Eine angelsächsische Blutspur

Die Lust einer politisch-religiösen Krämer-Zivilisation am lukrativen Genozid

Fabeln, Märchen, Sagen: sie alle haben etwas Belehrendes, indem sie den guten Eigenschaften zum Durchbruch verhelfen sollen. Im Falle der griechischen Sage über König Midas ist das nicht anders. Midas kümmert sich um den verirrten Quell- und Waldgott Silen, den er auf rührende Weise verpflegt. Dionysos, Gott der Fruchtbarkeit und Zögling Silens, ist über Midas‘ Verhalten hoch erfreut – und gewährt ihm einen Wunsch. Der überlegt nicht lange und entgegnet: „Schaffe, daß alles, was mein Leib berührt, sich in funkelndes Gold verwandele.“ Der Wunsch wird Midas bewilligt. Und tatsächlich: ein Stein, Getreidehalme, Äpfel, das Wasser im Brunnen, sein Stuhl und sein Tisch – alles, was er berührt, selbst seine geliebte Tochter, verwandelt sich sofort in Edelmetall. In einem solche Haus möchte er natürlich auch mit guten Freunden ausgiebig tafeln.

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Midas verwandelt seine Tochter versehentlich in Gold; Illustration von Walter Crane, 1893.

Jetzt aber zeigt sich die Kehrseite der Medaille: Denn auch Speis und Trank verwandeln sich nach der Berührung in bloßes Metall. Die Fähigkeit, alles zu Gold machen zu können, hat sich rasch zum Fluch entwickelt. Dionysos hilft Midas aus seinem Dilemma: Er rät ihm, sich im Quell des Flusses Paktalos zu waschen, um die Qual auf diese Weise loszuwerden. Der römische Dichter Ovid beendet diese Geschichte mit dem abschließenden Satz: „König Midas liebte das Gold nicht mehr.“

Die Vorreiter des im 19. Jahrhundert aufgekommenen englischen Kapitalismus dürften in den meisten Fällen eine klassische Bildung genossen haben, erst recht das englische Bildungsbürgertum. In der Praxis hingegen dominierte das kalt-rationale Gewinnstreben gemäß der Laissez-faire-Doktrin, wonach sich der Staat in wirtschaftliche Belange nicht einzumischen habe.

1869 und 1886 wurden in Kimberley (Oranje) und Witwatersrand (Transvaal) Diamanten- bzw. Goldvorkommen entdeckt. Das weckte die Begehrlichkeiten britischer Kolonialisten und Imperialisten. Doch standen sie vor einem Problem: In diesen Gebieten  – Transvaal und Oranje Vrystaat – lebten die Buren. Sie waren im 17. und 18. Jahrhundert aus den Niederlanden in das südliche Afrika eingewandert. Mit ihnen verschmolzen hier viele Niederdeutsche und Hugenotten zur burischen Nation. Seit aber 1806 im Kapland die englische Herrschaft begann, regte sich bei den Buren ein gewisses Unbehagen. Und so zogen sie in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts in das nördliche Hinterland, wo sie die Freistaaten Natal, Transvaal und Oranje Vrystaat gründeten.

"Prototyp des skrupellosen Kolonialisten"

Zum bedeutendsten Gegenspieler der Buren – ihr Name leitet sich vom niederdeutschen Wort „Bauer“ her – wurde Cecil Rhodes (1853-1902). Im 1989 noch in der DDR erschienenen Lexikon. Biographien zur Weltgeschichte wird Rhodes als „der Prototyp des skrupellosen Kolonialisten“ bezeichnet. In der Tat: Bezogen auf Afrika verfocht er die Vision eines britischen Kolonialreiches, das vom Nil bis zum Kap reichen sollte. In der Praxis entwickelte er sich zum aktivsten Vorkämpfer des britischen Imperialismus im südlichen Afrika. 1884 wurde auf Rhodes‘ Veranlassung Betschuanaland annektiert. Im Juli 1889 gründete Rhodes die Britisch-Südafrikanische Gesellschaft (Chartered Company), die Rhodesien erwarb. 1890 erfolgte durch königlichen Freibrief die Übertragung der Hoheitsrechte auf die Company. Von 1890 bis 1896 bekleidete er das Amt des Erstministers der Kapkolonie. Als Chef der De-Beers-Gesellschaft profitierte Rhodes auch persönlich von der Ausbeutung der südafrikanischen Diamantenfelder.

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Cecil John Rhodes (* 5. Juli 1853 in Bishop’s Stortford, Hertfordshire, England; † 26. März 1902 in Muizenberg bei Kapstadt), ein englischer Geschäftsmann, Milliardär und Kolonialist, wirkte in Südafrika, hatte aber weiter reichende Pläne zur politischen und ökonomischen Weltherrschaft durch eine Finanzelite. Er gilt als Gründer der Geheimgesellschaft Round Table Club, verbunden mit dem Royal Institute on Foreign Affairs, der Schwesterorganisation des US-Council on Foreign Relations. – „The Rhodes Colossus“, Karikatur von Edward Linley Sambourne zum Kap-Kairo-Plan von Cecil Rhodes im „Punch“, 1892.

