Verblaßte Macht IV – Die Dynastie Sachsen-Coburg und Gotha

Deutsches Blut auf europäischen Thronen – Wie ein deutsches Adelsgeschlecht zur Wiege europäischer Königshäuser wurde

Das Haus Sachsen-Coburg und Gotha zählt zu den prominenteren deutschen Adelshäusern. Es ging aus dem Geschlecht der Wettiner hervor, das vom 12. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkrieges die Geschicke Sachsens lenkte. Der Name leitet sich vom kleinen Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha her, dessen Territorium auf dem Gebiet der heutigen deutschen Bundesländer Thüringen und Bayern lag und von Angehörigen dieses Fürstenhauses von 1826 bis 1918 regiert wurde. Durch eine geschickte Heiratspolitik gelangten Mitglieder der Familie aus diesem politisch eher unbedeutenden deutschen Kleinstaat auch auf eine Reihe europäischer Throne, womit die Familie internationale Bedeutung erlangte.

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Das Schloß Ehrenburg war das Residenzschloß der Herzöge von Sachsen-Coburg. Es befindet befindet sich am östlichen Rand der historischen Altstadt der oberfränkischen Stadt Coburg.

Als Ahnherr der Wettiner gilt Graf Dietrich, der 982 verstarb. Unter seinen Nachkommen stieg das Haus Wettin zu einem der wichtigsten Fürstenhäuser Mitteldeutschlands auf, das zeitweise über große Teile der heutigen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg herrschte. Wichtige Meilensteine bei seinem Aufstieg waren der Erwerb der Markgrafschaft Meißen (bei Dresden) im Jahre 1089, der Landgrafschaft Thüringen 1264 und schließlich der Erwerb der sächsischen Kurwürde 1423, wodurch die Wettiner Anschluß an den Kreis derjenigen deutschen Fürstengeschlechter fanden, die den deutschen König wählten.

Im Zuge der sogenannten „Leipziger Teilung“ spaltete sich das Haus in eine ernestinische und eine albertinische Linie auf – beide Linien bestehen heute noch. Die Kurwürde fiel jedoch 1547 an die Albertiner. Während diese in Sachsen und zeitweise auch in Polen zu Königswürden aufstiegen, wurden die Ernestiner auf kleinere Territorien in Thüringen begrenzt und versanken in den darauffolgenden Jahrhunderten in der Bedeutungslosigkeit.

1680 kam es im Herzogtum von Sachsen-Gotha(-Altenburg), einer Nebenlinie der Ernestiner, zu einer Erbteilung. Der jüngste Erbe, Johann Ernst, wurde zum Begründer des späteren Hauses Sachsen-Coburg und Gotha. Er erhielt ein kleines Fürstentum um die thüringische Stadt Saalfeld. Im Zuge weiterer Erbstreitigkeiten konnte 1735 auch das Gebiet des kleinen Fürstentums Sachsen-Coburg hinzuerworben werden. Zehn Jahre später wurden die verstreuten Ländereien unter Herzog Franz Josias vereinigt. Er führte die Primogenitur ein, d. h. der erstgeborene Sohn wurde automatisch Thronerbe. Damit sollte eine weitere Zersplitterung der ohnehin nicht umfangreichen Ländereien verhindert werden.

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Johann Ernst von Sachsen-Saalfeld (* 22. August 1658 in Gotha; † 17. Dezember 1729 in Saalfeld) war von 1680 bis 1729 Herzog von Sachsen-Saalfeld und Begründer des Hauses Sachsen-(Coburg-)Saalfeld. Kupferstich von Jacob von Sandrart, um 1680.

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Franz Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (* 25. September 1697 in Saalfeld; † 16. September 1764 in Rodach) war von 1729 bis 1764 Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Gemälde (Öl auf Leinwand) von A. G. Meuser, 1755.

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Schloß Saalfeld, ein barockes Schloß auf dem Gelände eines ehemaligen Benediktinerklosters in Saalfeld im Tal der Saale, wurde von 1677 bis 1726 errichtet. Das Gebäude diente bis 1735 als Residenz des Herzogs Johann Ernst von Sachsen-Saalfeld.

1816 konnte der damalige Herzog Ernst I. einen weiteren Gebietsgewinn verbuchen: zum Lohn für seine Dienste als General und Korpskommandant in den Kämpfen gegen Napoleon erhielt er das Fürstentum Lichtenberg, das allerdings weit im Westen Deutschlands gelegen war. Ernst verkaufte es 1834 an Preußen.

