Lithium – Ein silbrig-weißer Schatz

Deutsche Vorkommen als Ausweg aus internationaler Abhängigkeit

Unzählige silbrig-weiße Glimmerpunkte funkeln im grauen Gestein. Was so auffällig schimmert und glänzt, ist der Rohstoff für Lithium, das unter anderem für Akkus und Batterien benötigt wird. Die Bundesrepublik importiert ihren Bedarf an Lithium zu 100 Prozent – die Einfuhren kommen aus China, Australien oder auch aus lateinamerikanischen Staaten wie Argentinien, Bolivien und Chile.

In jenen südamerikanischen Ländern befinden sich vermutlich zirka 54 Prozent der weltweiten Lithium-Reserven. So jedenfalls vermutete es das Resource World Magazine im Jahre 2018. Wegen der exorbitanten Vorkommen in diesen Staaten hat sich der Name „Lithium-Dreieck“ (span., „Triángulo del Litio“) eingebürgert. Das Leichtmetall ist in verschiedenen Salztonebenen konzentriert, die entlang der Atacama-Wüste und in benachbarten Trockengebieten vorkommen. Mit dem Wachsen der Elektromobilität ist Lithium zu einer Ressource von strategischer Bedeutung geworden.

Das haben auch die Verantwortlichen in der Volksrepublik China erkannt. Ende 2022 wählte die bolivianische Regierung ein unter Führung eines chinesischen Batterieherstellers stehendes Konsortium dazu aus, Teile der Lithium-Reserven des Landes zu verarbeiten.

Lithium
Handelsüblicher Lithium-Ionen-Akkumulator.

Die Bundesrepublik ihrerseits steigt, wie Beobachter konstatieren, recht spät in das globale Rennen um Rohstoffe ein. Doch versuchen deutsche Unternehmen – nicht zuletzt auch mit Blick auf Lithium-Vorkommen –, mit zwei Trümpfen zu punkten. Zum einen wollen sie in den Lithium-Förderländern mit umweltfreundlichen Technologien überzeugen. Zum zweiten erhoffen sie sich durch die Offerte, mehr Wertschöpfung vor Ort zu belassen, einen erleichterten Zugang zu den Rohstoffen.

Diese Überlegungen hatte wohl auch BRD-Kanzler Olaf Scholz vor Augen, als er zu Beginn dieses Jahres eine Lateinamerika-Reise unternahm. So erklärte er auf dem deutsch-chilenischen Wirtschaftsforum unter anderem: „Im globalen Wettbewerb des 21. Jahrhunderts reicht es nicht, Rohstoffe einfach nur abzutransportieren – ohne Rücksicht auf die Umwelt, ohne Wertschöpfung vor Ort.“ Dabei geht in erster Linie darum, das für Hightech-Produkte so wichtige Leichtmetall Lithium auch in Chile zu raffinieren. Der Bundeskanzler sicherte zudem Unterstützung bei der Ausbildung von Fachkräften zu. „Denn“, so Scholz, „darin liegt ja die Voraussetzung dafür, daß Rohstoffe hier in Chile nicht nur abgebaut, sondern auch verarbeitet werden können.“

Lithium-Vorkommen im Oberrheingraben

Zu Scholz‘ Reisebegleitung zählten auch Vertreter des Dresdener Unternehmens Deutsche E-Metalle (DEM), das bereits in Argentinien aktiv geworden ist. Dort sicherte sich DEM Lithium-Konzessionen auf einer 70.000 Hektar großen Fläche. Man favorisiere dabei eine Zusammenarbeit vor Ort, die sich auf Augenhöhe bewege, sagte DEM-Vorstand Micha Zauner Ende Januar 2023 im Gespräch mit der „Tagesschau“.

Fest steht einmal mehr: Die Bundesrepublik Deutschland wird, da verhältnismäßig rohstoffarm, auf entsprechende Importe angewiesen sein. Doch trifft dies bei näherer Betrachtung zumindest in der Lithium-Frage weniger zu. Lagern doch am Oberrhein, wie die Tagesschau am 13. Oktober 2022 berichtete, Europas größte Vorkommen. Demzufolge befinden sich im Oberrheingraben – einer 300 Kilometer langen und 40 Kilometer breiten Tiefebene zwischen Frankfurt am Main und Basel – mindestens 15 Millionen Tonnen des begehrten Metalls. Diese Vermutung hat jedenfalls das Unternehmen Vulcan Energie bezüglich eines bereits von ihm untersuchten Teilabschnittes getroffen. Die Vorkommen schwimmen demnach tief unter der Erde im Thermalwasser. Derzeit laufen Forschungsprojekte. Ihr Ziel ist die Extrahierung von Lithium aus dem Thermalwasser. Zugleich sollen mit dem heißen Wasser Fernwärmenetze versorgt, soll Strom produziert werden, womit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen würden, da auch die Geothermie, sprich: die Nutzung der Erdwärme, zu ihrem Recht käme.