Die Gold- und Diamantenvorkommen bildeten dann auch das wichtigste auslösende Moment für den Zweiten Burenkrieg, der im Oktober 1899 ausbrach und bis 1902 dauerte. Nach anfänglichen Erfolgen der Buren gewann die englische Streitmacht zusehends die Oberhand. Doch obgleich der Burengeneral Cronje am 27. Februar 1900 am Paardeberg kapitulierte, hielten die Buren den Widerstand – vor allem im Kleinkrieg – noch fast zwei Jahre aufrecht, ehe sie sich am 31. Mai 1902 im Vertrag von Vereenigung der britischen Herrschaft unterwarfen.

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Der Feldmarschall Lord Horatio Herbert Kitchener, 1. Earl Kitchener of Khartoum (* 24. Juni 1850 bei Listowel in Irland; † 5. Juni 1916 westlich der Orkney-Inseln), 1914-16 englischer Kriegsminister, gilt als der Erfinder der Konzentrationslager.

Die Briten führten jedoch nicht nur Krieg gegen burische Freischärler, sondern auch gegen Frauen und Kinder sowie die ökonomische Basis der Buren. Auf dem Portal südafrika.net finden sich im Eintrag zum Burenkrieg auch zu diesem Thema einige Fakten. So heißt es: „Die Engländer unter General Lord Kitchener reagierten mit unglaublicher Härte und Brutalität auf die Guerillataktik der Buren. Systematisch wurden die Burenkommandos gejagt. Die Farmen in den Guerillagebieten wurden erbarmungslos niedergebrannt, die Felder verwüstet und die Ernten vernichtet. Die heimat- und mittellos gewordenen Frauen und Kinder wurden in riesige Konzentrationslager gesteckt, in denen katastrophale Lebensbedingungen herrschten. Insgesamt starben mehr als 27.000 Frauen und Kinder an Hunger, Entkräftung und Krankheit, was alsbald in der britischen Öffentlichkeit zu massiven Protesten führte.“

Das irische Trauma

Dieses menschenverachtende Vorgehen der englischen Kolonialmacht grub sich in das Gedächtnis vieler Buren tief ein. Ebenso gibt es ein irisches Trauma, das aufs engste mit der englischen Besetzung im Zusammenhang steht und das als „The Great Famine“ (dt., „Die große Hungersnot“) in die Geschichte Eingang gefunden hat. Begonnen hatte das Hungerelend mit einem Pilz namens Phytophthora infestans, der sich 1842 von den USA aus verbreitete und 1845 erstmals in größerem Ausmaß auf irischen Feldern auftrat. Den Kleinpächtern wird der lateinische Name des Pilzes eher gleichgültig gewesen sein. Ihnen reichte, was sie sahen: Der Pilz zerstörte das Gewebe der Kartoffelpflanze und griff rasch auf die gesamten Felder über, so daß die kleinen Pachtbauern in Irland gezwungen waren, auf Vorräte zurückzugreifen. Doch schlug auch diese Tür bald zu. Denn in den folgenden drei Jahren wucherte der Pilz wie ein Krebsgeschwür immer weiter. Die Folgen waren noch mehr Mißernten, zumal das Saatgut auch bald verbraucht war – kurzum: die Pächter standen mit ihren Familien vor dem Ruin.

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Irland hungerte nicht wegen Mangels an Kartoffeln – es hungerte wegen Nahrungsmittelmangels. Irland hungerte, weil seine Nahrungsmittel weggeschafft wurden – täglich 40 bis 70 Schiffsladungen voll, unter Androhung von Schußwaffengebrauch durch 12.000 britische Polizisten, verstärkt durch britische Miliz, Kriegsschiffe, Zollschiffe, Küstenwache und 200.000 britische Soldaten (von denen ständig 100.000 in Bereitschaft waren). Auf diese Weise beschlagnahmte England von den irischen Erzeugern zig Millionen Stück Vieh, zig Millionen Tonnen Mehl, Getreide, Fleisch, Geflügel und Milchprodukte – genug, um 18 Millionen Menschen damit zu ernähren. – Denkmal „Famine Monument“ für die Opfer der Hungersnot, Dublin (Teilansicht).

Gewiß, der britische Premier Robert Peel hatte noch im November 1845 – vorbei am Parlament – den Kauf von Mais aus den USA im Wert von 100.000 Pfund angeordnet. Die Relief Commission erhielt die Weisung, den Mais in Irland zu verkaufen, und zwar entsprachen die Preise zunächst den Selbstkosten. Aber schon im Jahr darauf mußte der Mais auf Anweisung der Commission zu Marktpreisen an die Bevölkerung veräußert werden. Jetzt nahm das Elend vollends seinen Lauf. Konnte doch der Großteil der Iren die Preise nicht bezahlen. Und es kam immer schlimmer. Im Herbst 1846 herrschten ungünstige Witterungsbedingungen, so daß auch die Weizen- und Haferernte sehr schlecht ausfiel. In dieser Situation hätte eine verantwortungsvolle, mit menschlichen Zügen versehene Regierung den in Not geratenen Bauern unter die Arme gegriffen. Nicht so aber das Kabinett des neuen Premiers John Russell, der 1846 sein Amt antrat.

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John Russell (* 18. August 1792 in London; † 28. Mai 1878 in Pembroke Lodge, Richmond Park, Surrey) bewies unter Königin Viktoria zweimal als Premierminister des Vereinigten Königreiches, 1846-1852 und 1865/1866, was man unter einem „liberalen Reform-Politiker“ verstehen darf.

