Irland. 800 Jahre des Völkermords

Die ganze Geschichte der „Smaragdinsel“ ist ein Kampf…

- Deine Insel? Meinst du Irland?

- Ja. Es ist mein.

- Du bist verrückt.

- Dann bin ich hier richtig.

(Film „Braveheart“)

An der Liste der Länder, deren Bevölkerung auf zwei Lager aufgeteilt wurde, wie Nord- und Südkorea, West- und Ostberlin, Nord- und Südzypern, Nord- und Südvietnam, nimmt Irland einen Sonderplatz ein. Ein mal nachlassender, mal aufs Neue aufflammender Kampf um Unabhängigkeit läuft hier schon über acht Jahrhunderte.

Die Geschichte der Frage

Im Mittelalter war Irland – genauso wie viele andere europäische Länder – auf einige unabhängige Königreiche aufgeteilt, die einander ständig befeindeten. Im 12. Jahrhundert wandte sich einer solcher irländischen Könige, und zwar Diarmait mac Murchadha, auf der Suche nach einem starken Verbündeten an die die Nachbarinsel besiedelten Normannen. Auf seine Bitte landete 1171 der englische König Heinrich II. Plantagenet (Vater von Richard Löwenherz) mit seinem Heer in Irland und eroberte Dublin und das Ostteil der Insel, sogenanntes Pale. Seinen jüngeren Sohn, Prinz John, ernannte Heinrich zum Herrscher von Irland, das Teil des Angevinischen Reiches. Die neue Regierung beschlagnahmte Grundstücke ehemaliger Besitzer und übergab sie zur Nutzung englischer Kolonisten.

Da Westirland sich den Engländern nicht unterwarf, versuchten die Letzten im Laufe der nächsten zwei Jahrhunderte ihren Besitz auf der Insel zu erweitern. Doch 1348 kam den Irländern der „schwarze Tod“ zur Hilfe. In der ersten Linie befiel die Pest die Bevölkerung von Großstädten, wo die meisten Engländer wohnten. So war Irland das ganze 15. Jahrhundert lang relativ unabhängig. Da entstand sogar das eigene Parlament. Doch seine Beschlüsse sollten sowieso in England gebilligt werden.

Katholiken und Protestanten

Im Jahr 1536 entschied der englische König Heinrich VIII., seine Macht über Irland zu festigen, und unternahm einen neuen Militäreinbruch auf die Insel. Doch vorerst bestellte er nach London Irlands Gouverneur Gerald FitzGerald und richtete ihn hin. Geralds Sohn, Thomas FitzGerald, genannt Silken Thomas, rief als Antwort darauf zu einem Aufstand auf. Heinrich wurde freie Hand gelassen und er begann eine Spezialoperation, nach der Silken Thomas und alle seine Anhänger hingerichtet waren, und Heinrich VIII. ernannte sich zu Irlands König und Oberbesitzer aller Länder. Die irländische Sprache sowie die Heimattracht wurden verboten. Der Masseneinfuhr nach Irland der Kolonisten aus England, Schottland und Wales begann. Alle Verwaltungsposten wurden von Engländern bekleidet.

Zum ganzen irländischen Unglück versuchte Heinrich auf der Insel eine neue Religion einzuführen, deren Anhänger er selber war, – Protestantismus bzw. Puritanismus. So wurde in Irland die Treue dem traditionellen Katholizismus die Triebkraft des Protests gegen die Macht von Engländern. Diese religiöse Spaltung gilt auch heute. Sogar heute, wenn man von der Bevölkerungsspaltung in Irland auf zwei kämpfende Parteien spricht, muss man sich daran erinnern, dass die Spaltung nicht so sehr aufgrund der Nationalität, Irländer-Engländer, entsteht, sondern vor allem aufgrund der Religion – Katholiken-Protestanten.

