Hochaktuelle Aussagen antiker Klassiker

Auch in modernenZeiten können uns die Philosophen der Antike den Weg weisen

Jagd nach Zinsen, Wehrhaftigkeit oder Elitenbildung: Denker wie Aristoteles oder Platon trafen Aussagen, die punktgenau in die heutige Zeit passen.

Bundesdeutsche Sparkassen sind schon seit längerem nicht mehr die „Bank des kleinen Mannes“. Auch sie bieten mittlerweile – wie es so schön heißt – „Finanzprodukte“ an, mit denen sie auf den zuweilen recht rutschigen Geldmärkten dieser Welt operieren. Momentan feiern die Vorstände die von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitete „Zinswende“. Ob Sektkorken knallten und Lachs-Schnittchen gereicht wurden, wissen wir nicht. Jedenfalls heißt es in einem Kundenschreiben der DekaBank, des Wertpapierhauses der Sparkassen-Finanzgruppe, vom Oktober 2023: „Im Vergleich zu der Nullzinszeit haben sich die langfristigen Renditeaussichten, insbesondere für die Anlageklassen Aktien und Renten, spürbar verbessert. Rentenanlagen profitieren von höheren Zinsen und niedrigeren Kursen, und bei Aktien sind die gestiegenen Inflationserwartungen für die positiveren Renditeaussichten verantwortlich.“

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Aristoteles (384 v. Chr. bis 322 v. Chr.) soll bereits mit 17 Jahren Mitglied der Akademie des griechischen Philosophen Platon geworden sein. Aristoteles ist Schöpfer des abgeschlossensten, umfassendsten Systems der griechischen Wissenschaft und Stifter der Peripatetischen Schule. Mit 42 Jahren wurde er Lehrer des makedonischen Thronfolgers, des späteren Alexanders des Großen.

Altehrwürdige Philosophen wie Platon und Aristoteles würden bei der Lektüre solcher Zeilen wohl unwillkürlich die Stirn in Falten legen. In Aristoteles‘ Werk Politiká wird auch zum Thema Geldvermehrung eine klare Position eingenommen (1258 b). Aristoteles unterschied dabei zwei Arten der Erwerbskunst, und zwar „eine auf den bloßen Handelsgewinn und „eine auf die Zwecke der Hausverwaltung berechnete“. Die zweitgenannte stufte er dabei als „notwendig und löblich“ ein, wogegen „die erstere aus dem bloßen Umsatz gezogene dagegen mit Recht getadelt wird, weil sie nicht auf die Natur gegründet ist, sondern die Menschen diesen Gewinn voneinander ziehen, so ist mit dem größten Recht das Wuchergeschäft (obolostatiké) verhaßt, weil dieses unmittelbar aus dem Gelde selber den Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld doch allein erfunden ist. Denn nur zur Erleichterung des Tausches kam es auf, der Zins (tókos) aber vermehrt es an sich selber.“

Aristoteles erinnert hierbei an den Sinngehalt des Wortes „tókos“, das soviel wie „Nachkommenschaft“, „die Jungen“ oder „Kinder“ bedeutet, im übertragenen Sinne aber auch mit „Gewinn“ (insbesondere von ausgeliehenem Geld) und „Zinsen“ übersetzt werden kann: „Daher denn auch der Name für ,Zins‘ soviel wie ,Junge‘ bedeutet, denn das Junge pflegt seinen Erzeugern ähnlich zu sein, und so ist auch der Zins wieder Geld vom Gelde.“ Diese Art der Erwerbskunst stuft Aristoteles als „die widernatürlichste von allen“ ein.

Brennende Aktualität

Auch Platon läßt seinen Sokrates in der Politeia zum Thema Geld bzw. Zins klar Stellung beziehen (8, 555 c ff.): „Nun ist das doch wohl klar, daß in einem Staat unmöglich der Reichtum geehrt und zugleich Besonnenheit und Mäßigung … in den Bürgern hervorgebracht werden kann, sondern notwendig wird entweder das eine vernachlässigt oder das andere.“ Indem die in Oligarchien Herrschenden „Zügellosigkeit übersehen und freigeben: So werden oft Menschen, die gar nicht unedel sind, in die Armut hineingedrängt“. Jene Deklassierten, verschuldet oder gänzlich ihrer bürgerlichen Stellung beraubt, zürnen denen, die „das Ihrige besitzen“.