Russell kann als typischer Vertreter der Laissez-faire-Ideologie gelten, nach der sich der Staat so wenig wie möglich in die Wirtschaft einzumischen hat. So nahm es denn auch nicht wunder, daß ein Exportverbot für Getreide aus Irland nicht in Betracht gezogen wurde. Ohnehin waren den skrupellosen Liberalisten in London die Hilfeleistungen für Irland (wie es sie noch unter Peel gegeben hatte) ein Dorn im Auge. Ihnen ging es um die Erhaltung des „Marktes“, der keinesfalls durch subventionierte Lebensmittel gefährdet werden durfte. Statt dessen erfolgte eine ungehemmte Ausfuhr von Vieh, Getreide und anderen Lebensmitteln nach Großbritannien.

Die irischen Bauern mußten die volle Pacht aufbringen. Wer sich dazu nicht in der Lage zeigte, wurde mit seiner Familie von Haus und Hof vertrieben – das englische Pachtrecht kannte da keine Gnade. Es gab den englischen Landlords das Recht, „ihren“ Pächtern jederzeit das Land zu kündigen.

Eine Million Hungertote

Unter dem Strich blieb eine Bilanz des Schreckens. Lebten 1841 in Irland 8,1 Millionen Menschen, waren es 1849 – nach der Hungersnot – 2,5 Mio. weniger: mindestens eine Million Iren starben einen qualvollen Hungertod; 1,5 Mio. wanderten aus: in die Vereinigten Staaten, nach Kanada oder nach Australien.

Doch auch in den Jahrhunderten zuvor sahen sich die Iren englischer Bedrückung ausgesetzt, ja, ihr Land wurde zunächst zum Schauplatz eines Stellvertreterkrieges. Erblickten doch das Papsttum und Spanien in (dem katholisch geprägten) Irland einen idealen Stützpunkt der Gegenreformation im Kampf gegen den englischen Protestantismus. Und als 1560 der englischen Staatskirche auch Irland unterstellt wurde, nahmen die von Spanien unterstützten Kämpfe an Härte zu. Aus diesen ging England als Sieger hervor, indem es 1601 in der Schlacht bei Kinsale die Iren entscheidend besiegte. Das Land, vor allem Nord-Irland mit Ulster, wurde an englische Kolonisten verteilt, während die irische Bevölkerung sich strengster Bedrückung ausgesetzt sah. In der Folge wechselten Aufstände und blutige Gegenmaßnahmen seitens der Besatzer einander ab.

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Der Ursprung des Nordirland-Konfliktes: Die Schlacht von Kinsale war die entscheidende Schlacht in Englands erfolgreichem Bestreben, das gälische Irland wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Belagerung war Teil des Neunjährigen Kriegs – einer Rebellion von Aodh Mór Ó Néill, Aodh Rua Ó Dónaill und anderer irischer Clanführer gegen die englische Herrschaft in Irland und dauerte vom 2. Oktober 1601 bis zum 3. Januar 1602. – Belagerungskarte von Kinsale.

Nachdem aber 1640 in England Verfassungskämpfe ausgebrochen waren, witterten die Iren ihre Gelegenheit. Es kam 1641 zum Großen Aufstand, der von Oliver Cromwell (1599-1658) aber 1649 niedergeschlagen wurde. Jetzt wüteten die Abgesandten der englischen Krone mit brachialer Gewalt. Tausende irische Kämpfer wurden hingerichtet, das Hab und Gut der am Aufstand Beteiligten fiel Engländern zu.

Raub irischen Grundbesitzes

Und der Raub irischen Grundbesitzes setzte sich fort, nachdem Wilhelm III. von Oranien 1690 einen Aufstand niedergeschlagen hatte. So verfügte das englische Parlament die Konfiszierung von einer Million Morgen irischen Landes, das an Protestanten verteilt wurde. Zudem erließ die englische Krone besondere Strafgesetze (penal laws) gegen den Katholizismus. Höhere katholische Würdenträger wurden in die Verbannung geschickt, niedere Priester auf ihre Bezirke beschränkt. Die Erteilung von katholischem Unterricht und das öffentliche Zeigen von Zeichen des Kultus waren verboten. Außerdem durften Katholiken keine öffentlichen Ämter bekleiden und hatten alle katholischen Einwohner ihre Waffen abzugeben. Mischehen zwischen Protestanten und Katholiken wurden untersagt.

Die Bedrückung durch England erzeugte aber erneuten Gegenwind. Befördert durch die Freiheitskämpfe in Nordamerika und die revolutionären Ereignisse von 1789 in Frankreich formierte sich eine irische Nationalbewegung, deren Ziel in der Loslösung von der verhaßten britischen Krone bestand. Im November 1791 entstanden die United Irishmen, der Bund der vereinigten Irländer, der 1796 etwa 100.000 Mitglieder zählte und von Frankreich Unterstützung erfuhr. Die englischen Behörden verfügten die Entwaffnung und Auflösung der United Irishmen, die sich jedoch nicht beirren ließen und am 23. Mai 1798 mit dem Aufstand begannen. Der starken englischen Militärmacht zeigten sie sich jedoch letztlich nicht gewachsen. Die Sieger übten grausame Rache. Ihre Kolonnen durchstreiften die Insel und metzelten 30.000 Iren nieder.

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 Die freimaurerische Society of United Irishmen wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts als eine Reformgesellschaft gegründet und entwickelte sich zu einer Bewegung für die Schaffung einer irischen Republik. Ihre Symbole waren die ungekrönte Harfe und die Jakobinermütze.

