakedaimonier (frg. 32): „Ich beginne mit der Erzeugung des Menschen. Wie wird ein Mensch am tüchtigsten und kräftigsten? Wenn der Erzeuger turnt und sich abhärtet, und wenn auch die Mutter des künftigen Kindes körperlich kräftig ist und turnt.“

Auf dieses Ideal griff der Vater der (nicht nur deutschen) Turnbewegung Dr. Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn zurück. Sie war entstanden u. a. mit der Zielsetzung, die Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung und für die Rettung Preußens vor dem Untergang vorzubereiten.

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Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn, bekannt als „Turnvater Jahn“ (* 11. August 1778 in Lanz/Prignitz; † 15. Oktober 1852 in Freyburg an der Unstrut), ein promovierter Pädagoge, Publizist und Politiker, initiierte die Turnbewegung, die mit der frühen Nationalbewegung verknüpft war, um die deutsche Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung vorzubereiten. Aus dem von ihm begründeten Turnen ging unter anderem die heutige Sportart Geräteturnen hervor. Zahlreiche Turngeräte wie beispielsweise das Reck und der Barren wurden von ihm eingeführt. Jahns Motto lautete: „Frisch, fromm, fröhlich, frei“. – Lithographie von Georg Engelbach, etwa 1852.

1810 stifteten Jahn, Karl Friedrich Friesen und zehn weitere den „Deutschen Bund“ mit dem Ziel der Befreiung Deutschlands vom Franzosentum und der Wiedererlangung der Reichseinigkeit unter dem Wahlspruch: „Deutschheit, Mannheit und Freiheit“. 1813 kämpfte der zukünftige Ritter des Eisernen Kreuzes bei den Befreiungskriegen als Oberleutnant in der Freischar von Adolf Freiherr von Lützow.

Den ersten Turnplatz schuf er 1811 – schon seit 1810 fanden dort Turnübungen zur Ertüchtigung der akademischen Jugend statt – auf der Berliner Hasenheide. Bereits 1811/12 wurde von Friedrich Ludwig Jahn und Karl Friedrich Friesen der erste Plan zur Gründung einer Burschenschaft (Bursche war die zeitgenössische Bezeichnung für Student) gefaßt, eine Idee, die Karl Horn als Hauptgründer der Urburschenschaft 1815 in Jena umsetzte.

Doch kehren wir nach diesem Exkurs ins 19. Jahrhundert zurück in den Süden der antiken Peloponnes.

Abhärtung, Kondition, Bedürfnislosigkeit

Die spartanische Erziehung hatte vor allem staatspolitische Gründe. War doch die Führerschicht der Spartiaten „immer nur eine kleine aristokratische Minderheit innerhalb einer breiten, zahlenmäßig überlegenen Gesamtbevölkerung“, verweist Dr. Jürgen Brake in seinem 1939 erschienenen Buch Spartanische Staatserziehung auf die hierarchische Gliederung der Gesellschaft in Spartiaten, Periöken und Heloten. Die spartiatische Oberschicht „wurde durch die Opfer des Kriegsdienstes von ständiger Verminderung bedroht“, weshalb „die Sorge um einen zahlreichen Nachwuchs … neben der Förderung möglichst trefflicher Veranlagungen in der nachwachsenden Generation eine entscheidende Lebensfrage für den Bestand des Staates“ war. Das nur zur historischen Einordnung, wenngleich die körperliche Ertüchtigung auch heute – in jeder Hinsicht – ein brandaktuelles Thema ist.

Die Leibesübungen im alten Sparta waren aufs engste mit der Charakterbildung verbunden. Sie bildeten den Kern der Knabenerziehung und ergänzten einander, wobei auf ein Ziel hingearbeitet wurde: auf die Herausbildung der politisch-kriegerischen Arete, sprich: Tugendhaftigkeit. Entsprechend hart gestaltete sich die Erziehung. Im Zuge einer allgemeinen Disziplinierung des Körpers wurden Eigenschaften wie Abhärtung, Kondition und Bedürfnislosigkeit entwickelt. Der allgemeinen Körperschulung folgte in späteren Jahren die Ausbildung spezieller gymnastisch-kriegerischer Fertigkeiten.