Sokrates bezeichnet diesen Personenkreis als „Sammler“, die immer wieder aufs Neue jeden bedrängen, „der nur um ein weniges ausweicht, indem sie ihm ihr Gold beibringen, und während sie nun an Zinsen das wer weiß wie Vielfache ihres ursprünglichen Vermögens aufhäufen, vermehren sie in dem Staate die Zahl der Drohnen (also der faulen Nutznießer – d. Verf.) und Armen.“

Überhaupt sind einige Aspekte, die in Platons Werk debattiert werden, von geradezu brennender Aktualität. Nehmen wir nur den Stand der Wächter, der in der Politeia einen breiten Raum einnimmt. Seine Aufgabe besteht in Sokrates‘ Idealnation in der Schaffung bzw. Gewährleistung der „Freiheit des Staates“ (3, 395 c).

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Platon (altgr. Plátōn, „breit geschultert“, latinisiert Plato, 428/427 v. Chr. bis 325/326), ein Schüler des Sokrates, hat als Philosoph und Mathematiker zusammen mit Aristoteles die Grundlagen abendländischer Philosophie gelegt. Er war auch ein Verfasser philosophischer Dialoge und Gründer der berühmten Akademie in Athen.

Diese Aussage dürfte bei vielen, konsumdressierten und zum Individualismus erzogenen BRD-Schnarchnasen ein eher gleichgültiges Schulterzucken hervorrufen. Möglicherweise schwant dem einen oder anderen angesichts der internationalen Entwicklung, daß die große Party dem Ende entgegengeht. Den Cicero-Spruch „Si vi pacem para bellum“ kennen möglicherweise jene, die eine humanistische Bildung genossen oder zumidest das kleine Latinum haben – immerhin.

Schon mehren sich die Rufe nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht. Doch gemach, gemach: ein Hausbau beginnt ja auch nicht mit dem Dach, sondern mit dem Setzen des Fundaments. Und hier liegt einiges im Argen. Läßt doch die Wehrhaftigkeit weiter Teile der Jugend zu wünschen übrig, was an Übergewicht oder mangelnden koordinativen Fähigkeiten überaus deutlich wird. Also: mehr Sport in Kindergärten und an Schulen! Zudem ist die nationale Freiheit nicht gegeben, Deutschland noch immer ein besetztes Land. Da kann es nicht verwundern, daß die jetzigen „Wehrmänner“ nicht ihr Land, sondern fremde Interessen verteidigen.

Scharf wie edle Hunde

Doch über welche Eigenschaften müssen die Wehrmänner im Platonschen Staate verfügen? Sokrates wählt den Vergleich mit edlen Hunden: „Nun, scharf müssen sie doch wohl einer wie der andere sein im Wahrnehmen und schnell, um das Wahrgenommene zu ergreifen, und wiederum stark, um im Notfall das Ergriffene zu verfechten“, wobei er auch den Aspekt der Freund-Feind-Unterscheidung erwähnt: „gegen alle Befreundeten sanft und nur den Feinden hart“ (2, 375 a, c). Damit die Wächter aber überhaupt in der Lage sind, ihr Land gegebenenfalls zu verteidigen, muß in der Erziehung der Jünglinge auf die Darstellung des Männlichen, Besonnenen und Guten geachtet werden. In diesem Zusammenhang bringt Sokrates den Faktor der Gewöhnung ins Spiel, indem er seine Gesprächspartner darauf hinweist, „daß die Nachahmungen, wenn man es von Jugend an stark damit treibt, in Gewöhnungen und in Natur übergehen, es betreffe nun den Leib, oder die Töne oder das Gemüt.“ Es sei deshalb ausgeschlossen, daß im Zuge der Erziehung jene Jünglinge, die „tüchtige Männer werden sollen, ein Weib darstellen, da sie doch Männer sind“ (3, 395 c).

Diese Aussagen mögen so manchen nachdenklich stimmen, der in Gesellschaften der westlichen Hemisphäre lebt, wo – von der Tendenz her – eine Verweiblichung des Mannes und eine Vermännlichung der Frau festzustellen ist – und die Sicherheitsbehörden Kampfsport-Veranstaltungen oder auch Fußball-Hooligans (auf beiden Feldern wird ja in gewissem Maße Wehrhaftigkeit zur Schau gestellt!) mißtrauisch beäugen. Andererseits üben sich Angehörige von in der BRD lebenden arabischen oder tschetschenischen Groß-Clans problem- und kritiklos im Kraft- und Kampfsport.

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Sokrates (469 v. Chr. bis 399 v. Chr.) drang im Sinne seiner Philosophie auf sittliche Vervollkommnung, wurde von seinen entarteten Mitbürgern aber verkannt und mißverstanden und für seine Überzeugung in den Tod getrieben.

Überhaupt könnten viele von Sokrates‘ Aussagen in unseren Tagen getätigt worden sein – wenn er beispielsweise auf die Wichtigkeit der gymnastischen Erziehung für die Jünglinge (und kommenden Wehrmänner!) verweist, wobei er Wert auf die Feststellung legt, „daß die vollkommene Seele durch ihre Tugend den Leib aufs bestmögliche ausbildet“ (3, 403 d). Oder wenn der große Denker an anderer Stelle zur Enthaltsamkeit mahnt, sprich, vor dem Genuß alkoholhaltiger Säfte oder auch Süßigkeiten warnt (3, 403 e, 404 c).

Das Schöne und Anständige

Platon und Sokrates ging es allerdings nicht um die Heranziehung von hirnlosen Kampfmaschinen, sondern auch – im Sinne der Einheit von Seele, Körper und Geist – um die musikalische, überhaupt künstlerische Erziehung der Heranwachsenden. In diesem Sinne sieht er es als entscheidend an, solche Künstler zu suchen, „welche eine glückliche Gabe besitzen, der Natur des Schönen und Anständigen überall nachzuspüren, damit unsere Jünglinge, wie in einer gesunden Gegend wohnend, von allen Seiten gefördert werden“, ein Prozeß, der schon in der Kindheit beginnen müsse. Das „Wichtigste in der Erziehung“ beruhe „auf der Musik, weil Zeitmaß und Wohlklang am meisten in das Innere der Seele eindringen und sich ihr auf das kräftigste einprägen, indem sie Wohlanständigkeit mit sich führen und also auch wohlanständig machen“ (3, 401 c-e).

Die Herrscher müssen im sokratischen Staatsgefüge – das kann auch kaum verwundern – aus besonders gutem Holz geschnitzt sein. Im sechsten Buch der Politeia führt er die für sie notwendigen Eigenschaften auf. Dabei nehmen die Philosophen eine Favoritenstellung ein, da es sich um jene Zeitgenossen handele, „welche das sich immer gleich und auf dieselbe Weise Verhaltende fassen können“ (6, 484 b), die – mit anderen Worten – mit dem ewig Seienden, den Lebensgesetzen, vertraut sind (6, 485 b). Wahrheitsliebe (6, 485 c), Ablehnung von Habsucht und Protzerei (6, 485 e) sowie ein gutes Gedächtnis, Tapferkeit und Besonnenheit sind weitere Eigenschaften, die ein Staatsoberhaupt in sich vereinigen muß (6, 487 a).

Elitenbildung: Strenge Auswahl

Aber wie gelangen die Besten an die Spitze des Staates? Die Politeia liefert darauf gleichfalls Antworten. Und zwar sollen aus dem Stand der Wächter solche Männer ausgewählt werden, „von denen sich und bei näherer Beobachtung am meisten zeigt, daß sie in ihrem ganzen Leben, was sie der Stadt förderlich zu sein erachten, mit allem Eifer tun, was aber nicht, das auch auf keine Weise tun wollen“. Zu diesem Zweck sei eine genaue Beobachtung „in jedem Alter“ notwendig (3, 412 d, e) – und das auch, „indem man ihnen gleich von Kindheit an Geschäfte aufgibt, bei denen einer dies am leichtesten vergessen und darum betrogen werden könnte; und wer es nun dennoch festhält und schwer zu betrügen ist, der werde aufgenommen, wer aber nicht, der ausgeschlossen“ (3, 413 c, d). Als weitere Hürden für die Jungmänner in diesem Auslese- und Elitenbildungsprozeß nennt Sokrates „Anstrengungen und Schmerzen und Wettübungen“ (3, 413 d), „um sie mehr als das Gold im Feuer zu prüfen“ (3, 413 e).

Der auf diese Weise vollzogene Prozeß wird dann mythologisch untermauert. Zwar haben alle in der Polis Lebenden den Status von „Brüdern“, „der bildende Gott aber hat denen von euch, welche bestimmt sind zu herrschen, Gold bei ihrer Geburt beigemischt, weshalb sie denn die köstlichsten sind, den Gehilfen aber Silber, Eisen hingegen und Erz den Ackerbauern und übrigen Arbeitern.“ Starr ist dieses System allerdings nicht: „bisweilen aber könnte doch auch wohl aus Gold ein silberner und aus Silberner ein goldener Sprößling erzeugt werden, und so auch alle andern auseinander“ (3, 415 a, b). Platon und Sokrates berührt hier den Bereich der Genetik, der Vererbung – und damit den Grundsatz von der natürlichen Ungleichheit der Menschen, woraus sich ein Schluß ziehen läßt: wird möglichst jeder entsprechend seinen Begabungen und Fähigkeiten eingesetzt, ist zumindest die Grundlage für Gemeinschaft und Freiheit gegeben.

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