Randale in Ekuador

Ein südamerikanischer Topf läuft über

Schießereien, Morde, Explosionen: Einmal mehr ähnelt die Lage in Ekuador einem unbeaufsichtigt gelassenen brodelnden Topf, dessen Inhalt bereits über den Rand gequollen ist.

Die Regierung hat nunmehr die Reißleine gezogen, indem sie am 8. Januar für das gesamte Land den Ausnahmezustand für 60 Tage verhängte. Zudem gilt – gleichfalls für das ganze Staatsterritorium – eine Ausgangssperre von 23.00 bis 5.00 Uhr. Und nachdem Bewaffnete am 9. Januar in der Hafenstadt Guayaquil während einer Live-Übertragung den staatlichen Fernsehsender TC Televisión gestürmt hatten, genehmigte Präsident Daniel Noboa den Einsatz der Streitkräfte gegen das organisierte Verbrechen.

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Der Unternehmer Daniel Roy Gilchrist Noboa Azín (* 30. November 1987 in Miami, USA) war von 2021 bis 2023 Mitglied der Nationalversammlung von Ecuador. Am 15. Oktober 2023 wurde er in einer Stichwahl zum Präsidenten von Ecuador gewählt und übernahm das Amt am 23. November 2023.

Die Netzseite des Auswärtigen Amtes (AA) der Bundesrepublik gibt einen durchaus umfassenden Einblick in die Situation, die als aufgeheizt zu bezeichnen ist. So kommt es im gesamten Land immer wieder zu Demonstrationen mit politischem und/oder einem wirtschaftlich-sozialen Hintergrund. Dabei werden die Kundgebungen nicht etwa wie in der BRD fein säuberlich-bürokratisch angemeldet, sondern die Aktivisten blockieren ohne vorherige Ankündigung lokale Straßen und Hauptautobahnen. Zur Verbrechenslage heißt es auf der Seite des AA: „Die Kriminalitätslage und Gewaltbereitschaft sind hoch. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Banden sowie Schießereien zwischen Sicherheitskräften und kriminellen Banden haben im ganzen Land stark zugenommen. Gelegentlich werden auch Anschläge durch Drogenbanden und kriminelle Gruppierungen verübt. Bei solchen Ereignissen können auch unbeteiligte Personen in Mitleidenschaft gezogen werden.“

Es folgt eine umfangreiche Auflistung der Gefahrenzonen, zu denen u. a. Teile von Guayaquil, die Städte Huaquillas und Arenillas (Provinz El Oro), die Provinz Esmeraldas mit der gleichnamigen Hauptstadt oder auch das an Kolumbien grenzende Gebiet gerechnet werden. In der Grenzregion bestehe dabei „ein erhöhtes Risiko, Opfer von Entführungen und von Aktivitäten bewaffneter, mit dem Drogenhandel in Verbindung stehender Gruppen zu werden“. Auch der eine oder andere Taxifahrer könne sich letztlich als Straftäter erweisen. An der Tagesordnung seien auch Vergewaltigungen „nach Verabreichung bewußtseinsmindernder Drogen (auch in Form von Pulver in Speisen, Getränken oder auf Prospekten)“.

"Das gewalttätigste Land Lateinamerikas"

Darüber hinaus wird jenen, die eine Reise nach Ecuador planen, u. a. empfohlen, „auch für kurze Strecken ein registriertes Taxi“ zu nutzen, bargeldlose Zahlungen zu bevorzugen und nur das für den Tag benötigte Bargeld mit sich zu führen. Auch sollen Getränke nie unbeaufsichtigt gelassen und von Unbekannten keine angenommen werden. Es gelte, im Falle eines Überfalls keinen Widerstand zu leisten sowie Uhren, Kameras und Mobiltelefone „nicht auffällig auf der Straße“ zu tragen.

