Der zweite deutsche Bauernaufstand

Die Proteste in der Bundesrepublik haben das Potential für Veränderungen. Doch dafür müssen sie noch lauter werden

„Wenn die Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen sie sich erst eine Bahnsteigkarte!“ Wladimir Iljitsch Lenin.

Den Deutschen liegt der revolutionäre Impetus nicht unbedingt im Blut. Selbst Aufstände und Revolutionen wollen sorgfältig geplant werden – bis zum letzten Bratwurststand für hungrige Revolutionäre, bis zur letzten Dixi-Toilette, die in einem einwandfreien hygienischen Zustand zu sein hat. Und Revolutionen müssen in ordentlicher Weise ablaufen, wobei ein exakter Ölstand der eingesetzten Fahrzeuge genau so penibel überwacht wie die Profildicke der Traktor-Reifen geprüft wird.

Die letzten Bauernaufstände liegen aufs Jahr genau 500 Jahre zurück und wurden vom Adel und Klerus blutig niedergeschlagen. Seither spielen die Bauern in Deutschland politisch keine Rolle mehr.

Es ist also schon etwas Besonderes, wenn die deutschen Bauern plötzlich auf die Straße gehen und ihren Unmut bekunden – und das in einem Staat, den der amtierende grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck auf X (vormals Twitter) just dieser Tage euphorisch als „den besten Staat, den wir je hatten“, betitelte. Der Gedanke, daß er einer der Hauptgründe für die Proteste sein könnte, kommt ihm nicht in den Sinn.

Was also ist los in Deutschland? Was kommt noch auf uns zu?

Objektiv gesehen, lassen sich die Deutschen ohnehin immer sehr viel Zeit, ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Fenster und öffentliche Gehwege zu putzen sowie die Gartenzwerge im gepflegten Vorgarten akkurat zu positionieren, gelten als primäre Bürgerpflicht. Was würden denn ansonsten die Nachbarn denken?

Inzwischen kann die Bundesrepublik auf zwei Jahre „Ampel“-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz zurückblicken, die man ohne Übertreibung schon jetzt zu den verheerendsten Episoden der deutschen Geschichte zählen kann. An Zufälle oder einfach Unfähigkeit der Verantwortlichen kann man mittlerweile nicht mehr denken: seit sie im Amt ist, hat die „Ampel“ nicht nur die Beziehungen zu Ländern wie Rußland und China, sondern auch die deutsche Energieversorgung und alle anderen Voraussetzungen für eine erfolgreiche ökonomische Entwicklung systematisch ruiniert.

Die Folgen sind für jedermann spürbar: die Preise für Strom und Gas erklimmen immer neue Höhen, die Inflation ebenfalls – doch die Bundesregierung wird nicht müde, alles immer noch schlimmer zu machen: durch jährlich steigende Extra-Abgaben für den CO2-Ausstoß, durch den kostspieligen Zwang, ab 2024 alle bestehenden Heizungen durch Wärmepumpen zu ersetzen, durch die Erhöhung der Frachtgebühren für Speditionsunternehmen um bis zu 80 Prozent – und vieles andere.

Die von Sozialdemokraten und Grünen politisch zu verantwortenden, die ganze Gesellschaft betreffenden Maßnahmen nur mit Inkompetenz oder allgemeiner Dusseligkeit zu erklären, greift zu kurz. Dahinter steckt ideologische Absicht; genug Stoff für einen separaten Beitrag.

Man darf sich nicht darüber wundern, daß der Zorn in der Bevölkerung steigt. Er machte sich erst kürzlich in einer handgreiflichen Begegnung Luft. Als Wirtschaftsminister Habeck kürzlich im kleinen nordfriesischen Hafen Schlüttsiel von einer Fähre an Land gehen wollte, warteten dort mehrere hundert Bauern auf ihn. Sie waren wütend. Habeck mußte unter Polizeischutz an Land gebracht werden.

der-zweite-deutsche-bauernaufstand
Radikale Forderung außerhalb der Jurisdiktion des Ancien Régime.

Neben den meisten anderen autochthonen Bevölkerungsgruppen in Deutschland haben die Bauern noch einen besonderen Grund, auf den grünen Wirtschafts- und Klimaminister sauer zu sein. Denn eine weitere Schikane der Bundesregierung sieht vor, daß künftig die staatlichen Subventionen für den Dieseltreibstoff von Agrarfahrzeugen wegfallen bzw. gekürzt werden sollen. Damit werden auch die Bauern, die ohnehin ums Überleben kämpfen, zusätzlich stranguliert. Weil die Bauern aber nun einmal die Nahrungsversorgung sicherstellen, stößt diese Maßnahme der Regierung auf besonders viel Widerspruch – nicht nur bei den Landwirten. Sie brachte das Faß zum Überlaufen.

