Großrazzia

Kampf gegen rechtsterroristisches Netzwerk zeigt das Ausmaß der faschistischen Gefahr in Deutschland

Am Mittwoch fand eine der größten Polizeirazzien in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland statt. Rund 3.000 Beamte der Sonderpolizeikräfte stürmten am Mittwochmorgen 137 Orte in 11 Bundesländern und nahmen 25 Personen fest. Gegen weitere 27 Personen wird ermittelt. Die Bundesstaatsanwaltschaft wirft ihnen vor, Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung zu sein, und die Durchsuchungen dauern an.

"Die festgenommenen Verdächtigten gehören einer spätestens Ende November 2021 gegründeten terroristischen Vereinigung an, deren Ziel es ist, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland umzustürzen und durch eine eigene Staatsform zu ersetzen", heißt es in einer Erklärung der Bundesstaatsanwaltschaft. "Die Mitglieder der Organisation sind sich bewusst, dass dieses Projekt nur durch den Einsatz von militärischen Mitteln und Gewalt gegen staatliche Vertreter realisiert werden kann. Dazu gehört auch die Begehung von Tötungsdelikten."

Nicht Nazis mit Glatze und Stiefeln wurden verhaftet, sondern Mitglieder der High Society. Prinz Reuss Heinrich XIII. wurde von der Staatsanwaltschaft als Rädelsführer angeklagt. Prinz Reuss ist ein Frankfurter Immobilienmakler und Nachfahre eines thüringischen Adelsgeschlechts, das 700 Jahre lang über das Vogtland herrschte. Ein weiterer Hauptverdächtiger ist der ehemalige Fallschirmjägerkommandeur Rüdiger v. P., der den "militärischen Arm" der Organisation leitete.

Unter den Festgenommenen befinden sich auch ein promovierter Jurist, ein Arzt, ein Pilot, ein klassischer Tenor, die Berliner Richterin und ehemalige Bundestagsabgeordnete der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) Birgit Malsack-Winkemann sowie weitere ehemalige Elitesoldaten, darunter der ehemalige KSK-Oberst Maximilian E. Zu den durchsuchten Orten gehörte auch die Kaserne des KSK im baden-württembergischen Calw, die bereits ein Zentrum der rechtsextremes terroristisches Hannibal-Netzwerk.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem terroristischen Netzwerk, das sie als Teil des Reichsbürger-Milieus und Anhänger der QAnon-Ideologie identifiziert, konkrete Putschpläne und fortgeschrittene militärische Vorbereitungen vor. Diese Anklagen beruhen auf Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA), das seit Anfang September mit mehreren hundert Beamten die Kommunikation der Beschuldigten überwacht und abgehört hat. Außerdem wurden Konten überprüft und Chatgruppen überwacht.

Laut Bundesstaatsanwaltschaft hat sich ein "Rat" unter dem Vorsitz von Reuss "seit November 2021 regelmäßig im Geheimen getroffen, um die beabsichtigte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener staatlicher Strukturen zu planen". Reuss sollte das künftige Staatsoberhaupt sein, und die anderen Mitglieder sollten für verschiedene Ministerien zuständig sein, darunter "Justiz", "Auswärtige Angelegenheiten" und "Gesundheit".

Large-scale raid
Ein Verdächtiger, zweiter von rechts, wird von Polizeibeamten nach der Ankunft in Karlsruhe, Deutschland, aus einem Polizeihubschrauber eskortiert. Foto: AP Photo / Michael Probst.

Am 13. Oktober 2022, lange nachdem das BKA begonnen hatte, gegen Malsack-Winkemanns Beteiligung an der Bildung einer terroristischen Vereinigung zu ermitteln, entschieden die Richter laut Presseerklärung des Gerichts: "Die Versetzung eines Richters in den Ruhestand setzt eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtspflege voraus, die hier nicht feststellbar ist. ... Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person des Richters muss so stark beschädigt worden sein, dass die Rechtsprechung des Richters nicht mehr glaubwürdig erscheint; außerdem muss das Verbleiben im Amt das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine unabhängige und unparteiische Justiz beeinträchtigt haben. Es gab keine ausreichenden Fakten für diese Schlussfolgerung".