Plutarch (Lykurg 16) liefert auch hier einen plastischen Einblick: „Von den Wissenschaften lernten sie nur so viel, als sie zur Not brauchten; der ganze übrige Unterricht zielte darauf ab, daß sie pünktlich gehorchen, Strapazen ertragen und im Streite siegen lernten. Zu dem Zwecke wurden sie bei zunehmendem Alter immer härter gehalten; man schor ihnen die Haare bis auf die Haut ab und gewöhnte sie, barfuß zu gehen und meistenteils nackt zu spielen. Vom zwölften Jahr an trugen sie kein Unterkleid mehr und bekamen für ein ganzes Jahr nur einen Mantel. (…) Sie schliefen nach gewissen Abteilungen zusammen auf einer Streu, die sie sich selbst zusammentrugen, indem sie die Spitzen des im Eurotas (ein Fluß) wachsenden Rohres ohne Messer mit den bloßen Händen abbrachen …“

Das Barfußgehen empfehlen Mediziner auch heute. Die Gründe sind schnell aufgezählt. So werden die Muskeln im Fuß trainiert und gestärkt. Auch wird die Durchblutung angeregt und die körpereigene Temperaturregulierung gefördert, was sich positiv auf das Immunsystem auswirken kann. Im alten Sparta war es im Zuge einer strengen Erziehung zu kriegerischer Tüchtigkeit ein Teil der Abhärtung.

Dazu Xenophon (Staat der Lakedaimonier II, 3): „Statt die Füße durch Schuhe zu verweichlichen, verordnete Lykurg, sie durch Barfußgehen zu stärken, denn er glaubte, wenn sie sich darin übten, würden sie leichter steile Höhen hinaufsteigen und in jähe Abgründe hinunterklettern, und wenn einer die Füße geübt habe, werde er ohne Schuhe mit mehr Gewandtheit in die Weite wie in die Höhe springen und laufen können als mit Schuhen.“

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Landschaft nahe bei Sparta.

Mauern aus tapferen Bewohnern

Der Schutz der eigenen Grenzen spielt in Europa – in dem einen Land mehr, in dem anderen weniger – in diesen bewegten Tagen wieder eine entscheidende Rolle. Was aber nutzen noch so gutgemeinte meterhohe Zäune, wenn die Bevölkerung in weiten Teilen verweichlicht ist und die Regierenden noch nicht einmal willens sind, das eigene Territorium vor Eindringlingen zu schützen? Sparta war nicht von Mauern umgeben, womit der Gesetzgeber die Absicht verband, den Geist der Tapferkeit der Bewohner aufrechtzuerhalten. Plutarch berichtet von einer Antwort des Lykurg auf die Frage, warum die Stadt über keine Mauern verfüge: „Eine Stadt ist nicht ohne Mauern, welche mit Männern statt der Backsteine eingefaßt ist.“ Agesilaos (etwa ab 400 v. Chr. – um 360 v. Chr.), König von Sparta, soll auf die gleiche Frage entgegnet haben: „Nicht mit Stein oder Holz müssen die Städte befestigt sein, sondern mit der Tapferkeit ihrer Bewohner.“

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Die Statue eines Spartanischen Kriegers im archäologischen Museum von Sparta (Nr. 3365) wurde während der Ausgrabungen im Tempel der Athene Chalkioikos durch die British School at Athens in den Jahren 1924–1925 gefunden. Es handelt sich um eines der besterhaltenen Werke lakonischer Kunst und wird in die Zeit zwischen 490 und 480 v. Chr. datiert.

Brake erwähnt in seinem Buch zudem eine spezielle, Krypteia genannte Ausbildung. Jene Krypteia (von altgriechisch „krypto“; dt., „verbergen“, „verstecken“, „verhüllen“) war eine Einrichtung, in der die jungen Männer in einer besonderen Truppe zusammengefaßt wurden. Zu diesem Zweck hatten sie ihre Bünde zu verlassen und sich auf das ganze Land zu verteilen, wo man sie mit Wach- und Sicherheitsaufgaben betraute. Wie Brake feststellt, verbanden sich in der Krypteia „letzte erzieherische Maßnahmen mit den Anfängen des selbständigen Staatsdienstes“.