Religiöse Aufstände der 16.-17. Jahrhunderte

Die Konfrontation zwischen Katholiken und Protestanten erreichte ihren Höhenpunkt Ende des 16. Jahrhunderts, als in Irland gleich mehrere Aufstände aufflammten. Vor allem sind das die Desmond-Rebellionen (1569-1583) und Tyrones Rebellion (1594-1603), die auch als der Neunjährige Krieg bekannt ist. Sie alle wurden von Engländern-Protestanten äußerst brutal niedergeworfen. Die ganzen Dörfer mit der gesamten Bevölkerung wurden vernichtet, Felder wurden zerstampft und verbrannt, doch antikoloniale Aufstände wurden fortgesetzt.

Die bekannteste Irländische Rebellion fand 1641 statt und dauerte über zehn Jahre. Die Aufständischen gründeten sogar ihren eigenen Staat – die Irländische Katholische Föderation. Klar, die Aufständischen waren auch keine Engeln. So haben zum Beispiel in einer der Städte von der Grafschaft Armagh die Aufständischen über 4.000 Protestanten ermordet oder im Fluss Bann ertränkt. Auf die Antwortreaktion musste man nicht lange warten. Englische Truppen unter Führung von Oliver Cromwell brachen in Irland im August 1649 ein und überschwemmten die Insel mit dem Blut der Aufständischen. Besonders gehasst von den Bestrafern waren katholische Priester, die bei lebendem Leibe in Kirchen verbrannt wurden.

Nachdem der Aufstand niedergeworfen worden war, verabschiedeten Engländer „Die Urkunde von Irlands Besiedelung“, laut der alle irländischen Grundbesitzer ins westliche Teil des Landes umsiedeln sollten. Diejenigen, die sich geweigert hatten, erwartete Tod. Außerdem wurden über 12 Tausend Irländer, einschließlich Frauen und Kinder, zu Sklaven gemacht und in englische Kolonien in Westindien und Nordamerika geschickt. Den in Irland gebliebenen Einwohnern wurden die Konfessionsfreiheit, das Bildungsrecht, das Abstimmungsrecht und das Recht auf die Staatsdienstausübung aberkannt. Alle diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass zum Anfang des 18. Jahrhunderts das Britische Gouvernement die totale Kontrolle über die Insel errichtete.

Die Katastrophe bei Ballinamuck

Der größte in der Geschichte bewaffnete Aufstand der Irländer gegen die Macht von Engländern flammte im Mai 1798 auf. Die katholische Gesellschaft „Die vereinten Irländer“, die von Erfolgen der amerikanischen und französischen Revolutionen ermutigt wurde, hisste die Aufstandsflagge unter Beistand des französischen Direktoriums. Leider dauerte dieser Aufstand nicht lange. Am 22. August 1798 betrat ein Tausend französische Revolutionskämpfer Irlands Küste. Etwa fünf Tausend freiwillige Irländer schlossen sich denen an. Die vereinte französisch-irische Armee wurde vom französischen Brigadegeneral Jean Humbert geführt. Schon am 27. August geschah die historische Schlacht von Castlebar, wo die englischen Truppen eine vernichtende Niederlage erlitten. Castlebar wurde befreit und zur Hauptstadt der Republik Connacht ernannt, deren Präsident John Moore wurde. Und obwohl die Republik Connacht nur zwei Wochen lang existierte, wird heutzutage John Moore für „den ersten Irischen Präsidenten“ gehalten.

Ireland: 800 years of genocide
Die Schlacht von Ballinamuck. Die Armee der Aufständischen kapituliert.        

Die Engländer kamen recht schnell nach der Niederlage zu sich und schon am 8. September 1798 zerschlug die britische Armee von 26 Tausend Soldaten in der Schlacht von Ballinamuck das nicht zahlreiche Heer der Aufständischen. Frankreich schickte ein paar Kriegsschiffe den Aufständischen zur Hilfe, doch sie wurden von der britischen Flotte nahe der Insel Tory versenkt. John Moore und Jean Humbert mit den Resten ihrer Armee gaben sich gefangen, Französen wurden in die Heimat deportiert und die irischen Aufständischen wurden in Dublin erhängt. Diese Schlacht ging in Irlands Geschichte als „die Katastrophe bei Ballinamuck“ ein.