Die nationalfreiheitliche Bewegung ließ sich jedoch nicht mehr aufhalten. Schrittweise wurden England Zugeständnisse abgerungen. Mehrere Landgesetze, vor allem jenes von 1903, ließen aus irischen Kleinpächtern größtenteils freie Bauern werden. Infolge des Londoner Vertrages vom 6. Dezember 1921 entstand der irische Freistaat als selbständiges Dominion im Rahmen des britischen Weltreiches. Das durch eine gezielte Siedlungspolitik seitens London teils von Iren geräumte Ulster hingegen, protestantisch geprägt, blieb Teil des „Vereinigten Königreiches“.

"Eine der furchtbarsten Quellen des Elends" – Opium als Waffe

Gelangte im Falle des irischen Volkes die Hungerwaffe letzten Endes mit voller Wucht zum Einsatz, grassierte im einst so stolzen chinesischen Reich ab den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts eine andere Seuche, die im ersten Moment mit dem Charme einer Honigbiene anschwebt: Führt doch der Opium-Konsum zu einem starken Hochgefühl, der Linderung von Angstzuständen oder zur Steigerung des Selbstvertrauens. Bei regelmäßiger Einnahme hingegen zeigt sich die eigentliche, die häßliche Fratze des Rausch- und Betäubungsmittels, das aus dem Milchsaft der Samenkapseln des Schlafmohns gewonnen wird: Der Konsument leidet an Appetitlosigkeit; sein Körper magert ab bis zur völligen Entkräftung. Depressionen und Apathie sind weitere Langzeitfolgen.

Bereits 1880 stellte der Oberkommissar von Birma in einem amtlichen Bericht fest, daß „der gewohnheitsmäßige Gebrauch dieser Drogen die körperlichen und geistigen Kräfte untergräbt, die Nerven zerstört, den Körper aushöhlt und ihn anfällig macht. Die ganze Lebensführung wird faul, lässig und schmutzig, die Selbstachtung zerstört. Das Opium ist eine der furchtbarsten Quellen des Elends, der Not und des Verbrechens.“

Laut einer 2005 erschienenen Studie der Universität Köln konsumierten schätzungsweise zehn Prozent der etwa 400 Millionen Chinesen die Droge auf exzessive Weise. Die Situation war also alarmierend. Der Kaiser reagierte, indem er im Kampf gegen den Opiumschmuggel aus Britisch-Indien einen Sonderbeauftragten einsetzte. Lin Zexu, so dessen Name, schrieb an die britische Königin Victoria einen scharf gefaßten Brief, aus dem auch ein Stück weit Verzweiflung herausklingt: „Wo, bitte, ist Euer Gewissen? Angenommen, es kämen Ausländer nach England, um Opium zu verkaufen und die Menschen zum Konsum zu verführen: das würdet Ihr, ehrenhafte Königin, sicher tief verabscheuen. … Wenn Ihr solchen Schaden in Eurem Land nicht zulaßt, solltet Ihr ihn doch wohl nicht auf andere Länder übertragen, schon gar nicht auf China!“

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Lin Zexu (* 30. August 1785; † 22. November 1850) war ein für seine Aufrichtigkeit und persönliche Integrität bekannter hoher Beamter der chinesischen Qing-Regierung. Ihm zu Ehren steht unter anderem auf dem Kimlau Square in New York eine Statue, deren Sockel mit „Pioneer in the war against drugs“ (dt., „Pionier im Krieg gegen Drogen“) und dem chinesischen Pendant beschriftet ist.

Als Lin Zexu jene Zeilen verfaßte, war es nur wenige Jahrzehnte her, daß China – beherrscht von der Qing-Dynastie – den Rang als erste Großmacht Asiens noch innehatte. Doch nachdem Kaiser Qianlong 1799 gestorben war, nahmen die Probleme merklich zu. Die Feldzüge hatten die Finanzkraft des Reiches merklich angegriffen. Auch mußte die wachsende Bevölkerung ernährt werden, woraus eine Erweiterung der Anbauflächen resultierte. Der damit verbundene Raubbau führte zu Überschwemmungen und Verödungen. Hinzu gesellte sich eine zunehmende Korruption in der Verwaltung, deren Beamte der komplexen Situation zudem mehr und mehr hilflos gegenüberstanden. Viele Menschen suchten ihren Trost im Opium-Konsum. Die Droge gelangte aus Britisch-Indien nach China.

Bis etwa 1800 hatten in China geregelte Zustände geherrscht. Das Reich der Mitte exportierte nach Europa in erster Linie Luxusgüter: Porzellan, Tee, Seide. Die Chinesen bekamen für ihre Waren silbernes Metallgeld. Etwas Ebenbürtiges an Waren konnte die europäische Seite nicht bieten, so daß für sie eine negative Handelsbilanz entstand. Ein Gut allerdings versprach satte Gewinne: Opium. In China war die Droge durch Handelsbeziehungen mit den Arabern bereits bekannt, doch fand sie nur als Arzneimittel Verwendung. Jetzt aber wurde sie zur Waffe in der Hand von skrupellosen Kaufleuten, die ein ganzes Volk zu verseuchen drohten. Gewiß, die chinesischen Kaiser verboten den Konsum, doch gelangte die Ware mittels ausgeklügelter Schmugglernetze ins Land.