Bei den Reise- und Sicherheitshinweisen handelt es sich durchaus nicht um bloße Panikmache. Erst kürzlich wurden die Kriminalitätsstatistiken für 2023 veröffentlicht. Demnach war Ekuador im vergangenen Jahr „das gewalttätigste Land Lateinamerikas“, ist auf dem Portal amerika21 zu erfahren. Unter Berufung auf ekuadorianische Medien wie Ecuavisa und Teleamazonas wird mitgeteilt, daß in Ekuador fast jede Stunde ein Mensch durch kriminelle Gewalt umkommt. Bis zum 17. Dezember gab es in dem Land 7497 Morde. Trauriger Spitzenreiter ist dabei das Viertel Nueva Prosperina im Süden von Guayaquil, wo die Mordrate bei 114 pro 100.000 Einwohner liegt – eine der höchsten der Welt. Darüber hinaus kommt es in den Gefängnissen zu anhaltenden Massakern. Laut dem Ständigen Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte (CDH) wurden in den zurückliegenden zwölf Monaten 89 Häftlinge getötet.

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Nueva Prosperina im Nordwesten der am Pazifik gelegenen Großstadt Guayaquil gehört zu den fünf gewalttätigsten Orten der Welt.

„Kämpfe zwischen kriminellen Banden um die Kontrolle von Gefängnissen, Schießereien in städtischen Gebieten, mitten in der Nacht explodierende Fahrzeuge, Schüsse auf staatliche Einrichtungen, Bombendrohungen und sogar ein mit Sprengstoff gefesselter Wachmann haben Ecuador im Jahr 2023 in die Schlagzeilen gebracht“, benennt die Redaktion von amerika21 die Bandbreite der Kriminalität.

Die Ursachen für die exorbitante Gewalt erblicken Experten zum einen im ausufernden Drogenhandel, zum anderen aber auch in der Wirtschaftskrise, die einen Mangel an Arbeitsplätzen und Chancen hervorrief. Und so sehen in erster Linie junge Menschen in der Hinwendung zur Kriminalität eine Möglichkeit, an Geld zu gelangen.

Druck vom Internationalen Währungsfonds

Guillermo Lasso – Vorgänger des jetzigen Präsidenten Daniel Noboa, der einer Bananen-Dynastie entstammt – kommt aus der Mittelschicht und arbeitete sich zu einem der führenden Bankiers des Landes hoch. Als er im Mai 2021 sein Amt antrat, befand sich das Land in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Das BIP war im Jahr davor um acht Prozent zurückgegangen, was in der Hauptsache auf die COVID-19-Pandemie und die fallenden Ölpreise zurückzuführen war. In den folgenden Jahren kam es zwar zu einer wirtschaftlichen Erholung, doch verlief diese eher langsam: War 2021 ein Plus von 2,8 % zu verzeichnen, belief es sich, hauptsächlich aufgrund der Ölverkäufe, 2022 auf 3,5 % – eine der schwächsten Leistungen in Nord- und Südamerika.

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Der ehemalige Bankier Guillermo Alberto Santiago Lasso Mendoza (* 16. November 1955 in Guayaquil) gilt als neoliberal und konservativ und war von Mai 2021 bis November 2023 Präsident Ecuadors. Er ist Mitglied der konservativen katholischen Personalprälatur Opus Dei und spricht sich strikt gegen gleichgeschlechtliche Ehen und Abtreibung aus.

Gleichzeitig stand Ecuador mächtig unter Druck – ausgeübt vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der auch in diesem Fall „Strukturreformen“ angemahnt hatte. Oder anders ausgedrückt: Die Ausreichung neuer Kredite wird an Bedingungen gekoppelt, die den politischen Sektor betreffen. So auch im Falle Ekuadors. Um weitere IWF-Mittel zu erhalten, faßte die Regierung den Beschluß, bei den öffentlichen Ausgaben den Rotstift anzusetzen. Das wiederum führte zu einer Verschlechterung auf dem Gebiet der Dienstleistungen. Unter anderem riefen die Budgetkürzungen einen Mangel an Medikamenten hervor. Überraschen konnte Lassos Agieren allerdings nicht. Hatte er doch bereits während des Wahlkampfes die Förderung ausländischer Investitionen vorgeschlagen. Dazu sollten die Steuern gesenkt – und die Vereinbarungen mit dem IWF und den Finanzmärkten eingehalten werden. Doch auch hier gilt: Wer sich mit dem IWF einläßt, kann sich auch gleich eine Würgeschlange um den Hals packen.

