Der Glanz indischer Rupien für das russische Erdöl

Wie Russland den Rohstoffhandel mit Indien und anderen Ländern aufbaut: Die Gesamtübersicht

Ausländische Massenmedien berichten immer öfter, dass Moskau beschlossen hat, seine Exportflüsse umzuleiten, und sich einen neuen Schlüsselpartner gewählt hat – Neu-Delhi. Und der neue Vizepremier Russlands, der unter anderem für Energetik im Land verantwortlich ist, Aleksander Nowak erklärte, Russland habe neue Treibstoffkäufer gefunden, und die Lieferungen nach Asien haben zugenommen. Einerseits kann man vermuten, dass das teilweise die Wahrheit ist. Inwiefern kann aber Indien traditionelle Käufer russischer Energieressourcen vollständig ersetzen?

In der letzten Zeit scheint es beim Lesen internationaler Massenmedien scheint, dass Journalisten zusammen mit ihren Quellen versuchen, die Idee davon an den Leser zu bringen, dass Russland beginnt, sehr aktiv die Märkte zu erschließen, die früher nicht besonders gut erforscht waren. Zum Beispiel erinnern wir uns an die jüngsten Bloomberg-Beiträge, wo mehrmals berichtet wurde, wie Russland in seinem Streben, westliche Sanktionen zu umgehen, neue Beziehungen zu Indien aufbaut, und das Letzte ist im Gegenzug zu westlichen Verbrauchern bereit, das russische Erdöl zu kaufen. Dabei schreibt die Ausgabe davon – entweder hat sie gute Quellen, oder will ein Zeichen Beamten geben – mit einer beneidenswerten Regelmäßigkeit. Doch schauen wir uns die Zahlen an.

Wie dieselbe Agentur Bloomberg schrieb, lieferte Russland seit dem Anfang der speziellen Operation in der Ukraine über 40 Millionen Barrel Erdöl an Indien. Das ist 20 Prozent mehr als über das ganze Jahr 2021. Russische Firmen böhrten, wenn man Daten aus dem vorigen Jahr nimmt, über 10 Millionen Barrel pro Tag. Also das Volumen, das die Firmen an Indien liefern konnten, wurde im Land nur noch in einigen Tagen produziert.

Nun schauen wir uns den Handelsumsatz zwischen Russland und Indien an. Im vorigen Jahr machte er 12 Milliarden Dollar aus. Man nannte ihn den Rekordumsatz. Doch zum Vergleich: Der Wert des gegenseitigen Handels Russlands mit China erreichte über den gleichen Zeitraum fast 147 Milliarden amerikanischer Dollar. Etwa 12-mal so viel.

Und nun werfen wir einen Blick auf den Handelsumsatz zwischen Russland und Europa: 2021 betrug er 282 Milliarden Dollar (das Wachstum um fast 50 Prozent, was mit der Pandemie und dem Rückgang des Handelsumsatzes im Jahr 2020 zu erklären ist). In die EU liefert Russland wie bekannt hauptsächlich Energieträger. Deswegen ist Indiens gestiegene Einkaufsvolumen vom russischen Erdöl für die russische Wirtschaft nicht so wichtig. Ja, Indien ist einer der weltweit größten Erdölverbraucher. Ja, da gibt es eine Erdölraffinerie in Vadinar, ein Anteil an der „Rossneft“ gehört. Doch Neu-Delhi ist laut der Statistik immer noch kein Schlüsselpartner Moskaus geworden.

Dennoch kann sich in diesem Jahr alles verändern. Indien ist der drittgrößte Erdölbezieher in der Welt. Und der Planet kann nämlich ohne russische Rohstoffe im Grunde genommen immer noch nicht auskommen. Nicht nur in Asien, sondern auch in der EU. Man kann auf den Wind rechnen, der in der Nordsee weht, doch die Erfahrung hat gezeigt, dass der Wind nicht immer weht, und ohne dies kann man die benötigte Strommenge nicht erzeugen. Und jetzt, wenn man davon spricht, dass der Winter vorbei ist und man in Europa weiniger Treibstoff braucht, können manche Gedanken sogar ein bisschen weitergehen. Der Sommer steht vor der Tür. Und der kann sehr heiß sein, wie es schon in den letzten Jahren war. Und man kann dann Strom gebrauchen, um Waren auf Lagern und Häuser normaler Einwohner abzukühlen.