Griff zur Opiumpfeife

Die Ausmaße werden in einem Beitrag der Zeitung Die Welt vom 20. Januar 2018 verdeutlicht: „Hatte der Import um 1800 noch 4000 bis 5000 Kisten à 63,5 Kilogramm pro Jahr ausgemacht, war er 1834 auf 40.000 Kisten gestiegen, was zweieinhalb Millionen Kilogramm reinem Rauschgift entsprach. Damit aber drehte sich die Handelsbilanz um. Während China zu Beginn des Jahrhunderts noch einen Überschuß an Silber von umgerechnet 26 Millionen Dollar erzielte, flossen allein zwischen 1826 und 1836 38 Millionen Silberdollar in europäische Hände.“ Weiter heißt es: „Das fachte nicht nur die Inflation an. Da Steuern und Gehälter in Silber zu bezahlen waren, ruinierte der sich rasch verschlechternde Umtauschkurs zu Kupfermünzen zahllose Bauern und Handwerker, während Beamte ihre Verluste durch Korruption zu kompensieren suchten.“ Viele griffen zur Opiumpfeife.

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Künstlerische Darstellung verarmter Opiumraucher, 19. Jahrhundert.

Der bereits erwähnte Lin Zexu agierte mit harter Hand, indem er die Mitglieder von Schmugglerbanden verhaften und ihre Boote zerstören sowie Händler und Konsumenten zur Abschreckung öffentlich hinrichten ließ. 20.000 Kisten indischen Opiums wurden in den chinesischen Häfen verbrannt.

Das sorgte für einen Aufschrei unter Großbritanniens Drogenbaronen. Sie sahen die Freihandels-Doktrin ins Wanken gebracht und forderten ein Eingreifen der Royal Navy.

Bereits hier sieht man beispielhaft die enge Zusammenarbeit zwischen kriminellen Geschäftemachern und einer sie protegierenden kriminellen Politikerkaste, die bis zum regierenden Monarchen reicht. In diese Front der Gierigen reihen sich umgehend eine lügnerische Presse und die Agitprop- bzw. Public Relations-Manager der herrschenden Parteien ein; immer im Gepäck: ein großer Kübel voller Leim, mit Hilfe dessen das kriminelle Treiben mit Versatzstücken aus der humanitären Phraseologie verkleistert wird – „Freihandel“, „Gewerbefreiheit“, „Demokratie“ und, wenn alles nichts hilft: die sattsam bekannten „Menschenrechte“.

Die Namen der skrupellosen Geschäftsmacher sind leider in dem ansonsten informativen Beitrag der Welt nicht zu finden, in einem 1942 im Verlag Paul Hochmuth, Berlin, erschienenen Buch mit dem Titel Japan sprengt die Fesseln hingegen schon. In den Abschnitten, die sich dem Opium-Problem widmen, ist von der Familie Sassoon die Rede, die maßgeblich vom Handel mit dem Opium profitierte. Bei den Sassoons, ursprünglich „ibn Schoschon“, handelte es sich um Nachfahren einer Familie, die ihre Ursprünge bis ins maurische Spanien des späten Mittelalters zurückführen konnte. Nach der Ausweisung der Juden aus Spanien Ende des 15. Jahrhunderts gelangten die Sassoons über die Stationen Bagdad und Persien (1833) nach Bombay, wo David Sassoon das Handelshaus David Sassoon & Co. ins Leben rief. Ein beträchtlicher Teil des Vermögens der Sassoons resultierte aus dem schwunghaften Handel mit dem Teufelszeug Opium.

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David Sassoon (* Oktober 1792 in Bagdad; † 7. November 1864 in Poona).

Ein Diktatfrieden

Als Reaktion auf das Vorgehen der chinesischen Regierung und das Drängen der Händler attackierte 1840 ein Expeditionskorps der britischen Fernostflotte zunächst Kanton, den bedeutendsten Freihafen Chinas für europäische Waren. Von dort aus bewegten sich die Truppen bis Shanghai und weiter bis Peking. Es folgte ein drei Jahre währender Kampf, der in die Geschichtsbücher unter der Bezeichnung „Erster Opium-Krieg“ Eingang gefunden hat. Die schlecht ausgerüsteten chinesischen Verbände hatten gegen die britischen Berufssoldaten, die zudem von Kriegsschiffen unterstützt wurden, letzten Endes keinerlei Chance.

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Die Raddampferfregatte der Britischen Ostindien-Kompanie „Nemesis“ (rechts im Hintergrund) beschießt chinesische Dschunken in der Ansonbucht, 7. Januar 1841. – Gemälde von Edard Duncan.

Im 1842 geschlossenen Frieden von Nanking, in der Realität ein Diktatfrieden, erzwangen die Briten bedeutende Vorrechte. So mußte China das Gebiet von Hongkong an die britische Krone abtreten. Hinzu kamen Kriegskontributionen in Höhe von 21 Millionen Dollar. Außerdem sicherte sich Großbritannien das Recht unbeschränkter Handelsbetätigung an den fünf Plätzen Kanton, Amoy, Foochow, Ningpo und Shanghai, darüber hinaus das Recht der ausschließlichen Gerichtsbarkeit über die in China aktiven englischen Staatsbürger. Und nicht zuletzt mußte sich China bereit erklären, die Opium-Einfuhr nicht mehr zu behindern.