Bereits 2021 Anstieg der Kriminalitätsrate

Als Reaktion auf Lassos Spar- und Streichpolitik kam es im Juni 2022 zum „Nationalstreik“, der sich gegen die Steigerung der Preise beim Treibstoff und der Grundversorgung der Familie, gegen Mängel im öffentlichen Gesundheitswesen, aber auch gegen die sich verschärfende Sicherheitslage richtete. Dazu ein paar Zahlen: 2021 erreichte die Rate auf dem Feld der vorsätzlichen Tötungsdelikte 14,04 pro 100.000 Einwohner – der höchste Wert seit 2011. 2020 belief sich die Rate auf 7,8. Eine Vielzahl der Gewaltverbrechen stand dabei im Zusammenhang mit dem Rauschgifthandel. Laut El Comercio wurden 2021 503 Gefängnisinsassen getötet. Die Bevölkerung befand sich deshalb in einer Alarmstimmung, wie eine im Oktober 2021 vom Unternehmen Click Research durchgeführte Umfrage zu den drängendsten Problemen ergab: Demnach erblickten die Bürger in der Kriminalitätslage das größte Problem. 

Doch noch in einer anderen Hinsicht sank Lassos Ansehen in der Bevölkerung merklich: Anfang Oktober 2021 begann die Veröffentlichung von Notizen, die im Zusammenhang mit den Pandora Papers standen. Hierbei konnte die Verbindung zwischen Offshore-Firmen und politischen „Eliten“, Geschäftsleuten, Personen mit Verbindungen ins Finanzmilieu und Künstlern aufgedeckt werden. BBC News und die peruanische Tageszeitung El Comercio stellten fest, daß „35 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt ihr Vermögen in Steueroasen versteckt haben“. Unter ihnen befand sich auch Präsident Lasso.

Und nachdem die Medien dem Präsidenten das Lasso einmal um den Hals geworfen hatten, ließen sie auch nicht mehr locker. So berichtete die Internetzeitung La Posta im März 2023 von Verdachtsmomenten, die einen gewissen Sprengstoff bargen. Demnach soll es Anhaltspunkte für Verbindungen von Lassos Schwager Danilo Carrera mit der albanischen Mafia gegeben haben. Euronews griff die Angelegenheit auf und erwähnte unter Berufung auf die Berichte ekuadorianischer Medien die Existenz von Abhörprotokollen. Diese enthalten demnach Informationen über kriminelle Affären, in die Lassos Schwager, auch als „Der große Pate“ bekannt, verwickelt war. An Lasso selbst erging der Vorwurf, von diesen Zusammenhängen gewußt und von der Organisierten Kriminalität (OK) für den Präsidentschaftswahlkampf 1,5 Mio. US-Dollar erhalten zu haben. Sowohl Lasso als auch Carrera wiesen die Vorwürfe zurück.

Eldorado für Albaner-Mafia

Daß albanische Mafia-Gruppen auch in Ekuador tätig sind – und das nicht erst seit gestern – steht allerdings einmal mehr fest. Bereits seit den neunziger Jahren ist die Albaner-Mafia in Ecuador aktiv, und zwar hat sie beizeiten den Drogen- und dabei den Kokainhandel für sich entdeckt. Die Voraussetzungen dafür standen und stehen nicht einmal schlecht, denn zum einen gibt es die florierenden lokalen Kartelle, mit denen man sich zusammenschließen kann, und zum anderen sind die Grenzkontrollen alles andere als streng. Zudem setzt die Drogenbekämpfung Länder wie Brasilien, Kolumbien oder Peru stärker unter Druck, wodurch Ekuador sich zu einem Eldorado für ausländische Schmuggler entwickelt hat. Mittlerweile ist es der albanischen Organisierten Kriminalität in Ecuador gelungen, feste Pflöcke einzurammen. Wie latina-press.com im April 2023 unter Berufung auf ekuadorianische Geheimdienste mitteilte, rekrutieren die Albaner lokale Banden als „bevorzugte Partner“, während die albanische OK anderen Quellen zufolge die gesamte Lieferkette unter Kontrolle bekommen möchte.

Laut latina-press.com hat Ekuador mittlerweile die Rolle eines Umschlagplatzes und Exportzentrums für Kokain inne, das aus Peru und Kolumbien stammt. Zentrum des Handels bzw. Umschlags (und blutiger Auseinandersetzungen!) ist demnach Guayaquil. „Die reichste Stadt Ecuadors beherbergt fünf der acht Schiffahrts-Terminals des Landes und ist gleichzeitig eine der 25 gefährlichsten Städte der Welt.“ 2022 „wurden in Guayaquil 47,7 Tötungsdelikte pro 100.000 Einwohner gezählt, ein Anstieg um das Siebenfache innerhalb von fünf Jahren“. Von den 210 Tonnen Kokain, die ekuadorianische Behörden 2021 beschlagnahmten, entfielen zirka 96 auf Guayaquil. Das klingt nach einer großen Menge, doch kalkulieren die Drogen-Barone Verluste mit ein. Auch werden von den Schiffscontainern, in denen das Teufelszeug meist versteckt ist, nur etwa acht bis zehn Prozent kontrolliert.