In Platons Gesetzen (Nomoi) findet sich auch eine Passage, die auf die Krypteia Bezug nimmt. „Ferner (ist unter den Übungen der Jugend zu nennen) auch noch die sogenannte Krypteia, die, voller Beschwerden, ganz erstaunliche Anforderungen an die Beharrungskraft stellt mit ihrem Barfußgehen in der Winterszeit, mit ihrem Schlafen auf dem nackten Erdboden und ihrer Beschränkung auf die bloße Selbsthilfe unter Verzicht auf jede Beihilfe von Dienern; und dabei gilt es, bei Nacht und bei Tage die ganze Landschaft zu durchstreifen.“ Diese Schilderungen werden bei manch einem Erinnerungen an militärische Eliteeinheiten aufkommen lassen: Fallschirmjäger, Aufklärer oder Fernspäher, die hinter den feindlichen Linien abgesetzt werden, um dann – ganz auf sich allein gestellt – Spezialoperationen durchzuführen.

Eine klare und bestimmte Erfassung der Wirklichkeit

Über ein Elitekorps verfügten die Spartiaten natürlich auch: die Hippeis, eine 300 Mann umfassende Einheit von Rittern, die nach dem Prinzip einer strengen Auslese ausgewählt wurden. Wer etwas auf sich hielt, wollte natürlich zu ihnen gehören, wodurch der Wettstreit unter den Jünglingen angefacht wurde.

Zum Procedere ist unter anderem bei Xenophon (Staat der Lakedaimonier IV, 1) etwas zu erfahren: „Von denen, die in der Blüte der Jahre stehen, wählen die Ephoren drei aus; diese werden Hippagareten genannt. Von diesen sucht jeder hundert Jünglinge aus, indem er angibt, warum er die einen vorzieht und die anderen verwirft.“

Die 300 Auserlesenen finden auch bei dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot (um 485 v. Chr. – um 425) Erwähnung. Sie geleiteten demzufolge den Politiker Themistokles (um 525 v. Chr. – 459), den Schöpfer der athenischen Flotte, bis zur Grenze. Herodot berichtet zudem, daß die 300 Elitesoldaten den spartanischen Königen als Wache dienten.

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Herodot von Halikarnass(os) (* 490/480 v. Chr.; † um 430/420 v. Chr.) war ein antiker griechischer Geschichtsschreiber, Geograph und Völkerkundler. Cicero verlieh ihm in seinem philosophischen Werk De legibus den bis heute oft zitierten Beinamen „Vater der Geschichtsschreibung“ (pater historiae). Sein überliefertes Werk sind die im 2. Jahrhundert v. Chr. in neun Bücher unterteilten Historien, die in Form einer Universalgeschichte den Aufstieg des Perserreichs im späten 6. Jahrhundert v. Chr. und die Perserkriege im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. schildern. – Marmorbüste des Herodotos aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. im Metropolitan Museum of Arts, New York.

Die jungen Spartiaten wurden dabei nicht nur auf körperlichem Gebiet geschult. Großen Wert legten die Erzieher auch auf die Schärfung der intellektuellen Fähigkeiten, wobei im Mittelpunkt eine klare und bestimmte Erfassung der Wirklichkeit stand. Und so wurden die Spartiaten von klein auf darin geübt, scharf und genau zu beobachten und zu urteilen.

Plutarch (Lykurg 18) gewährt uns auch hier einen Einblick: „Nach Tisch legte der Eiren (ein älterer Junge) sich hin und befahl dem einen Knaben, zu singen, dem anderen legte er eine Frage vor, auf die eine überlegte Antwort erfolgen mußte, zum Beispiel wer der Beste unter den Männern, oder was von dieser oder jener Handlung zu halten sei. Dadurch wurden sie gleich von Kindheit an gewöhnt, schöne Handlungen zu beurteilen und sich um das Benehmen ihrer Mitbürger zu kümmern. Denn wenn einer auf die Frage, wer ein guter oder schlechter Mann wäre, nicht zu antworten wußte, galt dies als ein Zeichen trägen und der Tugend nicht fähigen Geistes. Die Antwort mußte mit Gründen und Beweisen begleitet, zugleich aber auch kurz und knapp sein. Wer ohne Nachdenken antwortete, bekam vom Eiren zur Strafe einen Biß in den Daumen.“

