Von Kiew nach Gaza

Die globale Sicherheitsarchitektur ist in Gefahr!

Nach einem brutalen, mit Massakern an israelischen Zivilisten verbundenen Angriff der palästinensischen Hamas am 7. Oktober eskaliert der Israel/Palästina-Konflikt zu einem humanitären Gemetzel im Gaza-Streifen.

Nicht zum ersten Mal in der Geschichte haben beide Seiten schmerzlich Opfer zu beklagen. Die Geschichte dieser Feindschaft geht weit zurück, was die Hoffnung auf eine schnelle und nachhaltige Lösung in den Bereich der Illusion verweist. Einfach dürfte sie schon gar nicht sein. Ob im Westjordanland oder dem Gaza-Streifen, ist das Leben der Palästinenser schon seit langem beschwerlich bis unerträglich, und die israelische Siedlungspolitik international vielfach in Kritik geraten.

Es ist dennoch moralisch nicht begründbar, die jüdischen Opfer dieses Anschlags zu bejubeln, aber ebenso wenig richtig, jeden Palästinenser inklusive Kleinkindern der Hamas zuzuordnen, und selbst das Völkerrecht im Zuge der Vergeltungsmaßnahmen zu brechen. Für die vielzitierte Weltgemeinschaft, um deren Synchronisation sich erneut bemüht wird, sollte anstelle von Polarisierung die Frage Gewicht haben, inwiefern dieser Konflikt Gefahr laufen könnte, sich dahingehend auszubreiten, daß durch die Involvierung eines BRICS-Aspiranten wie dem Iran in Verbindung mit dem Ukraine/Rußland-Konflikt ein globales Inferno losgetreten wird.
Die westlichen Hegemonialkräfte, die in konzertierter Aktion mit ihren Vasallen immer schärfer gegen Rußland und China in Stellung gehen, reiben sich auch schon seit langem am BRICS-Aspiranten Iran, dem unmittelbar nach dem Anschlag eine Drahtzieher-Rolle unterstellt wurde, die Teheran allerdings vehement bestreitet.

Aufgrund der speziellen Situation involvierter Machtinteressen in genau dieser Region ist man, um Manipulation vorzubeugen, vermutlich gut beraten, seinen Blick nicht nur über die Oberfläche gleiten zu lassen, sondern tiefer zu blicken. Dabei wird man schnell bemerken, daß sich die Lage so eindeutig gar nicht darstellt. Es gibt diverse Fragestellungen, die einer Beantwortung bzw. eingehenderen Untersuchung harren, wie beispielsweise die Hinweise des ägyptischen Geheimdienstes an die israelischen Kollegen, die den Verdacht einer Pearl Harbor-Analogie nicht ausschließen lassen oder aber auch Fragen danach, welche Zusammenhänge zwischen dem Anschlag und dem Ukraine-Konflikt bestehen.

Auch wenn es auf den ersten Blick weit hergeholt klingen mag, ist es dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen. Abgesehen davon, daß der aus Israel stammender Professor für internationale Beziehungen an der Oxford-Universität Avi Shlaim bereits 2009 im britischen „The Guardian“ wissen ließ, daß Israel in den 1980ern die sich gründende Hamas unterstützte, um Arafats Fatah zu schwächen – was belegt, daß man nichts von vorneherein ausschließen kann –, könnte der aktuelle Anschlag nicht nur ein Racheakt der Hamas gewesen sein, sondern auch Kiews.

Warum? – Ganz einfach, weil Netanjahu die Unterstützung für die Ukraine einstellte, ja sogar einige hochrangige IDF-Generäle wegen Zusammenarbeit mit den ukrainischen Streitkräften entlassen hatte. Überdies gehört Israel zu den Ländern, die Rußland nicht sanktioniert haben. Ebenso könnte man sich daran erinnert fühlen, daß dies seinerzeit in Afghanistan gegen die Sowjetunion kämpfenden Mudschahedin von den USA ins Leben gerufen bzw. zumindest maßgeblich unterstützt wurden.