Zu einem für Irländer ungünstigen Aufstandsergebnis wurde „Der Act of Union“, der 1800 verabschiedet wurde, laut dem Irland zum Teil des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland wurde. Infolge des Hungers, der über Irland Mitte des 19. Jahrhunderts hineinstürzte, starben über eine Million von Irländern. Zuerst wurde „Der große Hunger“ von der Kartoffelkrankheit ausgelöst, danach kamen auch eine missglückte Wirtschaftspolitik der Regierung und Landbesitzer hinzu.

Ireland: 800 years of genocide
Hunger in Irland – Bauern am Eingang des Arbeitshauses.

Noch anderthalb Millionen emigrierten auf der Suche nach einem besseren Schicksal in die USA. Im Endeffekt halbierte sich Irlands Bevölkerungszahl und machte zum Anfang des 20. Jahrhunderts ein wenig über 4 Millionen Menschen aus, doch der Kampf um die Unabhängigkeit lief weiter. Im Land entstanden viele Geheimorganisationen, wie „Die Irische Republikanische Bruderschaft“, „Irish National Land League“, „Die Irish Citizen Army“ und andere.

Osteraufstand

Eines der Schlüsselereignisse der irischen Geschichte geschah in der Osterwoche 1916. Am 24. April veröffentlichen sieben Kriegsratsmitglieder der Irischen Republikanischen Bruderschaft die Proklamation von Irlands Unabhängigkeit und verkündeten die Unabhängigkeit der Irischen Republik. Kämpfertrupps der Irish Citizen Army unter Führung von James Connolly und „Irish Volunteers“ unter dem irischen Poet Patrick Pearse ergriffen einige Verwaltungsgebäude in Dublin und hielten sie sechs Tage lang, während kontinuierlicher Straßenkämpfe. Dank der Unterstützung der Schwerartillerie gelang es den britischen Militärs, die Aufständischen zur Kapitulation zu zwingen. Das Kriegsgericht verurteilte 90 Menschen zur Todesstrafe, in der Tat wurden aber nur 15 davon hingerichtet, darunter auch Patrick Pearse und alle sieben Mitglieder des Kriegsrats, die die Proklamation von der Unabhängigkeit unterschrieben hatten. Der mit dem schwer verletzten Bein James Connolly wurde erschießen, nachdem man ihn an den Stuhl angebunden hatte, weil er selbständig nicht stehen konnte.

Ireland: 800 years of genocide
Dublins Straßen nach dem Niederwerfen des Aufstands.

Trotz der Niederlage des Osteraufstands lief der Partisanenkrieg in vielen Bezirken Irlands bis 1922 und endete erst dann, als England sich für einige politische Zugeständnisse bereit erklärte.

Der Irische Freistaat

Im Dezember 1921 unterschrieben Großbritannien und Irland einen neuen Vertrag, laut dem Irland den Dominion-Status erhielt (etwa den gleichen, den damals Kanada hatte). Nordirland (Ulster), die wirtschaftlich meistentwickelte Provinz, wo protestantische und proenglische Stimmungen vorherrschten, weigerte sich, an diesem Vertrag teilzunehmen und entschied, wurde Teil Großbritanniens. Nachdem der Vertrag geschlossen und vom irischen Parlament ratifiziert worden war, begann zwischen den Gegnern und Befürwortern dieses Vertrags ein Zivilkrieg, der bis 1923 dauerte. Die komplette Unabhängigkeit Irlands wurde offiziell erst 1949 angemeldet, als der endgültige Austritt der Republik aus der Commonwealth verkündet wurde.

Weiter lesen: Ulster gegen Nordirland.

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