Bildhafte Sprache, Witz und Schlagfertigkeit

Die Sprache der Spartiaten war zudem bildhaft; die in den Staaten des ionischen Stammes gepflegte Vielrednerei stieß dagegen bei ihnen auf Ablehnung. Plutarch (Lykurg 19, 20) führt auch zu dieser Grundhaltung einige Beispiele an: „Charilaos, der Neffe des Lykurg, wurde einst gefragt, warum dieser nur so wenige Gesetze gegeben habe. Er antwortete: ,Leute, die nicht viele Worte brauchen, brauchen auch nicht viele Gesetze.‘ Als einige der Sophisten Hekataios tadelten, daß er in einer Tischgesellschaft, zu der er geladen war, gar nichts gesprochen habe, sagte Archidamas: ,Wer zu reden weiß, weiß auch, wann es Zeit dazu ist.‘“

Ein verbissenes Völkchen waren die Spartiaten allerdings nicht. Ganz im Gegenteil. Zeichneten sie sich doch im Gespräch durch Witz und Schlagfertigkeit aus. Nur einige Beispiele. Damaratos gab einem nervtötenden Zeitgenossen, der von ihm wissen wollte, wer unter den Spartanern denn nun der Beste sei, zur Antwort: „Der dir am wenigsten ähnlich ist.“ Auf die Frage, wie viele Spartaner es gäbe, antwortete Archidamidas kurz und bündig: „Immer genug, um die Feigherzigen zu vertreiben.“

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Die Ruinen eines Theaters im antiken Sparta.

Humor und Schlagfertigkeit kommen auch in diesen lausigen und bewegten Zeiten beim Volk gut an. Auch denken die meisten Menschen in Bildern; ellenlange, trocken gehaltene Vorträge mögen gerade junge Zeitgenossen im Zeitalter der Digitalisierung eher nicht – es sei denn, sie werden durch Bilder und Grafiken im Rahmen einer Powerpoint-Präsentation anschaulich gemacht.

Große Sorgfalt verwendeten die in Sparta Verantwortlichen auch auf die musische Ausbildung der Jugend. Dazu zählten neben der Liederdichtung Tanz und Musik. Sie waren in den erzieherischen Willen des Staates eingegliedert. Der Jugend wurden dabei die Helden und Taten der Vergangenheit vor Augen geführt, um auf diese Weise die Traditionslinie fortsetzen zu können. Lykurg, so berichtet es die Legende, habe die Lieder des Thales und die Gesänge Homers in sein Vaterland gebracht, damit in den Seelen seiner Landsleute die richtige innere Gestimmtheit für die Ordnung des Staates geweckt würde.

Doch lassen wir Plutarch wieder selbst zu Wort kommen: „Auf die Unterweisung in der Dichtkunst wurde nicht weniger Sorgfalt verwendet als auf die Zierlichkeit und Reinheit im Reden. Ihre Lieder hatten einen gewissen Stachel, der den Mut weckte und zu großen rühmlichen Taten begeisterte. Ihr Ausdruck war ungekünstelt und kraftvoll, der Inhalt erhaben und bildend für die Sitten. Sie bestanden zum großen Teil in Lobeserhebungen solcher Männer, die im Kampf für Sparta gefallen waren und deswegen selig gepriesen wurden; und sie enthielten Beschimpfungen derer, die als feige Flüchtlinge ein trauriges, elendes Leben geführt hatten, einige auch Gelöbnisse oder stolze Reden über die Tapferkeit, so wie es einem jeden Alter angemessen war.“

Von Plutarch ist weiterhin zu erfahren, daß aus Anlaß von Festlichkeiten drei Chöre auftraten: „Der Chor der Alten sang: ,Wir waren vormals jung, im Kampfe tapfere Streiter.‘ Darauf erwiderte der Chor der jungen Männer: ,Und wir, wir sind es noch, versuche das, wer will.‘ Zuletzt sang der Chor der Knaben: ,Wir werden’s künftig sein, noch mächtiger im Kampf.‘

Musik – Kunst mit der stärksten erzieherischen Macht

Die Musik galt im alten Sparta unter allen Künsten als jene mit der stärksten erzieherischen Macht. Ist doch Musik am stärksten dazu angetan, das Innerste zu bewegen, ja aufzuwühlen. In Sparta wurden dabei – und das kann nicht überraschen – vor allem jene Tonarten gepflegt, die dem spartanischen Ethos am meisten entsprachen. Von den drei im alten Griechenland entwickelten Stilformen – dem dorischen, dem ionischen und dem äolischen Stil – pflegten die Spartaner nur die dorische.