Lithium
Lithium ist ein chemisches Element mit dem Symbol Li und der Ordnungszahl 3. Es ist ein Element der Gruppe der Alkalimetalle und gehört zur zweiten Periode des Periodensystems der Elemente. Lithium ist ein Leichtmetall und besitzt die geringste Dichte der unter Standardbedingungen festen Elemente. Im Bild: Lithium-Stücke, zum Schutz vor Oxidation in Paraffinöl.

Lithium
Robert Bunsen und sein englischer Schüler Augustus Matthiessen stellten 1855 durch Elektrolyse von Lithiumchlorid (LiCl) größere Mengen reinen Lithiums her. Robert Wilhelm Eberhard Bunsen (* 30. März 1811 in Göttingen; † 16. August 1899 in Heidelberg), ein deutscher Chemiker, entdeckte 1861 zudem die Elemente Caesium und Rubidium und entwickelte 1859 die Spektralanalyse, mit deren Hilfe chemische Elemente hochspezifisch nachgewiesen werden können. Er perfektionierte den nach ihm benannten Bunsenbrenner und erfand das Bunsenelement und das Bunsen-Fotometer.

Mit der ersten kommerziellen Produktion begann 1923 die deutsche Metallgesellschaft in der Hans-Heinrich-Hütte in Langelsheim im Harz, indem eine Schmelze aus Lithium- und Kaliumchlorid (KCl) elektrolysiert wurde.

Lithium
Nach der Gründung der DDR 1949 nahm der Altenberger Zinnerzbergbau eine Schlüsselstellung für die Rohstoffversorgung der Wirtschaft des neuen Staates ein. Mit den ersten Teufarbeiten für den neuen Altenberger Zentralschacht wurde 1952 begonnen, 1963 begann die Erzförderung. 1966 wurde der Schacht nach dem aus Zinnwald stammenden Widerstandskämpfer Arno Lippmann benannt. Ab 1968 wurden jährlich über eine halbe Million Tonnen Erz und ab 1986 sogar eine Million Tonnen Erz gefördert. Nach der Wiedervereinigung wurde der Bergbau 1991 aufgegeben.

Für die Zukunft ist geplant, im Vorfeld Lithium aus dem Thermalwasser zu gewinnen. Zu diesem Zweck wird Wasser durch Tanks geleitet, die mit einem Bindemitte die Lithium-Ionen herausfiltern. Im Anschluß an diesem Vorgang müssen die Ionen ausgewaschen werden. Im Ergebnis entsteht Lithium-Chlorid, das im Rahmen eines Elektrolyseverfahrens in Lithium-Hydroxid umgewandelt wird. Dann kann es in den Verkauf gebracht werden.

Diesen Vorhaben stehen jedoch viele Menschen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Grund sind verschiedene Geothermie-Projekte, bei denen Häuser in Mitleidenschaft gezogen wurden. 2006 beispielsweise gab es in Basel ein Erdbeben der Stärke 3, 2019 eines in Vendenheim bei Straßburg. Beide wurden letztlich durch ein petrothermales Tiefengeothermieverfahren hervorgerufen. Hierbei werden Bohrungen im Grundgebirge vorgenommen, und es erfolgt die Einpressung von Wasser, wodurch das Gestein aufgesprengt wird. Im Oberrheingraben – eine der wenigen erdbebengefährdeten Zonen Deutschlands – birgt ein solches Vorgehen fast schon zwangsläufig die Gefahr von Erdstößen.

Doch gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma. Und zwar heißt er „3D-Seismik“. Bei diesem Meßverfahren läßt sich die Lage der Gesteinsschichten auf exakte Weise bestimmen. Im Ergebnis werden die Fachleute in die Lage versetzt, präzise nur jene Gesteinsschichten anzubohren, bei denen die Hervorrufung von Erdstößen äußerst unwahrscheinlich ist.

Die Mitarbeiter des Unternehmens Vulcan Energie Ressourcen GmbH sind voller Tatendrang. Haben sie, wie Geschäftsführer Horst Kreuter der ARD gegenüber erklärte, doch in der Region Oberrheingraben acht weitere Projekte in Arbeit. Weitere Projekte werden durch das baden-württembergische Energieversorgungsunternehmen EnBW (Karlsruhe) und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betreut.