Unbeeindruckt zeigten sich die Richter auch von der Tatsache, dass Malsack-Winkemann Kontakte zum rechtsextremen "Flügel" der AfD pflegte, sich rassistisch über Flüchtlinge äußerte und an der Berliner "Querdenker"-Demonstration gegen die COVID-19-Gesundheitsmaßnahmen im August 2020 teilnahm, bei der rechtsextreme Kräfte den Eingang zum Bundestag besetzten.

Das Gericht bezeichnete die rassistische Hassrede gegen Migranten als Versprecher, erklärt der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano auf der "Constitutional Blog." "Allein aus der "fremdenfeindlichen Gesinnung", die in diesen Äußerungen zum Ausdruck kommt (das Gericht vermeidet das Wort Rassismus), "kann jedenfalls nicht auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung der Antragsgegnerin geschlossen werden"", schreibt Fischer-Lescano und zitiert aus dem Gerichtsurteil.

Das Gericht für den Justizvollzug ist Teil des Verwaltungsgerichts Berlin, das die Klage die Klage der Sozialistischen Gleichheitspartei gegen das Bundesinnenministerium im November 2021 ab. Die SEP hatte den Geheimdienst aufgefordert, sie aus ihrem Jahresbericht zu streichen, sie nicht länger als "linksextremistische" Organisation zu diffamieren und sie geheimdienstlich zu überwachen.

Das Gericht begründete seine Entscheidung gegen die SEP damit, dass deren Forderung nach einer "egalitären, demokratischen und sozialistischen Gesellschaft" gegen das deutsche Grundgesetz verstoße. Dieses Urteil hätte die rechtsgerichtete und autoritäre Haltung des Gerichts nicht deutlicher zeigen können. Die rechtsextreme Politik und der Rassismus der AfD sind mit dem Grundgesetz vereinbar, die Forderung nach einer demokratischen und sozialistischen Gesellschaft jedoch nicht!

Letztlich ist die Hinwendung der herrschenden Klasse zu rechtsextremen autoritären Herrschaftsformen, die auch in Italien, den USA und vielen anderen Ländern zu beobachten ist, eine Reaktion auf die tiefe Krise des kapitalistischen Systems. Wie schon vor 90 Jahren reagieren die Herrschenden auf die Verschärfung der sozialen Spannungen und die Zunahme des Klassenkampfes mit Militarismus und Diktatur. Während sie mit faschistischen Kräften in der Ukraine zusammenarbeiten, um ihren Stellvertreterkrieg gegen Russland zu führen, bauen sie systematisch rechtsextreme Netzwerke im Staatsapparat auf, um jeglichen Widerstand gegen ihre rechtsgerichtete Politik von unten zu unterdrücken.

Daran ändert auch die Verhaftung von zwei Dutzend Rechtsextremisten nichts. Auch in der Weimarer Republik klopfte der Staat den Nazis von Zeit zu Zeit auf die Finger. Doch als sich die Lage 1933 verschlechterte, stimmten alle bürgerlichen Parteien für Hitlers Ermächtigungsgesetz. Nur eine unabhängige, sozialistische Offensive der Arbeiterklasse kann den Aufstieg der extremen Rechten stoppen.

Hauptbildunterschrift: Die Polizei ist in Alarmbereitschaft, nachdem sie bei Razzien in ganz Deutschland 25 verdächtige Gruppen verhaftet und rechtsextreme Gruppen ausgewiesen hat. Berlin, Deutschland. 7. Dezember 2022 © Christian Mang / Reuters.

Source: World Socialist Web Site.

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