Angesichts der Opium-Invasion kann es auch nicht verwundern, daß viele chinesische Bauern sich dazu entschlossen, statt Reis nunmehr Mohn anzubauen. Der Hamburger Historiker Kai Vogelsang geht, bezogen auf China, von 15 Millionen Abhängigen aus, die es ausgangs des 19. Jahrhunderts dort gab und „die von der Droge langsam ausgezehrt und in den Tod getrieben wurden“.

Im einst so stolzen China wurden also breite Volkskreise durch Gift gelähmt und damit letztlich unfähig zum Widerstand gegen Kolonisatoren gemacht. In Nordamerika griffen die Eindringlinge zu einem anderen Mittel, das den Lebensraum der angestammten Bevölkerung betraf, indem sie dieser – im wahrsten Sinne des Wortes – den Boden unter den Füßen wegzogen.

Ein Verdrängungsprozeß

Ab 1783 stand die Erschließung der westlichen Territorien bis zum Mississippi im Zentrum der Expansionspolitik Washingtons. Forciert von Bodenspekulations-Gesellschaften und Baumwollpflanzern, war die Expansion mit einer betrügerischen und kriegerischen Vertreibung der Indianer, beispielsweise der Irokesen, Cherokesen und Creek, verbunden. Die ständig steigende Einwanderung tat in diesem Verdrängungsprozeß ein übriges.

George Washingtons „Northwest Ordinance“ sorgte 1794/95 für eine Öffnung des so genannten Nordwest-Territoriums für weiße Siedler, die in das bis dato ausschließlich von Indianern bewohnte Gebiet einsickerten. Dagegen leisteten die Indianer natürlich Widerstand. Washington entsandte daraufhin Truppen, die allerdings vernichtend geschlagen wurden. Als maßgeblicher Trumpf erwies sich dabei ein Bündnis verschiedener Stämme, geführt von dem Shawnee Blue Jacket, dem Miami Kleine Schildkröte, dem Lenape-Häuptling Buckongahelas und dem Ottawa Egushawa. Die USA setzten in der Folge auf eine Verhandlungslösung, wobei die indianische Allianz eine Grenzziehung forderte, die wiederum bei den USA auf Ablehnung stieß.

Washington schickte eine neue Armee, die unter dem Befehl von General Anthony Wayne stand und die Blue Jacket und seine Alliierten in der Schlacht bei Fallen Timbers bezwang. Und nachdem die Indianer vergeblich auf britische Hilfe gehofft hatten, sahen sie sich gezwungen, den Vertrag von Greenville zu unterzeichnen. Dadurch mußten sie zwei Drittel des heutigen Ohio und Gebiete des heutigen Indianas an die USA abgeben.

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"Angriff der Dragoner bei Fallen Timbers"; Gemälde von R. T. Zogbaum für „Harper's Magazine“, 1895.

In der Stunde der Not trat ein Mann ins Rampenlicht: Tecumseh (1768-1813), der in Ohio als Sohn eines Häuptlings der Shawnee auf die Welt gekommen war. Der „sich zum Sprung duckende Berglöwe“, so die Übersetzung seines Namens, mißbilligte den Vertrag von Greenville und vertrat These, daß die den Indianern verbliebenen Territorien gemeinsamer und unveräußerlicher Besitz aller Indianer seien. Zu seinem Gegenspieler wurde automatisch W. H. Harrison, der seit 1800 das Gouverneursamt in Indiana bekleidete und von den USA mit dem Erwerb von Land im Westen beauftragt worden war.

Tecumseh verfolgte das Ziel einer Einigung aller nordamerikanischen Indianer in einem eigenständigen Staat mit eigener Regierung und einheitlicher indianischer Armee. Unterstützung erfuhr er von seinem Bruder Tenskwatawa, dem „Propheten“. Um sein Ziel zu erreichen, betätigte sich Tecumseh als Wanderprediger. Sieben Jahre lang reiste er von Stamm zu Stamm – und stieß auf Widerhall. Als Knackpunkt erwies sich dann aber das Handeln des „Propheten“, der 1811 – entgegen Tecumsehs Weisung – den Kampf mit der Armee Harrisons aufnahm und bei Tippecanoe eine Niederlage bezog.

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Zeitgenössische Darstellung, wie Tecumseh während der Schlacht an der Themse am 18. Oktober 1813 erschossen wurde; handkolorierte Lithographie, 1846.

Tecumseh reagierte, indem er mit den Briten eine Allianz einging. Doch unterlagen die Creek und Shawnee sowohl in der Schlacht am Horseshoe Bend den Verbänden General Andrew Jacksons als auch in der Schlacht am Thames River Harrisons Truppen. Damit war der Widerstand in den alten Nordwestgebieten endgültig gebrochen, zumal die Galionsfigur Tecumseh, der im Britisch-Amerikanischen Krieg (1812-1814) im Range eines Brigadegenerals kämpfte, 1813 an der Themse fiel.

Konzentrationslager für Indianer

Und die Verdrängung der Indianer setzte sich fort. 1827 traten die Winnebago – selbstverständlich unter Druck – ihre Siedlungsgebiete im heutigen Illinois gegen die Entrichtung von 540.000 Dollar – ausgezahlt über einen Zeitraum von 30 Jahren in jährlichen Raten von 18.000 Dollar – an die US-Regierung ab. 1830 unterzeichnete Präsident Andrew Jackson den Indian Removal Act, ein Gesetz, mit dem die ethnische Säuberung bestimmter Gebiete quasi legalisiert werden sollte.