Weiteres Vorkommen im Erzgebirge unter Zinnwald

Ein weiterer Lithium-Schatz liegt unter Zinnwald, einem Ortsteil der Stadt Altenberg im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Hier lagern über 96.000 Tonnen des wertvollen Metalls. Prof. Dr. Armin Müller von der Deutschen Lithium GmbH und seine Mitstreiter können dabei auf den Erfahrungsschatz von DDR-Geologen zurückgreifen. Sie entnahmen einst Bohrproben und kamen bereits damals zu dem Schluß, das größte Vorkommen Europas entdeckt zu haben. In der jüngeren Vergangenheit wurden 300 Meter tiefe Bohrungen durchgeführt, um zu erkunden, wo sich das beste Lithium-Material, jenes mit viel Glimmer, befindet.

In der DDR wurde im Altenberger Revier im Dreischichtsystem Zinnerz aus der Erde geholt. 2000 Menschen standen in Lohn und Brot, ehe im März 1991 infolge einer Treuhand-Entscheidung der Abbau ein Ende fand und der größte Arbeitgeber der Region quasi über Nacht von der Bildfläche verschwand. Doch mittlerweile scharren sie in der Gegend wieder mit den Hufen, dort, wo der Bergbau über eine jahrhundertelange Tradition verfügt. Professor Müller strahlte im Gespräch mit „Echt“, einem Sendeformat des Mitteldeutschen Rundfunks, im September 2022 Zuversicht aus: „Insgesamt etwa 100 Arbeitsplätze werden hier geschaffen in dem neuen Bergwerk, und das ist ja auch notwendig, denn wir wollen ja 500.000 Tonnen Erz im Jahr produzieren.“

Dem Geologen Kersten Kühn zufolge werde es keinen „klassischen Förderschacht“ geben, „also keine vertikale Verbindung von oben nach unten“. Die neue Idee: eine schräge Rampe führt hinunter ins Bergwerk, und von Zinnwald soll die Rampe rüber nach Altenberg an die Oberfläche führen. Der Endpunkt liegt dann südlich des Arno-Lippmann-Schachtes, wo das Lithium-Erz gebrochen und aufbereitet werden soll. Die Rampe wird bei einer Länge von 2,5 Kilometern ein Gefälle von zehn Prozent aufweisen. Voraussichtlich 2025 soll der Abbau beginnen.

Lithium
Die Hans-Heinrich-Hütte war ein Hüttenwerk in Langelsheim, am Ausgang des Innerstetales aus dem Harz gelegen. Der Begriff Hans-Heinrich-Hütte wird gelegentlich noch immer für den heutigen Chemiestandort Innerstetal verwendet. Hergestellt wurden im wesentlichen Blei und Bleilegierungen, Zinkoxyd und Lithiumverbindungen. Im Jahr 1923 begann hier die Produktion des ersten technischen Lithiumcarbonats. 1965 endete der Hüttenbetrieb.

Martin Wedig, Geschäftsführer der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau, wird sich über diese Ausführungen freuen. Er bescheinigte der Lithium-Produktion in Deutschland wegen der existierenden Vorkommen bereits 2020 eine positive Zukunft. Die Bundesrepublik würde zumindest in einem Bereich des Rohstoffsektors wirtschaftlich unabhängiger. Ein weiteres gewichtiges Argument sind die kurzen Transportwege. Wirtschaftsexperten befürchten angesichts des augenblicklichen Zustandes zudem nicht allein eine wirtschaftliche, sondern auch politische Abhängigkeit. Sie hatten dabei wohl einen Fall der jüngeren Vergangenheit vor Augen: 2020 kündigte das bolivianische Staatsunternehmen YLB ein Joint Venture mit der deutschen Firma ACISA ohne Nennung von Gründen.

Und noch ein Aspekt kommt hinzu, der allerdings in die Rubrik „Zukunftsmusik“ gehört. Gesetzt den Fall, Europa emanzipierte sich von den USA und wäre damit ein wahrhaft souveräner Kontinent – wie würden die Vereinigten Staaten dann (vor allem in krisenhaften Situationen) reagieren? Möglicherweise mit Druck auf ihren „Hinterhof“ Lateinamerika, begleitet von der Androhung wirtschaftlicher Sanktionen.

Insofern sind Deutschland und die anderen europäischen Nationen gut beraten, so gut es eben geht, intensiv nach eigenen Ressourcen zu forschen und diese dann, sofern eine Wirtschaftlichkeit gegeben ist, auch zu nutzen.

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