1825 kam es erneut zu Erbstreitigkeiten, die durch den sächsischen König Friedrich August I. beigelegt werden konnten. Eine weitere Aufteilung des Familienbesitzes war unvermeidlich, aus der nunmehr das Haus Sachsen-Coburg und Gotha hervorging. Herzog Ernst II. war in den Unruhen des Jahres 1848 der einzige deutsche Fürst, der die politischen Anliegen der Revolution ernst nahm und ein modernes „Staatsgrundgesetz“ in Kraft setzte. Es war die fortschrittlichste Verfassung im damaligen Deutschland.

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Ernst I. Anton Carl Ludwig von Sachsen-Coburg-Gotha (* 2. Januar 1784 in Coburg; † 29. Januar 1844 in Gotha) war ab 1806 Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Als erster Herzog des neu geschaffenen Doppelherzogtums Sachsen-Coburg und Gotha war er 1826 Begründer des gleichnamigen Fürstenhauses. Ernst I. war preußischer General und der Vater des britischen Prinzgemahls Albert, somit Stammvater des heute noch regierenden britischen Königshauses. Gemälde eines unbekannten Malers; Öl auf Leinwand, Schloß Callenberg, Coburg.

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Ernst August Karl Johann Leopold Alexander Eduard (* 21. Juni 1818 in Coburg; † 22. August 1893 in Reinhardsbrunn bei Gotha) war von 1844 bis 1893 Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha. Als Ernst II. folgte er 1844 seinem Vater Ernst I. Er war der einzige deutsche Fürst, der die Märzrevolution wirklich ernst nahm und 1849 ein Staatsgrundgesetz in Kraft setzte. Somit bekam Sachsen-Coburg und Gotha die fortschrittlichste Verfassung im damaligen Deutschland. Lithographie, 1842.

Mitglieder des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha gelangten durch Wahl (Belgien, Bulgarien) bzw. Heirat (Portugal, Großbritannien) auf verschiedene europäische Throne, wo sie zum Teil heute noch regieren. So wurde Herzog Ernst I. zum Stammvater des britischen Königshauses. Ein anderer Sproß der Familie, Ferdinand Georg (1785–1851), begründete durch die Heirat mit Maria Antonia Koháry die Linie Sachsen-Coburg-Koháry, aus der das portugiesische und das bulgarische Königshaus hervorgingen. Der jüngere Bruder Herzog Ernsts I., Leopold (1790–1865), wurde 1831 zum König der Belgier gewählt und Stammvater der belgischen Königsfamilie.

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Mitglieder des katholischen Zweiges Sachsen-Coburg-Koháry, um 1875:

  • Von links nach rechts:
  • Herzogin Amalie in Bayern geb. Prinzessin von Sachsen-Coburg-Gotha (Gemahlin des Herzogs Max Emanuel)
  • Herzog Max Emanuel in Bayern
  • Prinz Ludwig August von Coburg (Witwer von Prinzessin Leopoldina von Brasilien)
  • Prinz Ferdinand von Coburg (später Zar von Bulgarien)
  • Erzherzogin Clothilde von Österreich geb. Prinzessin von Sachsen-Coburg-Gotha (Gemahlin des Erzherzogs Joseph)
  • Erzherzog Joseph Karl Ludwig von Österreich
  • Prinz Philipp von Coburg
  • Prinzessin Louise von Coburg geb. Prinzessin von Belgien (Gemahlin von Prinz Philipp).

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Das Wappen der Könige von Belgien aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha – mit dem sächsischen Wappen als Herzschild.

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Leopold I., geboren als Prinz Leopold Georg Christian Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Herzog in Sachsen (* 16. Dezember 1790 auf Schloß Ehrenburg in Coburg; † 10. Dezember 1865 in Schloß Laken, Brüssel), ein Prinz von Sachsen-Coburg-Saalfeld (seit 1826 Sachsen-Coburg und Gotha), war von 1831 bis 1865 der erste König der Belgier. Gemälde von Franz Xaver Winterhalter im Roten Empfangszimmer von Schloß Ehrenburg in Coburg.

Mit dem britischen Königshaus wurde hingegen 1917, im Ersten Weltkrieg, der Bruch vollzogen. Der britische König Georg V. wurde gezwungen, den Familiennamen in Windsor abzuändern, um die verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kriegsgegner Deutschland wenigstens äußerlich zu kaschieren.

Nichtsdestotrotz sind auch die heutigen Mitglieder des britischen Königshauses – einschließlich der im September 2022 verstorbenen Königin Eilsabeth II. – mit dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha verwandt. Der heutige Familienname erinnert freilich nicht mehr an die deutschen Wurzeln.