Das sind alles keine Propagandaparolen, sondern einfache Vermutungen, für deren Verwirklichung es eine Chance gibt. Dabei sollte man sich an die Erklärung der OPEC-Leiter erinnern, die betonten, dass Russland ausländischen Verbrauchern über 7 Millionen Barrel pro Tag liefert und dass es unmöglich ist, dieses Volumen zu ersetzen.

Zurück zur Raffinerie im indischen Vadinar, die die zweitgrößte im Land ist. Relativ neulich wurde geplant, dass auf die das in Venezuela gewonnene Erdöl geliefert wird. Aber die USA verhängten schon Sanktionen gegen Karakas, das heißt, man darf Rohstoffe aus diesem Land auf Weltmärkte nicht liefern. Danach steigerten die USA ihre Anschaffungen von russischen Energieträgern, die amerikanische Erdölraffinerien für die eigene Dieselproduktion brauchen. Da wird das schwere russische Erdöl mit der leichten Texaser Sorte gemischt. Und nun hat Washington Sanktionen auch gegen russisches Erdöl verhängt, und das Land muss neue Lieferanten finden. Man schrieb, dass die USA versucht hatten, sich mit Venezuela zu verständigen, damit sein Erdöl wieder auf den amerikanischen Markt zurückkehrte. Aber worüber hat man sich da verständigt und ob überhaupt hat, ist unbewusst.        

Russian oil and the glitter of Indian rupees
Indian oil refinery in Vadinar

Man sollte sich nebenbei daran erinnern, dass die USA vor zwei Jahren Sanktionen gegen die Trading-Tochter von „Rossneft“ verhängt hatten, die sich gerade mit den Lieferungen von venezuelischem Erdöl beschäftigten. Danach wurden diese Firmen an die russische Regierung verkauft, die damals von keinen Sanktionen betroffen wurde. Das heißt, man nehme an, die Zusammenarbeit zwischen Russland und Indien ist erhalten geblieben. Und zugleich ist zu erwähnen: Im Dezember gab es offizielle Meldungen, dass „Rossneft“ 2022 nach Indien bis 2 Millionen Tonnen Erdöl über den Hafen in Noworossijsk schickt. Das ist ein gar nicht großes Volumen, wenn man die Rosstat-Daten über Russlands Gesamterdölexporte nimmt – weniger als 1 Prozent. Aber die Rede ist nur noch von einem Unternehmen, und die Daten stammen aus dem Ende vorigen Jahres, und seitdem könnte sich alles rasch verändert haben.

Es gibt eine andere Nuance: Bezahlung der Lieferungen von russischen Produkten. Bis jetzt rechneten sich russische Firmen mit indischen Partnern in Dollar ab. Doch nun ist so eine Zeit gekommen, wo die amerikanische Währung nicht nur für Unternehmen aus Russland nicht mehr zugänglich ist, sondern wo westliche Banken auch sorgfältig verfolgen, woher und wohin Mittel fließen. Und falls etwas beim Compliance den Finanzorganisationen nicht gefällt, kann es sein, dass das Geld den Partner einfach nicht erreicht.     

Noch ein wichtiger Punkt ist der Preis der Produkte. Ölpreise sind momentan sehr hoch. Das ist aber eine Börse, und da können Preise im Laufe des Tages auf und ab fliegen, und es gibt keine Einschränkungen dafür. Und anscheinend ist der Markt zum Schluss gekommen, dass man sich genau auf Börsenwerte bei der Vereinbarung von Handelsverträgen richten sollte. Davon sprach jahrelang Brüssel und erklärte, dass in Verträgen mit Russland man die Energieträgerpreise verankern soll, die an die Spotpreise gebunden sind. Moskau sprach sich aber seinerseits immer für langfristige Verträge aus, die hängen aber nicht so stark von Börsenindikatoren ab.