Eine kurze Charakteristik finden wir bei Herakleides Ponticos (Athenaios 624 c/25 b): „Die Unterschiede in ihrem Charakter sind nicht gering … Der dorische Stil hat kein heiteres und fröhliches, sondern ein männliches und großherziges Wesen, er ist nicht bunt und vielförmig, sondern ernst und leidenschaftlich. Der äolische Stil hat etwas Stolzes und Freudiges und auch ein wenig Geschwollenes … Der ionische Stil … ist weder lieblich noch fröhlich, sondern herb und streng und hat etwas Gewichtiges und Edles … Die Lakedämonier haben von allen anderen Doriern die angestammte Gattung am meisten gewahrt.“

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Herakleides Pontikos (der Ältere) (* um 390 v. Chr. in Herakleia Pontike; † nach 322 v. Chr.) war ein griechischer Philosoph platonischer Ausrichtung. – Phantasiestich des aus dem 1580 erschienenen Buch Illustrium philosophorum et sapientum effigies ab eorum numistatibus extractae von Girolamo Olgiati.

Über die Eigenschaften der in Sparta gepflegten Musik heißt es bei dem römischen Philosophen und Staatsmann Boethius (um 480 – 524 n. Chr.) in De institutione musica (I, 1): „Daran haben die Lakedämonier mit großem Nachdruck festgehalten …, daß die Musik gemäßigt, einfach und männlich, und nicht weibisch, wild oder kompliziert sei, nachdem der Kreter Thaletas aus Gortyne, der für viel Geld herbeigerufen war, die Knaben in der Musikkunst unterrichtet hatte. Dies war nämlich in alten Zeiten Sitte und hat sich lange erhalten. Als aber der Milesier Thimoteos den Saiten (der Zither), die er vorgefunden hatte, eine hinzugefügt und die Musik vielfältiger gemacht hatte, wurde der Beschluß, ihn aus Sparta zu verbannen, gefaßt …“

Wilde, ekstatische Tänze, wie es sie im alten Griechenland bereits gab und die in der Neuzeit beispielsweise in Gestalt von Beat und Techno eine Wiederauferstehung erlebten, wären im alten Sparta nicht denkbar gewesen. Mit Tradition oder gar Heldentum hat die meist mit dem Genuß von Rauschmitteln verbundene, krampfartige Hüpferei ohnehin nichts zu tun. Eher handelt es sich um oberflächliche Produkte einer hypertechnisierten, seelenlosen Welt. 

Wie würdevoll, erhaben und Ruhe ausstrahlend nimmt sich dagegen klassische Musik aus – ob nun Beethoven, Bach, Mozart oder Sibelius. Oder nehmen wir Marschmusik: die zackigen Rhythmen bringen den Körper unwillkürlich dazu, sich zu straffen. Kurzum: Marschmusik hat etwas Männliches und natürlich Wehrhaftes.

Gleichwertige Erziehung für das weibliche Geschlecht

Sparta war, wie Brake herausstreicht, „der männlichste Staat Griechenlands“. Gleichzeitig aber schuf Sparta – wiederum als einziger griechischer Staat – „eine der Knabenerziehung gleichwertige Mädchenbildung“, die „in einer eigenen Organisation durchgeführt“ wurde. Deren Ziel bestand vordergründig darin, die Mädchen auf ihre Rolle als Mütter vorzubereiten – sie sollten zahlreiche und vor allem gesunde Kinder zur Welt bringen. Ihre zweite Aufgabe resultierte aus der Struktur des spartanischen Staates selbst. Waren doch die Männer im öffentlichen Leben stark in Anspruch genommen bzw. durch Kriegszüge häufig abwesend. Und so wurde die Frau zur eigentlichen Herrin und Meisterin des Haushaltes und des ländlichen Grundbesitzes, woraus wiederum ein gehöriges Maß an Selbstbewußtsein erwuchs. Zum dritten herrschte in Sparta die von Logik gekennzeichnete Überzeugung vor, daß der Selbstbehauptungswille, sollte er von Dauer sein, auch von den Frauen mitgetragen werden mußte.

