Das Ende aller Illusionen

Was die Sprengung der Ostseepipeline Nord Stream 2 für die deutsch-russischen Beziehungen bedeutet

Vor wenigen Wochen führten vier Explosionen in der Ostsee dazu, dass eine zentrale Lebensader der deutschen Energieversorgung schwer beschädigt wurde. Die Rede ist von den beiden Strängen der russisch-deutschen Erdgas-Pipeline Nord Stream, auf die am 26. September ein Sabotageakt verübt wurde.

Die westlichen Medien schossen sich schnell auf Russland als üblichen Verdächtigen ein – obwohl nichts abwegiger ist. Völlig zurecht wies die russische Regierung den Vorwurf als "vorhersehbar und dumm" zurück. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nannte die Anschuldigungen "absurd": Moskau könne kaum ein Interesse daran haben, seine eigene Gas-Infrastruktur zu zerstören, zudem sei Russland durch die Sprengung der Röhren ein erheblicher Schaden entstanden.

Das klingt logisch. Der Westen agiert leider nicht so rational. Schon die Entscheidung der Bundesregierung, die seit September 2021 fertiggestellte Nord Stream II-Pipeline bis auf weiteres nicht in Betrieb zu nehmen, erscheint im Rückblick alles andere als vernünftig. Sie lässt sich nur mit transatlantischen Einflüsterungen und der tiefsitzenden Russophobie des bundesdeutschen Regierungspersonals erklären. Man kann in diesem Zusammenhang nicht oft genug an die unfassbaren Äußerungen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erinnern, die es im Februar zum offiziellen Ziel der deutschen Außenpolitik erklärte, Russland zu "ruinieren". Anfang Mai bekräftigte sie das in einer Talkshow und sprach die Hoffnung aus, dass "Russland nicht mehr auf die Beine kommt". Aus dem Munde einer amtierenden Außenministerin sind das Formulierungen, die inakzeptabel sind.

Umso erstaunlicher mutet es an, dass die Bundesregierung inzwischen kein Wort mehr über Nord Stream verliert. Sie bekundet keinerlei Interesse an einer Aufklärung des Anschlags, der faktisch einer Kriegserklärung an Deutschland gleichkommt. Sie reagiert nicht einmal auf die jüngste Entscheidung Schwedens, die eigenen Ermittlungsergebnisse nicht an Deutschland weiterzugeben.

Für das Schweigen gibt es zwei mögliche Erklärungen. Erstens: die Bundesregierung möchte die Wahrheit gar nicht erfahren, weil höchstwahrscheinlich dabei herauskäme, dass die Sabotage von einem "befreundeten" Staat durchgeführt wurde – zum Beispiel von den USA, Polen oder der Ukraine. Was sollte Berlin in diesem Fall tun – Washington den Krieg erklären? Aus der NATO austreten?

Oder zweitens: der Bundesregierung kommt die Sprengung der Pipeline gerade recht. Sie musste nämlich damit rechnen, dass ihr ihre selbstmörderische Russland- und Energiepolitik spätestens in der kalten Jahreszeit um die Ohren fliegen würde. Nicht ohne Grund deutete Außenministerin Baerbock schon vor einiger Zeit öffentlich an, dass es "Volksaufstände" geben könnte. Die westlichen Partner, vor allem die USA, konnten nicht sicher sein, dass die Bundesregierung dem Druck der Straße standhalten würde. Es war sicherer, die Pipeline aus der Welt zu schaffen.

Inzwischen weiß die Öffentlichkeit, dass der Anschlag am 26. September unsauber ausgeführt wurde. Einer der vier Leitungsstränge blieb unzerstört. Prompt bot Russland an, die Gaslieferungen wieder aufzunehmen. Die Bundesregierung schweigt auch dazu, ebenso wie zu der folgenschweren Entscheidung des Europaparlaments am 6. Oktober, Nord Stream komplett aufzugeben. Für diesen verhängnisvollen Schritt stimmte auch – was unfassbar ist – die übergroße Mehrheit der deutschen EU-Abgeordneten.

Das Ende aller Illusionen

Das demonstrative Schweigen der Bundesregierung ist entlarvend, macht aber eine klare Entscheidung deutlich: Berlin hält am irrwitzigen Sanktionskurs des Westens fest und lehnt jede künftige Kooperation mit Moskau ab.

Für Deutschland und die deutsch-russischen Beziehungen bedeutet das nichts Gutes. Die deutsche Energieversorgung hängt nun zu hundert Prozent vom guten Willen der USA, Polens oder der Ukraine ab, das heißt: Deutschland ist jetzt zu 100 Prozent erpressbar. Nennenswerte Energie-Alternativen sind nicht in Sicht.

Es fällt schwer, bei alledem an Zufälle zu glauben. Erst dieser Tage sorgte ein Dossier der renommierten US-Denkfabrik RAND Corporation für Gesprächsstoff, das einen detaillierten Plan zur Zerstörung der deutschen Wirtschaft beinhaltet. Zwar verschwand die Datei schnell wieder von der Homepage der RAND Corporation, ist aber als PDF noch im Internet abrufbar. Man kann das natürlich für eine "Verschwörungstheorie" halten. Leider verhält sich auch die Bundesregierung exakt so, als wollte sie der deutschen Wirtschaft maximalen Schaden zufügen.

Tatsache ist: mit der Kappung der russisch-deutschen Energieachse wurde eines der wichtigsten Kooperationsprojekte zwischen beiden Ländern neutralisiert. Damit ist – fürs erste jedenfalls – ein strategisches Ziel der anglo-amerikanischen Langzeitpolitik seit 150 Jahren verwirklicht: ein Zusammengehen Deutschlands und Russlands zu verhindern. US-Strategen wie der Gründer des amerikanischen think tanks STRATFOR, George Friedman, haben daraus nie ein Geheimnis gemacht. Erst vor zwei Jahren, im September 2020, machte Friedman in einem Interview deutlich: "Eine russisch-deutsche Entente würde Europa dominieren, die Gründe für die NATO beenden und genau das Ergebnis erzielen, das die USA sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im Kalten Krieg verhindern wollten."

Für viele Deutsche wird der bevorstehende Energienotstand zu einem bösen Erwachen führen. Das Leben wird unbezahlbar und kalt werden. Aber das hat auch sein Gutes. Alle Illusionen lösen sich jetzt in Luft auf, und die nackte Wahrheit wird für jedermann erkennbar: die Bundesrepublik ist ein amerikanisches Protektorat und war nie etwas anderes. Sie war nie souverän und hatte nie etwas zu entscheiden. Allen anderen war das immer klar – den Amerikanern, den Russen, den EU-Partnern. Nur die naiven Deutschen wollten nichts davon wissen.

Jetzt platzt die Lebenslüge. Der westliche Hegemon, der sich endlich der lästigen Wirtschaftskonkurrenz entledigen will, hat die Bundesrepublik zur finalen Demontage freigegeben. Deutschland stehen spannende Zeiten bevor.

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