Obwohl hier gibt es auch keinen besonderen Sinn für Diskussionen. Nicht alle begreifen, dass Verträge nicht zwischen Russland und Europa geschlossen werden. Nicht zwischen Moskau und Neu-Delhi. Vereinbart wird unmittelbar zwischen Firmen. Zwischen Russischen Rohstoffproduzenten und -verarbeitern und europäischen Öl- und Gasgesellschaften. Natürlich nehmen Geschäftsleute Rücksicht auf Positionen ihrer Länder, doch das betrifft nicht nur die Politik, sondern das Business auch. Sei auch das staatliche, aber doch Business.

Noch ein paar Worte zum Business und seinem Interesse. Laut den Massenmedienberichten, verlangt Indien einen großen Rabatt bei der Beschaffung vom russischen Erdöl. Die russische Marke Urals kann jetzt nur noch 70 Dollar pro Fass kosten. Zwar man an der Börse für ein Barrel Vergleichssorte, die Nordseemischung Brent über 100 amerikanische Dollar gibt.

Da kann man sich die Köpfe heißreden: Wer ist doch der Begünstigte in der Situation? Asiatische Länder, die bereit sind, unter harten Sanktionen das russische Erdöl zu kaufen? Oder doch Moskau, das weiterhin mit der ganzen Welt nicht ohne Selbstgewinn handelt? Eine klare Antwort auf diese Fragen gibt es nicht. Es ist aber bekannt, dass Russlands Haushalt für dieses Jahr mit Ölpreisen von knapp über 44 Dollar für ein Barrel Brent-Erdöl und mit dem Kurs der amerikanischen Währung von knapp über 71 Rubel auskalkuliert worden ist. Also, auch die jetzigen Preise, sogar mit dem Rabatt, den nun laut Nachrichten Bezieher des russischen Erdöls, darunter auch Indianer, verlangen, fügen sich in den russischen Haushalt ganz gut.

Immerhin, da Produkte aus Russland toxisch geworden sind, muss das Land neue Verbraucher suchen. Laut dem fachorientierten Vizepremier Aleksander Nowak habe Russland die schon gefunden. Und offensichtlich wird Indien gemeint. Aber es ist nebenbei zu bemerken, dass das Erdöl dorthin über das Meer fließt und das kein an Russland nahes Europa ist, das mit der Russischen Föderation durch Rohre verbunden ist.

Apropos, ganz lustig sind andere Nachrichten. Sie betreffen Lieferungen russischer Rohstoffe auf den Weltmarkt. Die weltweit größten Öl- und Gasgesellschaften und -traders haben beschlossen, die Zusammenarbeit mit Russland einzustellen. Das hat sie aber nicht daran gehindert, mit dem russischen Erdöl zu handeln, zwar auch unter einem anderen Namen des Rohstoffs. Während das Tankschiff geht, kann man Erdöl mit Treibstoffen aus anderen Ländern vermischen. Und den danach als zum Beispiel „lettische Mischung“ bezeichnen, als sei Lettland ein großer Ölproduzent und Rohstofflieferant.

Eine Gesamtübersicht gibt es aber doch nicht und es wird wahrscheinlich in den nächsten Monaten auch keine geben. Und die, die es gibt, ist ein wenig (und das ist ganz gelinde ausgedrückt) verworren. Besonders wenn man berücksichtigt, dass Moskau die Daten über seine Erdölproduktion und die Aus- und Einfuhrstatistiken für geheim erklärt hat. Und die Nachrichten mit der Berufung auf staatliche oder Firmenquellen kommen so oft, dass es schwerfällt zu verstehen, wie sich die Lage verändert. Doch in diesem Halbdunkel kann man sehen, wie ganz schwach indische Rupien glänzen, für die das russische Erdöl gekauft wird.

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