Keine Munition – aber „klimaneutral“

Eine Realsatire: die seltsamen Prioritäten der deutschen Verteidigungsministerin

Die Bundeswehr kommt nicht aus den Schlagzeilen. Eine Hiobsbotschaft jagt die andere: erst dieser Tage machte die Nachricht die Runde, daß während einer Routine-Schießübung 18 von 18 der neuen „Puma“-Schützenpanzer komplett ausfielen. Es wird Monate dauern, bis sie wieder einsatzfähig sind.

Auch von den rund 72 Stück der hochmodernen Panzerhaubitze 2000, über die die Bundeswehr verfügt, sollen nur rund die Hälfte einsatzfähig sein. Darüber könnte man andere Katastrophen glatt vergessen – zum Beispiel, daß die Bundeswehr im Ernstfall nur für maximal zwei Tage Munition hätte, daß das Verteidigungsministerium aber bis heute nicht in der Lage war, Nachschub zu bestellen. Die Bundesrepublik kann nur von Glück reden, daß sich ihre Armee bis heute nicht im militärischen Ernstfall bewähren mußte.

Man wundert sich allerdings, welche Prioritäten Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) angesichts des katastrophalen Zustands der deutschen Streitkräfte setzt. Sie will die Bundeswehr jetzt „klimagerecht“ umbauen. Das Ziel sei eine „nachhaltige“ Armee. Andere Probleme hat die Truppe ja nicht...

Auf der Internetseite des Ministeriums heißt es neuerdings: „Nachhaltiges Handeln stärkt unsere nationale Souveränität. [sic!] Wir müssen auch in der geplanten Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung die Klimafragen systematischer in unsere Planungen zur Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit unseres Landes mit einbeziehen.“

Weiter heißt es dort unter der Überschrift „Agenda 2030“: „Klima-, Umwelt- und Naturschutz sowie Strom- und Wärmeenergieverbrauch oder nachhaltige Mobilität und nachhaltiges Bauen sind Beispiele dafür, wie das Thema Nachhaltigkeit auch die Bundeswehr mit ihren Fahrzeugen und Liegenschaften betrifft.“

Es gibt auch schon zahlreiche konkrete Projekte: so will sich die Bundeswehr durch den Einsatz von Photovoltaik-Anlagen weitgehend unabhängig von externen Stromanbietern machen. Dabei reicht ein Blick auf den aktuellen Strom-Mix, um zu erkennen, daß Photovoltaik-Anlagen in der dunklen Jahreszeit kaum Energie erzeugen – im Ernstfall könnten die Kasernen der Bundeswehr schnell ohne Strom dastehen.

Ein „Expertenkreis“ will außerdem herausgefunden haben, „daß der Großteil der Fahrzeuge künftig mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden kann“. Dabei wird in der Regel das Erdöl als Rohstoff durch einen anderen Energieträger ersetzt, zum Beispiel durch Erdgas oder sogar Biomasse. Aber: synthetische Kraftstoffe sind bis auf weiteres noch Zukunftsmusik. Für viele Fahrzeuge der Bundeswehr kommen sie schon aufgrund ihrer schlechten Energie-Effizienz kaum in Frage. Auch ist die Frage naheliegend, wie es im militärischen Ernstfall mit dem Nachschub an synthetischem Benzin aussähe. Panzermotoren etwa auf den Betrieb mit Biomasse-Treibstoff umzustellen, ist eine reine Kopfgeburt, die an der Realität vollkommen vorbeigeht.

Ministerin Lambrecht meint es allerdings ernst: die Bundeswehr soll sich „ökologisch“ aufstellen, also: weitgehend „klimaneutral“ werden. Die Kampfkraft der Truppe ist angesichts solcher Prioritäten zweitrangig.

Im übrigen steht die SPD-Politikerin mit ihren Umweltsorgen nicht allein. Erst kürzlich sorgte das Hamburger Institut für Friedensforschung für Gesprächsstoff – es stellte dem Krieg in der Ukraine eine extrem schlechte Umwelt- und CO2-Bilanz aus. Die vielen Explosionen von Artillerie und Raketen, aber auch die Abgasbilanz schwerer Panzerfahrzeuge sei für das Klima extrem schädlich, kritisieren die Wissenschaftler. Voller Hoffnung wartet der Autor dieser Zeilen auf eine Ankündigung aus dem Verteidigungsministerium, das Verschießen emissionsbelasteter Hartkernmunition durch das Werfen von bunten Wattebäuschen zu ersetzen.

Die Kritik ist allerdings nachvollziehbar. An der 1200 Kilometer langen Front in der Ostukraine blasen Tag für Tag schwere Kampfpanzer der T-Serie, Schützenpanzer und Mehrfachraketenwerfer schwarze Abgaswolken in die Luft, täglich explodieren Raketen und Kamikaze-Drohnen jeden Kalibers, und riesige Treibstofftanks stehen in Flammen. Kein Zweifel: der Krieg ist nicht gut für die Klima-Bilanz.

Die Hamburger Friedensforscher sind besorgt: „Das Kampfgeschehen selbst, beispielsweise der permanente Beschuß durch Artillerie oder mit Marschflugkörpern setzt massive Emissionen frei“, weiß Anselm Vogler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut.

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Fachkundig in Sachen kriegsbedingter Emissionen: Der Hamburger Friedensforscher Anselm Vogler.

Will man der „Initiative on GHG Account of War“ Glauben schenken, dann lassen sich die Klimaschäden sogar exakt beziffern. Die Initiative will 100 Millionen Tonnen CO2 errechnet haben, die durch den russischen Einmarsch in den ersten sieben Kriegsmonaten verursacht worden sind. Dabei sei zu beachten, daß ja auch der Transport von Munition und von Versorgungsgütern Emissionen verursache, erklärt Anselm Vogler.

Die Hamburger Experten bringen dazu einen Vergleich: die im aktuellen Krieg verursachte CO2-Belastung von 100 Millionen Tonnen CO2 entspreche den Emissionen der Niederlande im selben Zeitraum – immerhin ein Land mit 17,53 Millionen Einwohnern.

Ob solche Berechnungen den Kreml beeindrucken werden, ist allerdings zu bezweifeln. Denn die „Initiative on GHG Account of War“ erstellte ihre Expertise ausgerechnet im Auftrag der ukrainischen Regierung.

Auch Bundesverteidigungsministerin Lambrecht, die die Bundeswehr zwar nicht kriegstauglich, dafür aber klimaneutral machen will, muß man nicht über Gebühr ernstnehmen. Angesichts der zahlreichen Pannen und Versäumnisse seit ihrer Amtsübernahme vor einem Jahr rechnen viele Beobachter damit, daß sie ihren Posten nicht mehr allzu lange innehaben wird.

Sie kann sich dann zugutehalten, daß sie sich zwar nicht um die Munitionsbestände der deutschen Streitkräfte, aber wenigstens um ihre CO2-Bilanz verdient gemacht hat. Mit diesem Erfolg steht sie im übrigen nicht allein: eine ihrer Amtsvorgängerinnen, Ursula von der Leyen, die heutige EU-Kommissionschefin, hatte 2018 Umstandsuniformen für schwangere Soldatinnen eingeführt.

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Ein bierbäuchiger Reservist der Panzergrenadiere schätzt die Umstandsuniform ebenso.

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