In Großbritannien herrschte seit 1714 das Haus Hannover, eine Seitenlinie des deutschen Adelsgeschlechts der Welfen. Ebenfalls seit 1714 war Großbritannien mit dem Kurfürstentum Hannover, seit 1814 Königreich Hannover, durch Personalunion verbunden. Diese endete, als 1837 in Großbritannien Königin Victoria den Thron bestieg. Da anders als in Großbritannien das in Hannover geltende salische Thronfolgerecht die weibliche Thronfolge nicht vorsah, trennten sich die beiden Länder wieder, in Hannover kam eine andere Linie der Welfen an die Macht.

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Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (* 26. August 1819 auf Schloß Rosenau; † 14. Dezember 1861 auf Windsor Castle, Berkshire) heiratete 1840 seine Cousine, die britische Königin Victoria, und hatte bis zu seinem Tod 1861 erheblichen Einfluß auf seine Ehefrau und die Entwicklung der britischen Monarchie. Ab 1857 trug er den Titel Prince Consort (Prinzgemahl). Gemälde von Franz Xaver Winterhalter, 1859.

Victoria heiratete 1840 ihren Cousin mütterlicherseits Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, einen jüngeren Sohn des Herzogs Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha. Sie trat damit in das Haus Sachsen-Coburg-Gotha ein. Auch ihre Kinder führten diesen Namen, nicht mehr „Hannover“. Sachsen-Coburg-Gotha wurde somit in seiner anglisierten Form Saxe-Coburg and Gotha zum Namen der neuen in Großbritannien regierenden Dynastie.

Wie weit verzweigt der Einfluß der Dynastie Sachsen-Coburg und Gotha war, zeigt auch das Beispiel von Simeon Sakskoburggotski. Hinter diesem Namen verbirgt sich der letzte König von Bulgarien. Nach einer Volksabstimmung wurde die Monarchie im kommunistischen Bulgarien zwar 1946 abgeschafft, doch Simeon kam nach der Flucht aus seinem Heimatland 50 Jahre später wieder zurück. 2001 wurde er zum bulgarischen Ministerpräsidenten gewählt. Er ist damit der einzige Ex-König, der in einer neugegründeten Demokratie wieder an die Macht kam.

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Simeon Borissow Sakskoburggotski, deutsch Simeon von Sachsen-Coburg und Gotha (* 16. Juni 1937 in Sofia), war als Simeon II. minderjährig von 1943 bis 1946 der letzte Zar des Zarentums Bulgarien und zwischen 2001 und 2005 Ministerpräsident der Republik Bulgarien. Außerdem ist er der Chef der Linie Sachsen-Coburg-Koháry. Simeon Sakskoburggotski mit Ehefrau Doña Margarita Gómez-Acebo y Cejuela, 2017.

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Leopold Carl Eduard Georg Albert Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (* 19. Juli 1884 in Claremont House, Esher/Surrey (England); † 6. März 1954 in Coburg) war ein Enkel Königin Viktorias von Großbritannien und Irland (1819–1901) und somit ein Vetter 1. Grades Kaiser Wilhelms II. (1859-1941), Zar Nikolaus' II. von Rußland (1868–1918) und König Georgs V. von Großbritannien und Irland (1865–1936). Der letzte regierender Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha war Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, SA-Obergruppenführer, NSKK-Obergruppenführer, NSFK-Obergruppenführer, Mitglied des Reichstages sowie General der Infanterie des Deutschen Heeres und der Wehrmacht.

Das einst glanzvolle Herrscherhaus, das in Deutschland seit 1918 über keinerlei politischen Einfluß mehr verfügt, besteht unter dem Familienoberhaupt Andreas Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha bis heute weiter. Stammsitz ist die malerische Veste Coburg in Oberfranken. Zwar hat das auch unter dem Titel Herzog von Sachsen bekannte Familienoberhaupt keine so schillernde Regentschaft wie seine europäischen Verwandten vorzuweisen, ist mit Europas Hochadel aber gleichwohl über viele Kanäle eng verbunden; ein Patenkind des heute 80-Jährigen ist beispielsweise Prinzessin Madeleine von Schweden.

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Andreas Michael Armin Siegfried Hubertus Friedrich-Hans Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha (* 21. März 1943 auf Schloß Casel in der Niederlausitz) ist seit 1998 Oberhaupt des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha und wird gemäß Familientradition und dem „Genealogischen Handbuch des Adels“ auch als „Herzog zu Sachsen“ bezeichnet.

2012 hat der Prinz die Leitung des als Stiftung organisierten Familienunternehmens seinem Sohn Hubertus übertragen. Der Stiftung gehören Waldgebiete in Bayern, Thüringen und Österreich sowie die Schlösser Callenberg in Coburg und Greinburg in Österreich. 2009 heiratete Hubertus Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha die Amerikanerin Kelly Rondestvedt. Das Paar lebt in Coburg in einer Villa und hat drei Kinder.

Titelphoto: Die Veste Coburg in Oberfranken vom Norden aus gesehen.

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