Zu denen, die dagegen Widerstand leisteten, gehörten die Seminolen. Sie wehrten sich gegen den menschenverachtenden Prozeß der Verschiebung. Sollten die Seminolen doch die 1818 eigens für sie geschaffene Reservation nördlich des Okeechobee-Sees verlassen und westlich des Mississippi neu siedeln. Weiße Siedler beriefen sich auf den Indian Removal Act und gingen daran, die Seminolen von ihrem Land, das zudem sehr fruchtbar war, zu vertreiben.

Dagegen wehrten sich die Indianer, u. a. auch im südlichen Florida unter Leitung ihres Häuptlings Osceola erbittert. Sie verschanzten sich im Marschland der Everglades und kämpften sieben Jahre – von 1835 bis 1842 – gegen die Eindringlinge. Osceola erklärte sich letztlich mit einem Waffenstillstandsangebot einverstanden und zeigte sich zudem bereit, Verhandlungen zu führen. Doch brach die US-Seite ihr Versprechen, indem sie den Seminolen-Häuptling kurzerhand inhaftierte. In der Folge emigrierten die meisten Seminolen nach Westen.

Zerstört wurden auch die Lebensgrundlagen der Navajo-Indianer in Arizona, das 1912 als 48. Bundesstaat in die USA aufgenommen wurde. 1863 hatte die US-Regierung Oberst Kit Carson mit der endgültigen Unterwerfung der Navajos beauftragt. Carson erwies sich als gründlicher Vollstrecker Washingtons, indem er die Obstbaumplantagen und Felder zerstören sowie die Herden vernichten ließ. Zudem inhaftierten die US-Truppen 8000 Navajos und 400 Mescalero-Apachen in Bosque Redondo, einem etwa 290 Kilometer südlich von Santa Fé (New Mexico) errichteten Lager. Die Kollektivhaft dauerte vier Jahre, von 1864 bis 1868. Danach wurden den Navajos 64.000 qkm Land in Neu-Mexiko, Arizona und Utah als Reservation zugeteilt, doch glichen die Bedingungen einmal mehr einem Schlag ins Gesicht der Indianer. War das Land doch derart trocken, daß Plantagenwirtschaft und Viehzucht quasi unmöglich waren. Die heute dort lebenden Navajos sind größtenteils verelendet und alkoholabhängig.

1864 attackierte eine lokale Miliz weißer Siedler ein von Cheyenne- und Arapaho-Indianern bewohntes Dorf im Südwesten Colorados. 150 Männer, Frauen und Kinder wurden ermordet. Vier Jahre später griff die 7. US-Kavallerie, geführt von Oberst George Armstrong Custer, während der Schlacht am Washita River (Oklahoma) ein Cheyenne-Dorf an. Custers Soldaten metzelten circa (nach heutigen Erkenntnissen) 60 Männer, Frauen und Kinder nieder.

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"Angriff am Washita"; Illustration von Frederic Remington.

Empfänger von Nahrungsmittel-Zuteilungen

Die Kolonisatoren erwiesen sich in den meisten Fällen zwar aufgrund ihrer Waffentechnik und des schier unerschöpflichen Menschenpotentials als überlegen, doch mußten sie, wie bereits gezeigt worden ist, hartnäckigen Widerstand überwinden. Die erfolgreichsten Angriffe gegen die US-Armee während aller Indianerkriege führte Makhpyia Luta (Rote Wolke), Kriegshäuptling der Lakota-Sioux, zwischen 1866 und 1868 in South Dakota. Der Erfolg konnte sich durchaus sehen lassen. Im 1868 abgeschlossenen Vertrag von Fort Laramie garantierte die US-Seite den Lakota ihr angestammtes Siedlungsgebiet einschließlich der gesamten Black Hills, und das „auf alle Zeiten“. Eine Präsenz von Militär war in der Übereinkunft ebensowenig vorgesehen wie weiße Siedlungen oder Beschränkungen wie beispielsweise durch Straßenbaurechte. Die auf dem Oregon-Trail nach Kalifornien ziehenden weißen Siedler erhielten im Gegenzug die Garantie auf freie Passage.

Allerdings währte die Ruhe aus indianischer Sicht nur wenige Jahre, wobei wir wieder bei der Verläßlichkeit des Vertragsrechtes und juristisch-normativer Konditionen angelangt sind. 1874 wurden in den Black Hills Goldvorkommen gefunden. Goldfunde haben schon stets – rund um den Globus – beizeiten altruistische Kultur- und Zivilisationsbringer auf den Plan gerufen... Den Umsiedlungsplänen widersetzten sich die Lakota zunächst mit Erfolg. Sie erzielten eine Reihe militärischer Erfolge, den wohl bekanntesten im Sommer 1876 am Little Big Horn, als sie, angeführt von ihrem Häuptling Crazy Horse, die 7. US-Kavallerie unter Oberst George A. Custer vernichtend schlugen. Doch nachdem der US-Kongreß zusätzliche Mittel für weitere Armeeverbände bereitgestellt hatte, wuchs der Druck auf die Lakota ins Unermeßliche. Im Herbst 1877 kapitulierten sie. In der Folge wurden sie gezwungen, die Black Hills und die Büffeljagd aufzugeben. In den ihnen zugewiesenen Reservaten wurden sie zu bloßen Empfängern von Nahrungsmittel-Zuteilungen der Regierung.