Und das Unerwartete geschah: die Bauern kündigten landesweite Proteste an, ausgerechnet ab dem 8. Januar, wenn in Deutschland nach den Weihnachtsferien die Arbeit wieder beginnt. Autobahnen, Zufahrten, Behörden sollten blockiert und der normale Betrieb auf den Straßen und in den Städten weitgehend zum Erliegen gebracht werden. Schon macht das Wort vom „Generalstreik“ die Runde. Denn auch die Lokführer der Eisenbahn treten dieser Tage in Streik. Weitere Berufsgruppen solidarisierten sich mit den Bauern: das Transportgewerbe, Teile der Ärzteschaft (die ebenfalls unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen leidet), viele Betriebe – und viele Tausende ganz normaler Menschen im ganzen Land, die an den Demonstrationen teilnahmen.

Tatsächlich wurde mit den ersten Protesten, mit zehntausenden Traktoren und anderen Fahrzeugen, die die Städte verstopften und auf den Autobahnen für erhebliche Behinderungen sorgten, ein unüberhörbares Signal an die Politik ausgesandt: der Souverän, das Volk, beginnt sich seiner Macht bewußt zu werden. Wenn die Menschen jetzt zusammenhalten und sich nicht von den Medien wieder auseinanderdividieren lassen, kann viel erreicht und der Scholz-Regierung ihre Grenzen aufgezeigt werden. Es wäre höchste, allerhöchste Zeit.

Den meisten Demonstranten, auch den Bauern selbst, ist klar, daß es um viel mehr als nur um die Subventionen beim Agrardiesel geht. Auf zahllosen Protestplakaten werden ganz andere Forderungen laut – an erster Stelle: die Forderung nach Neuwahlen nach dem Rücktritt der „Ampel“-Regierung. Andere fordern den längst überfälligen Stop der Massenzuwanderung nach Deutschland, wieder andere, daß das Geld der deutschen Steuerzahler endlich für die Interessen der einheimischen Bevölkerung und nicht für den sinnlosen Krieg in der Ukraine und zahlreiche andere Fässer ohne Boden ausgegeben wird.

Plötzlich wird deutlich, wie weit sich Scholz und Co. in den letzten Jahren von ihrer eigenen Bevölkerung entfernt haben. Jetzt scheint der Augenblick gekommen, daß sich der Zorn Bahn bricht und aus der latenten Wut eine große Protestbewegung wird. Die Bauern sind nur der Katalysator der Entwicklung.

Für Zukunftsprognosen, wie es weitergeht, ist es noch zu früh. Zu viele Unbekannte sind im Spiel. Bislang sind die Forderungen auf den organisierten Protestkundgebungen noch eher diffus – kein Wunder, denn die Führung der Bauernverbände liegt in den Händen von Funktionären der alten Merkel-Partei CDU. Sie haben als gut bezahlte und situierte Systemlinge an radikalen Veränderungen kein Interesse.

Viel wird auch davon abhängen, ob die Spaltungs- und Desinformationsversuche der Mainstream-Medien Gehör finden oder nicht. Längst werden die Proteste auf allen Kanälen als „rechtsextremistisch“ denunziert. Aber seit der Corona-Zeit weiß jeder, was von solchen Diffamierungen zu halten ist: jeder, der Kritik an der Regierung äußert, wird zum „Nazi“ gestempelt – für viele brave Deutsche ist das die schlimmste denkbare Anschuldigung. Jetzt sind die Bauern dran. Zu hoffen ist, daß sie das Spiel durchschauen und am Ball bleiben.

der-zweite-deutsche-bauernaufstand

Die ersten Demonstrationen verliefen friedlich, diszipliniert – und allzu harmlos. Sie sind noch weit von vergleichbaren Aktionen in Frankreich und den Niederlanden entfernt. Und Kanzler Scholz zeigt sich arrogant: demonstrativ erklärte er am ersten Tag der Proteste, daß die umstrittene Abschaffung der Diesel-Subvention nicht zurückgenommen wird – eine schallende Ohrfeige für die Bauern. Noch fühlen sich Scholz, Habeck und Co. unangreifbar. Das könnte sich als Irrtum herausstellen. Doch dazu muß der Protest noch sehr viel lauter werden. Sonst könnte der zweite Bauernaufstand der Deutschen nach 500 Jahren genauso enden wie der erste, und alles wird noch schlimmer.

ОК
Im Interesse der Benutzerfreundlichkeit verwendet unsere Internetseite cookies.