Plutarch erwähnt auch diesen Aspekt: „Einer fragte (den Lykurg), warum er die Körper der Jungfrauen im Wettlauf, Ringen, im Werfen des Diskus und der Speere übe. ,Damit‘, antwortete er, ,im kräftigen Körper eine kräftige Frucht Wurzel fassen und gut aufkeimen kann, und damit sie selbst aber kräftig genug sind, um die Geburt zu bestehen und die Wehen leicht und gut auszuhalten; und endlich, damit sie schließlich im Notfall auch imstande sind, für ihre Kinder und das Vaterland zu streiten.‘“

Wiederum Plutarch (Pyrrhus 27) schildert in diesem Zusammenhang eine konkrete Begebenheit: „Als es Nacht geworden war, planten die Lakedämonier zuerst, ihre Frauen nach Kreta zu schicken. Diese widersetzten sich aber. Archidamia kam sogar mit einem Schwerte in der Hand in die Gerusia (der Rat der Alten in Sparta) und machte im Namen der Frauen den Männern Vorwürfe, daß sie ihnen zumuten wollten, den Untergang von Sparta zu überleben.“

Hierauf wurde der Beschluß gefaßt, „längs des feindlichen Lagers einen Graben aufzuwerfen, an seine beiden Enden Wagen zu stellen und diese bis an die Mitte der Räder einzugraben, damit sie nur mit vieler Mühe von der Stelle gerückt werden könnten und den Elefanten das Eindringen verwehren sollten“. Die Mädchen und Frauen beteiligten sich aktiv an den Schanzarbeiten. Und als „die Feinde sich bei Tagesanbruch in Bewegung setzten, reichten sie den jungen Männern die Waffen und übergaben ihnen den Graben mit der Ermahnung, ihn mit allen Kräften zu verteidigen und zu behaupten; denn so erfreulich es wäre, vor den Augen des Vaterlandes zu siegen, so rühmlich wäre es auch, als würdige Spartaner zu fallen und in den Armen ihrer Mütter und Weiber zu sterben“.

Damals wie heute: Entartung der Demokratien

Gewiß: Die spartanische Gesellschaft – Ende des 2. vorchristlichen Jahrtausends nach der Einwanderung dorischer Stämme entstanden – war durch die Dreiteilung in Spartiaten, Periöken und (die rechtlosen) Heloten zerklüftet, zumal die kriegerische Grundhaltung der Oberschicht das gesamte Leben in eine, in die militärische Richtung drängte, wodurch die wirtschaftliche Tätigkeit völlig in den Hintergrund trat. Und ebenso klar: Die allerwenigsten, zudem nur bruchstückhaft überlieferten Zeugnisse der spartanischen Gesellschaft stammen von Spartanern selbst und sind außerdem in einem mehr oder weniger großen zeitlichen Abstand entstanden. Und doch hat uns „Sparta“ – wie der Autor hofft, herausgearbeitet zu haben – gerade in der heutigen Zeit noch einiges zu sagen.

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Die Reste der Akropolis von Sparta am Rande des Theaters.

Eine Rückbesinnung auf Sparta fand, wie Dr. Brake hervorhebt, mindestens schon einmal statt, und zwar in der Antike selbst: „In dem Maße, in dem die Demokratien entarteten, entstand eine philosophisch-politische Gegenbewegung, die dem auflösenden Individualismus den Gemeinschaftsgeist Spartas entgegenstellte, die die spartanischen Einrichtungen zu Musterbeispielen der politischen Neuordnung erhöhte und die Wesenszüge der spartanischen Lebenszucht zu Prinzipien einer philosophisch konstruierten Sittlichkeit umformte.“

Tiltefoto: Lykurg oder Lykurgos gilt nach antiken Quellen als Gesetzgeber von Sparta. Nach heutigem Forschungsstand ist er wahrscheinlich keine historische, sondern eine mythische Person. – Lykurg übergibt das Königtum an das Kind seiner Schwägerin, seinen Neffen. Ölgemälde aus dem Jahr 1791, das dem französischen Maler Jacques-Louis David zugeschrieben wird.

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