Zudem erwähnt latina-press „zwei verschiedene nachrichtendienstliche Quellen“, die von „hochrangigen“ Absprachen zwischen der ekuadorianischen Polizei und der Albaner-Mafia sprechen, die nunmehr auf beiden Seiten des Äquators eine gewichtige Rolle spielt.

Correa: "Organisiertes Verbrechen hat Staat infiltriert"

Zu demselben Schluß gelangte bereits vor einem Jahr Ecuadors Ex-Präsident Rafael Correa: „Das organisierte Verbrechen hat den Staat infiltriert, sowohl die Regierung und das Justizsystem als auch die Politik und die Sicherheitskräfte“, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler. Wie die linke Tageszeitung Junge Welt in ihrer Ausgabe vom 11. Januar meldete, wandte sich Correa vor dem Hintergrund der ausufernden Gewalt im Land mit einer Botschaft an die Nation, in der er zur Einheit aller politischen Kräfte des Landes und des Volkes aufruft. Zudem unterstützt er die von Präsident Noboa ergriffenen Maßnahmen. So hatte dieser am 9. Januar 22 kriminelle Gruppen per Dekret als terroristische Organisationen und nicht-staatliche Kriegsparteien eingestuft, die auszuschalten seien. „Alle diese Gruppen sind jetzt militärische Ziele“, erklärte Militärchef Vela. Ecuador befinde sich im Kampf gegen das organisierte Verbrechen in einem internen bewaffneten Konflikt, heißt es in dem Dekret weiter.

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Mitglieder einer Spezialeinheit patrouillieren um den Regierungspalast in Quito.

Die Junge Welt wagte angesichts der augenblicklichen chaotischen Zustände sogar eine Prognose: „Sollte Noboa an der Sisyphosaufgabe scheitern und die Gewalt nicht eindämmen können, stehen die Chancen gut, daß Ecuador im kommenden Jahr wieder einen progressiven Präsidenten bekommt“, heißt es mit Blick auf Rafael Correa und die 2025 anstehende Präsidentschaftswahl.

Die 2019 von Correa ins Leben gerufene „Revolución Ciudadana“ (RC, „Bürgerrevolution“) besetzt seit den im August 2023 durchgeführten Wahlen zur Nationalversammlung 51 von 137 Mandaten. Damit ist sie im Parlament zwar die stärkste Kraft, aber weit entfernt von der absoluten Mehrheit, für die 71 Sitze notwendig wären. Correa selbst verfügt aber über Regierungserfahrung. Vom 15. Januar 2007 bis zum 24. Mai 2017 – in drei aufeinanderfolgenden Amtszeiten – fungierte er als Präsident. Correa, Jahrgang 1963, besuchte zunächst die renommierte katholische Schule San José La Salle in Guayaquil, ehe er auf der Grundlage eines Stipendiums ein Studium an der Katholischen Universität von Santiago de Guayaquil, einer privaten Einrichtung, absolvierte. 1987 machte er dort seinen Abschluß in Wirtschaftswissenschaften. Nachdem er in der Kleinstadt Zumbahua ein Jahr lang Indigene betreut hatte, setzte er seine ökonomischen Studien in Löwen (Belgien) und den USA fort.

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Der habilitierte Wirtschaftswissenschaftler Rafael Vicente Correa Delgado (* 6. April 1963 in Guayaquil) war vom 15. Januar 2007 bis zum 24. Mai 2017 Präsident des Landes. Die „Revolution der Bürger“, wie der linksorientierte Präsident Correa seine Regierung nannte, brachte Ecuador eine bis dahin unbekannte politische Stabilität, institutionelle Fortschritte und soziale Erfolge. Correas politisches Vermächtnis ist unter anderem die erfolgreiche Bekämpfung der Armut, sie sank zwischen 2007 und 2014 um 38 Prozent und die extreme Armut um 47 Prozent. Kritisiert wurden an Correa hingegen ein autoritärer Politikstil und Beschränkungen der Pressefreiheit.