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Crazy Horse in der Schlacht am Little Bighorn. – Bild von dem Oglala Amos Bad Heart Bull nach 1890. Mit der Punktierung des Körpers hat der Künstler wohl den Staub andeuten wollen, den der Häuptling – einer Vision folgend – vor jedem Kampf auf seiner Haut verteilte.

Wie stark das den Indianern verbliebene Gebiet im Laufe der Jahrzehnte zusammenschmolz, zeigt sich am sogenannten „Indianerterritorium“, das der indigenen Bevölkerung 1837 zum alleinigen Besitz übergeben worden war und anfänglich neben den jetzigen Staaten Oklahoma und Kansas auch Teile von Nebraska sowie Nord- und Süd-Dakota umfaßte. 1889 wurde es auf Teile von Oklahoma beschränkt, um dann 1907 ganz aufgehoben zu werden.

Der gewaltige Verdrängungs-, ja: Vernichtungsprozeß läßt sich auch anhand weniger Zahlen belegen. Wuchs die nichtindianische Bevölkerung in den USA zwischen 1800 und 1900 von fünf auf 75 Millionen, sank in diesem Zeitraum die Zahl der Native Americans von 600.000 auf 250.000 (1492 hatten in Nordamerika zwischen fünf und zehn Millionen Indianer gelebt). Tod durch Kämpfe und Hunger, die Niedermetzelung wehrloser Frauen, Kinder und Greise, eine zunehmende Degeneration durch das Dahinvegetieren in Reservaten – die Anglo-Amerikaner haben sich auch in Nordamerika ein Denkmal der Schande gesetzt.

Material für mehrere armdicke Bände

Diese Fakten und viele weitere sind in einer 2017 in Erstauflage bei Klett-Cotta, Stuttgart, erschienenen Monographie aus der Feder des schweizerischen Historikers Aram Mattioli zu finden. Das umfangreiche Buch mit dem Titel Verlorene Welten – Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas 1700-1900 erlebte 2022 seine fünfte Auflage. Zu empfehlen ist auch Armin Wertz‘ Buch Die Weltbeherrscher – Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA, erschienen 2015 bei Westend in Frankfurt am Main. Die Chronik enthält auch viele Angaben zur Verdrängung der nordamerikanischen Indianer.

Wer die Austreibung und Vernichtung der nordamerikanischen Urbevölkerung auf künstlerische Weise präsentiert bekommen möchte, der führe sich ruhig einmal die Indianerfilme der DDR-Filmgesellschaft DEFA zu Gemüte. Sie zeigen die soeben beschriebenen Prozesse sehr anschaulich.

"Moral bombing" und die moralische Keule

Der anglo-amerikanische Bombenterror kostete im Zeitraum von 1939 bis 1945 zwischen 500.000 und 600.000 deutsche Zivilisten das Leben. Seinen Ausgang nahm der Krieg aus der Luft dabei von englischem Boden. So erfolgten seit dem 10. Mai 1940 nächtliche Bombenabwürfe britischer Flieger auf deutsche Städte, worauf die deutsche Luftwaffe (am 19. Juni 1940) die Vergeltungsangriffe auf nichtmilitärische Ziele begann. Mit der Ernennung von Arthur Harris (1892-1984) zum Befehlshaber des britischen Bomber Command (BC) im Februar 1942 nahmen die gezielten Luftattacken auf die deutsche Zivilbevölkerung zu.

Doch auch nach der Niederwerfung des Deutschen Reiches griff der ach so humanitäre Westen des öfteren zur Keule. Nehmen wir nur Henry Kissinger (1923-2023). Als National Security Assistant genehmigte Kissinger jeden der zwischen 1969 und 1970 auf Kambodscha durchgeführten 3875 Bombenangriffe. Dabei wurden über sechs Gebieten insgesamt 25.000 Bomben abgeworfen, und es verloren schätzungsweise 500.000 Kambodschaner ihr Leben. Kissingers Urgroßvater, Meyer Löb, hatte seinen Namen einst in „Kissinger“, angelehnt an den Kurort Bad Kissingen, umändern lassen – seinem 1938 aus Deutschland ausgewanderten Nachfahren Heinrich-Henry bekam seine US-Karriere wie eine Badekur.

Ganz anders ist dies bei Völkern und Regierungen, die sich nicht dem US-Diktat unterwerfen wollen. Die Peitsche – auch in Gestalt von Uranmunition – bekam vor rund zwei Jahrzehnten die irakische Bevölkerung während des Angriffskrieges der „Koalition der Willigen“ zu spüren. Das Resultat auch hier: hunderttausende Tote, Kranke und Traumatisierte.

Kurzum: Über die von den Briten und den Anglo-Amerikanern zu verantwortenden Genozide ließen sich mehrere armdicke Bände verfassen. Ihre geopolitisch und ökonomisch motivierte Politik verkauft die US-dominierte Hemisphäre mit Schlagworten wie „Freiheit“, „Demokratie“, „Pluralismus“ und „Toleranz“; in den Ohren betroffener Nationen klingen sie hingegen wie Hohn. Ist doch die mit der gebetsmühlenartig wiederholten Phraseologie verbundene Praxis in Form von Kriegen und Interventionen für die Völker längst zum Fluch geworden. Und was auf den ersten Blick so glitzernd daherkommt, erweist sich letztlich als Vorhang, hinter dem sich eine häßliche, geld- und machtgierige Fratze verbirgt. Sie bringt unermeßliches Leid über die Völker – so wie einst das Gold über den sagenumwobenen König Midas.

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