Es wurden immerhin nahe dem israelischen Aschkelon unter anderem Hamas-Kämpfer festgenommen, die mit ukrainischen Panzerabwehrgranatenwerfern und Man-Portable Air-Defense Systemen (schultergestützten Boden-Luft-Flugabwehrraketensystemen) ausgerüstet waren. Weiter fanden IDF-Soldaten auf der Ladefläche eines palästinensischen Pickups RPG-7-Granaten, welche die Markierungen einer ukrainischen Einheit aus Mukatschewo in der Karpato-Ukraine aufwiesen. Den israelischen Sicherheitsdiensten sollen Erkenntnisse vorliegen, daß mehr als zwei Dutzend sowjetische RPGs, sprich manuell zu bedienende Panzerabwehr-Granatwerfer, sowohl aus der Ukraine selbst als auch aus Bulgarien, Polen, Lettland und Estland nach Palästina gelangten. Hinzukommen noch etwa drei Dutzend Panzerabwehrminen aus der Tschechei und Moldawien.

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Ein Kämpfer der Kassam-Brigaden mit einer älteren Panzerfaust sowjetischer Bauart.

Die Lieferung erfolgte angeblich zusammen mit Getreidelieferungen auf Massengutfrachtern, die aus dem Hafen von Oliva (Spanien) ausliefen. Nicht zuletzt behauptete Netanyahu bereits im Sommer, daß Teile der in die Ukraine transferierten Waffen bei den Palästinensern landen würden und für Aggressionen gegen Israel eingesetzt werden könnten. In einem Land, daß nicht erst seit gestern gravierender Korruption bezichtigt wird, kann zumindest illegaler Waffenhandel keineswegs kategorisch ausgeschlossen werden.

Oder kommt den USA dies vielleicht gerade recht, um ein Planspiel ablaufen lassen zu können, sich langsam aus dem Ukraine-Abenteuer zurückzuziehen, weil sie spätestens nach der nun bis zum Herbst ausgebliebenen Frühjahrsoffensive erkennen, daß die militärische NATO-Osterweiterung nicht nach Plan läuft? Mit dem Ziehen des Korruptions-Jokers und NATO-Waffen in den Händen einer in den USA als terroristisch sunnitisch-muslimischen Vereinigung eingeschätzten Organisation wie der Hamas hätte man ein Argument in der Hand, die Waffenlieferungen an Kiew bis zu einer vollständigen Aufklärung auszusetzen. Da allerdings die USA gesichtswahrend aus dieser Nummer herauswollen, ohne verkünden zu müssen, Putin hätte diesen Krieg gewonnen, dürfte der Druck groß werden, Selenskyj fallen zu lassen, um einem Nachfolger einen Verhandlungsfrieden aushandeln zu lassen.

Während sich der Westen mit demselben einseitig-polarisierenden Eifer blind auf die Seite Israels schlägt, empfängt Rußlands Präsident Wladimir Putin hingegen den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde und Vertreter der palästinensischen Fatah-Bewegung, Mahmud Abbas, um Lösungswege zu erörtern.

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Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin während seines Treffens im Hauptquartier der Palästinensischen Autonomiebehörde in Bethlehem am 23. Januar 2020.

 Wer Israel jetzt einen Freifahrtschein für die völlige Vertreibung der Palästinenser oder den regionalen Genozid an diesen ausstellt, trägt keinesfalls zur Sicherheitslage bei, da zahlreiche arabische Staaten dies als einen nicht hinnehmbaren Affront ansehen würden. Israel wäre im Sinne der Akzeptanz im Mittleren Osten gut beraten, sich einem Existenzrecht auch eines palästinensischen Staates nicht völlig zu verschließen. Im Gaza-Streifen leben immerhin ca. drei Millionen Palästinenser, denen zusätzlich zu den Flächenbombardements nun seitens Israel nicht nur Wasser-, Erdgas- und Stromversorgung abgeschaltet wurden, sondern vielleicht auch noch eine israelische Bodenoffensive droht.

Titelphoto: Die israelischen Bombardements im Gaza-Streifen könnten sich kontraproduktiv auswirken.

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