Anhänger der lateinamerikanischen Integration

In seiner Dissertation „Three Essays on Contemporary Latin American Development“ (2001) erteilt er dem Liberalismus eine Absage. So hätten die seit den achtziger Jahren in Lateinamerika durchgeführten Strukturreformen das Wachstum nicht gefördert. Die Liberalisierung der Arbeitsmärkte habe die Produktivität in den südamerikanischen Ländern eher beeinträchtigt.

Seine eigentliche politische Karriere begann Correa am 20. April 2005, als er im Kabinett Palacio zum Wirtschafts- und Finanzminister ernannt wurde. Schon hier erwies er sich als Amtsträger, der mit den vorherrschenden, dem Laissez Faire folgenden Doktrinen nichts zu tun haben wollte. So stand er einem Freihandelsabkommen mit den USA eher negativ gegenüber. Statt dessen favorisierte er eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen lateinamerikanischen Ländern wie Venezuela, Bolivien, Kuba oder Brasilien. Die Ratschläge des IWF lehnte er ab. Und Correa mißbilligte das Vorhaben, die Überschüsse aus den Ölverkäufen vollumfänglich in die vorzeitige Rückzahlung der Auslandsschulden zu stecken. Vielmehr sollten die Mittel dem Gesundheitssektor und der Bildung zugutekommen.

Während seiner Amtszeiten legte er großen Wert auf das Vorantreiben der lateinamerikanischen Integration, die auch als ein Gegengewicht zu den USA verstanden wird. Correas Regierungszeit erhielt aufgrund der in jener Phase durchgeführten umfassenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen und bildungspolitischen Reformen auch die Bezeichnung „Bürgerevolution“. So wurden in den Bereichen Infrastruktur, Straßen, Sicherheit und soziale Entwicklung große öffentliche Investitionen vorgenommen. Der Staat erhielt in der Wirtschaft mehr Bedeutung und eine größere Kontrolle. Den Antrag der USA, den Vertrag über die Marinebasis Manta zu verlängern, lehnte Correa ab.

Erfolge in den Erdöl-Boomjahren

Die Erfolge können sich auch heute noch sehen lassen. Beispielsweise sank die Säuglingssterblichkeit. Betrug sie 2005 noch 24,4 auf 1000 Einwohner, belief sie sich zehn Jahre später auf 18,3/1000. Auch auf dem Feld der Kriminalitätsbekämpfung wurden Fortschritte erzielt. Laut universal.com nahm die Mordrate signifikant ab, und zwar von 18 auf 100.000 Einwohner im Jahr 2011 auf 5,8 im Jahr 2017. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP stieg zwischen 2006 und 2017 von 5,6 % auf 8,3 %.

In den Erdöl-Boomjahren funktionierte das Correische System noch recht ordentlich, wobei sich die Staatsausgaben verdreifachten und sich die Verschuldung Ecuadors verdoppelte. Dann, 2014, kam es zu einem Einbruch der Erdölpreise. In Reaktion auf den anhaltend niedrigen Erdölpreis, das Haushaltsdefizit und die steigende Verschuldung unterzeichnete Correias Nachfolger Lenín Moreno 2019 ein Abkommen mit dem IWF. Um aber die Bedingungen für einen Kredit über vier Milliarden Dollar zu erfüllen, verfügte Moreno Anfang Oktober 2019 die unverzügliche Streichung aller Subventionen auf Diesel- und Benzintreibstoff. Die Folge waren landesweite Proteste, Straßensperrungen, Unruhen.

Das Problem Ecuadors trat hier einmal mehr zutage: die fehlende Mannigfaltigkeit der Wirtschaft. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang eine Neubelebung der „Banco del Sur“, einer südamerikanischen Entwicklungsbank, die – 2007 u. a. von Venezuela initiiert – allerdings in den Anfängen steckengeblieben ist. Ihre Wiedererweckung wäre auch eine probate Medizin gegen die beiden Galgenvögel Weltbank und IWF.

Jetzt hat Ecuador allerdings zunächst andere Probleme zu lösen – die Bekämpfung der Banden-Kriminalität, und das mit dem stählernem Besen des Militärs.

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