Perverser Neo-Kolonialismus Und Abwanderung

Hat Deutschland genug Deutsche oder braucht es die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland?

Deutschland brauche Zuwanderung von Fachkräften, auch aus Drittstaaten, um die Wirtschaft am Laufen zu halten und den Lebensstandard zu sichern. – Diese Forderung wird von Parteien aller Couleur seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig wiederholt.

Kritiker dieses Ansinnens gibt es auch, doch ähneln sie eher einsamen Rufern in der Wüste, obgleich sie ein gewichtiges Argument vorzubringen haben. Es lautet: Fachkräfte-Klau. Einer der Mahner ist der an der Universität Bremen tätige Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang, der sich unter anderem mit dem Fachkräftemangel in der Pflege befaßt. Die Rede ist von rund 30.000 offenen Stellen allein in der Altenpflege. Und der Bedarf wird definitiv zunehmen.

So rechnen Rothgang und seine Mitarbeiter damit, „daß die Zahl der Pflegebedürftigen bis Mitte der 2050er Jahre im Vergleich zu heute um etwa 80 Prozent ansteigt“, wagte der Wissenschaftler in einem 2019 mit der „Nordsee-Zeitung“ (Bremerhaven) geführten Gespräch eine Vorausschau. Im darauffolgenden Jahr 2020 ging er in einem Interview mit demselben Blatt auch auf die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland ein. Rothgang wörtlich: „Das kann man wegen des aktuellen Notstands machen. Allerdings ist die demographische Alterung ein globales Problem, bei dem wir anderen Ländern lediglich ein bis zwei Dekaden voraus sind. Die höchste Zahl Pflegebedürftiger haben wir in gut 30 Jahren. Dann werden Pflegekräfte auch in anderen Ländern verstärkt benötigt. China ist zum Beispiel im Moment eines der am schnellsten alternden Länder. Ob dann die Fachkräfte von den Philippinen noch zu uns kommen, ist fraglich. Im Moment verschieben wir unser Problem also in Länder, aus denen diese Pflegekräfte kommen.“

Gleichfalls Klartext sprach bereits 2011 der Leverkusener Politiker und Rechtsanwalt Markus Beisicht, der es als „eine perverse Form von Neo-Kolonialismus“ bezeichnete, wenn „ein auf Profit orientiertes Gesundheitswesen in Europa … Pflegekräfte aus Indien oder den Philippinen“ abwirbt, „die dort dann fehlen“. Zudem ging Beisicht auf die Abwanderung gut ausgebildeter Deutscher ein: „Solange deutsche Ärzte und andere Fachkräfte, die mit unseren Steuergeldern hierzulande ausgebildet wurden, das Land verlassen, weil die Lebenssituation hier für sie ohne Zukunft ist, ist es eine Unverfrorenheit, ausländische Fachkräfte anzuwerben.“ Außerdem gefährde die Praxis der Anwerbung „die Entwicklung in vielen Ländern der Welt“

„Akademisierungswahn“

In der Tat verlassen Jahr für Jahr viele Deutsche ihre angestammte Heimat, weil sie die Nase voll haben von mieser Bezahlung, schlechten Arbeitsbedingungen und überbordender Bürokratie. 2021 waren es fast eine Million, und auch für die Jahre davor weist die Abwanderung ins Ausland durchaus dramatisch zu nennende Züge auf: 2012 kehrten 711.991 zumeist Deutsche der Bundesrepublik den Rücken; zwei Jahre später waren es mehr als 900.000, 2016 gar deutlich über eine Million. Die Abwanderung meist gut ausgebildeter Deutscher ist einer der Gründe für den Fachkräftemangel.

Ein weiterer liegt im Bildungssystem begründet: Es gibt schlicht und ergreifend zu viele junge Leute, die das Abitur ablegen und im Anschluß die Universität besuchen, wo viele dann versagen. Sie sind lebende Produkte eines „Bildungs“systems, das nur Methoden-, nicht aber Begabungsdefizite kennt. Der Philologenverband fordert mit Blick auf die weiterführende Schule Tests nach der 4. Klasse, wobei nicht mehr nur der Elternwunsch, sondern auch das Urteil der Lehrerschaft eine Rolle spielen solle. Den jetzigen Zustand bezeichnen Kreise des Handwerks als „Überakademisierung“ oder auch „Akademisierungswahn“. Kein Wunder bei einer Abiturientenquote von 35 oder 40 Prozent. Fachleute halten eine Quote von 20 Prozent für ausreichend, wodurch mehr junge Menschen für Handwerk und Industrie zur Verfügung stehen würden.

Ein gutes Reservoir an potentiellen Fachkräften bilden auch Heer, Luftstreitkräfte und Marine. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei dem Berufsförderungsdienst (BFD) der Streitkräfte zu, einem Bereich, der in der ansonsten von Pleiten und Pannen erschütterten Bundeswehr noch vernünftig funktioniert. Bereits 2019 hatte der BFD Ansprechpartner bei rund 5000 Unternehmen, die Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Praktika für ausscheidende Soldaten anbieten.  

Perverser Neo-Kolonialismus Und Abwanderung

Der Pflegeberuf muß durch eine solide Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen so attraktiv gestaltet werden, daß – zumindest langfristig – die An- bzw. Abwerbung ausländischer Kräfte entfallen kann. Weitere Potentiale bestehen auf den Gebieten der Weiterbildung und Umschulung. Wie zu hören war, will die derzeit regierende Ampel-Koalition den Fokus stärker auf die Qualifizierung Arbeitsloser legen, ein Aspekt, der in den vergangenen Jahren eher stiefmütterlich behandelt worden ist. Die Umschulungen sollten dann aber auch prämiert werden, wie es der berühmte Naturwissenschaftler und Techniker Prof. Manfred von Ardenne (1907-1997) im November 1989 während einer in der DDR-Volkskammer gehaltenen Rede gefordert hat. Denn es ist für einen Menschen, der die 30 bereits überschritten hat, nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, sich für zwei oder drei Jahre noch einmal auf die Schulbank zu setzen.

Zuwanderung und Ökologie

Welche Auswirkungen die Digitalisierung haben wird, bleibt abzuwarten. Der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg legte 2017 eine Studie mit dem Titel „Digitalisierung als Herausforderung für die Weiterbildungspolitik“ vor. Darin kommt er u. a. zu der Einschätzung, daß in den kommenden zwei, drei Jahrzehnten etwa die Hälfte der Berufe davon bedroht ist, durch Maschinen ersetzt zu werden. Als davon besonders betroffene Bereiche benennt er Berufe des Bankensektors, die Verwaltung sowie die Logistik.

Die Volkswirtschaftler Carsten Brzeski und Inga Burk gelangten im Zuge ihrer Forschungen 2015 zu dem Ergebnis, daß in den kommenden zehn Jahren 59 Prozent der in Deutschland tätigen Beschäftigten von einem Computer abgelöst werden könnten. Andere üben Kritik an dieser Pauschalisierung, da sie Berufe als Ganzes ansähe. Vielmehr sei eine Differenzierung erforderlich, da nur einzelne Tätigkeiten innerhalb der Berufe von Maschinen ersetzt würden. