Europas Verzicht auf russisches Gas erschließt neue Möglichkeiten für alle Akteure

Heutzutage ist der LNG-Markt höchst global und integriert

Europa nahm den Kurs auf die Verringerung der Abhängigkeit vom russischen Gas. Dieses anspruchsvolle (wenn nicht unvernünftige) Ziel sieht voraus, dass die EU-Länder versuchen, in absehbarer Zukunft einen Ersatz für etwa 155 Milliarden Kubikmeter vom Gas aus Russland zu finden.

Das geschieht nicht früher als 2026-2027, doch schon heute versuchen Europäer, den Verbrauch vom ganzen blauen Treibstoff zu reduzieren, was 350-400 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ausmacht, indem sie energieeffiziente Technologien einzusetzen versuchen, Temperatur zu Hause senken, Atomkraftwerke bauen und auf erneuerbare Energien umsteigen.

Der Restbedarf wird mithilfe anderer Lieferanten gedeckt. Vor allem der LNG-Exporteure, das unter harten Bedingungen von langfristigen Aufträgen geliefert wird. Europas Einsatz auf das LNG, der einen stetigen Preiswettbewerb mit Asiens Prämienmärkten voraussetzt, wirkt sich in der Zunahme der Investitionen und dementsprechend der Gewinne aller Teilnehmer aus, die mit dieser Branche zu tun haben.

Der Vorteil für LNG-Exporteure wird besonders markant in der nächsten Zeit. Das allmähliche Schließen vom europäischen Gasmarkt zwingt Russland nämlich schon heute, die Förderung zu drosseln. Kurzfristig treibt das Kassenkurse in die Höhe. Wenn im Jahr 2020 ein tausend Kubikmeter Gas 200 Dollar kostete, nun kostet es 1200 Dollar.

Wenn ihre Ware teurer wird, bereiten sich die Weltführungsproduzenten vom LNG vor – Katar, Australien, die USA sowie Algerien, Aserbaidschan und eine Reihe der Produzenten in Afrika und im Nahen Osten – den neuen Absatzmarkt zu erschließen. Für sie bringt das Doppeltgewinn.

So eine günstige Marktkonjunktur lockt schon jetzt überzeugende Investitionen in die Branche. Katar zum Beispiel will ab 2026-2027 seine LNG-Förderung fast verdoppeln und diese Anlieferungen auf Europa richten. Heutzutage betragen Ausfuhren vom katarischen Gas schon 107 Milliarden Kubikmeter.

Auch andere Exporteure des blauen Treibstoffs wollen ihre Produktionskapazitäten verstärken. So erwartet die ganze Welt, dass etwa in fünf Jahren, vielleicht ein wenig früher, auf den Markt zusätzliche Volumen vom LNG kommen. Noch mehr wird sich der Flüssigerdgas-Markt nach einigen optimistischen Einschätzungen, trotz aller Diskussionen über Aussichten der Energiewende, schnell entwickeln und die steigende Nachfrage mindestens nächste 15-20 Jahre lang demonstrieren.

Da stellt sich die Frage, wie kann man dieses Gas an den Verbraucher liefern. Und hier eröffnen sich neue Möglichkeiten für Gastankerproduzenten. Die Werften der Weltführer im Bau dieser Schiffklasse – Japan, Südkorea und teilweise China – sind mit den Aufträgen für mehrere nächste Jahre eingedeckt. Experten prognostizieren weitere Nachfragesteigerung seitens Transportfirmen.

Sie sind bereit, in neue Kapazitäten für LNG-Transportation zu investieren, sogar trotz der paradoxen Werte in Frühlingsmonaten dieses Jahres. Bei extrem hohen europäischen Gaspreisen waren die Mietkosten für Gastanker niedriger als Ende 2021. Dabei waren Ende März-Anfang April 2022 Frachtensätze auf Schiffe dieser Klasse mal sogar negativ.  Das heißt, Betriebskosten der Schiffsbesitzer waren höher als Transportsätze.

Das hat mit einem starken Saisonfaktor auf dem Gasmarkt zu tun. Jetzt beispielsweise, als die Heizungssaison von Herbst und Winter schon vorbei ist und der asiatische Markt nicht mehr so dringend extra Volumen des LNG braucht, sind die Frachtsätze von Gastankern drastisch gesunken. Doch schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres, ab Juli, wenn sowohl die asiatischen, als auch die europäischen Länder anfangen, sich auf die Heizungssaison von Herbst und Winter vorzubereiten, steigt erneut der Bedarf an LNG-Tanker. Selbst diese Tanker werden wieder Mangelwaren, und deswegen werden eigentlich Europäer gegen Asiaten nicht nur wegen der Frage kämpfen, auf welchem Markt der Preis für LNG höher wird, sondern auch deswegen, wer einen größeren Preis für Gastankermiete anbieten kann, weil die Zahl dieser Tanker begrenzt ist.

Was Pipelinelieferungen nach Europa angeht, ist die Neuaufteilung des Gasmarkts nicht nur für Produzenten, sondern auch für Durchleiter vorteilhaft. So die Türkei, die ihre Ansprüche bestätigt, das größte regionale Karbondrehkreuz zu werden, bereitet sich vor, die Durchleitung von Ressourcen aus Turkmenistan, Kasachstan, Aserbaidschan und Usbekistan sowie den Nahostländern über ihr Gelände nach Europa zu steigern. Im Allgemeinen erwarten Experten einen Anstieg der Investitionen in Pipelineausbau. Die Europäische Union ist zum Beispiel schon jetzt bereit, extra 10 Milliarden Kubikmeter von Gas aus Aserbaidschan zu kaufen. Dafür muss aber das Land das transadriatische Pipelinesystem zwei-drei Jahre lang ausbauen. Ein anderes Beispiel ist Myanmar, einer der fünf größten Gaslieferanten nach China, das (um die steigende Nachfrage zu decken) die Leitungskapazität seines Pipelinenetzes, das jetzt höchst 12 Milliarden Kubikmeter pro Jahr durchleiten kann, erhöhen muss.

Eigentlich erschließt die Turbulenz auf dem Markt auch für Gasverbraucher neue Möglichkeiten. Zu denen zu greifen schaffen nur diejenigen, die flexibler die Importbilanz ändern können, indem sie die Abhängigkeit vom Flüssigerdgas zugunsten des Pipelinegases verringern. Der LNG-Markt ist heutzutage nämlich höchst global und integriert. Dank der Technologienentwicklung können Produzenten auf jegliche Nachfrageverschiebungen und Marktschwankungen fein reagieren. Der Preisanstieg in Europa lässt die Lieferanten zum Beispiel ihre Gastanker dorthin umleiten. Doch das provoziert einen Mangel in Asien, treibt die Preise in die Höhe und dementsprechend macht schon diesen Markt attraktiver. In den letzten Monaten gab es Fälle, wo Gastanker den Endpunkt ihrer Route mehrmals änderten.

Europas Verzicht auf russisches Leitungsgas schraubt zwar die Preise auf Kassamärkten in die Höhe (jetzt sind die Kotierungen in Asien und Europa ähnlich), ist aber langfristig für asiatische Verbraucher vorteilhaft. Für China, zum Beispiel, dessen Wirtschaft wie ein Staubsäuger jeden Gasüberfluss vom Weltmarkt einsaugt.

Chinas Importabhängigkeit von dieser Ressourcenart ist hoch. Der Verbrauch nur noch vom Erdgas in der Volksrepublik hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdreifacht und machte Ende 2020 330,6 Milliarden Kubikmeter aus. Doch kurzfristig kann das Land seine Importe bilanzieren, indem es auf die freigesetzten Volumen des russischen Leitungsgases setzt. Sein Preis wird durch den Ölpreis definiert, also wird von den Kassamarktschwankungen nicht betroffen.

Was das LNG anbetrifft, bekommen alle asiatischen Länder – seine größten Verbraucher – im Angesicht der EU einen ernsten Konkurrenten im Kampf um Gastanker. Gewinnen diejenigen, die die Anlieferungen durch enorme im Westen ungefragte Volumen des russischen blauen Leitungstreibstoffes zu diversifizieren schaffen. In Asien hat jetzt so eine Möglichkeit nur China. Doch früher wurden Bauprojekte von Pipelines nach Südkorea und Japan besprochen. Es ist nicht auszuschließen, dass die neue Realität dazu zwingt, auf sie mal anders zu schauen. Zieht man in Betracht Diversifizierungsmöglichkeiten der Lieferungen von blauem Treibstoff sowie die aktive Politik der Volksrepublik China, die sich auf die Dekarbonisierung bis 2060 richtet (die durch Nachfragestimulierung, unter anderem auch der Ersatznachfrage, nach karbonarmer Energie gewährleistet wird), entsteht in Asien eine neue Angebot-Nachfrage-Bilanz. Sie lässt Regionalgasverbraucher mehr Einfluss auf die Produzenten dieser Ressource ausüben. Die Möglichkeit, die Europäer verlieren. 

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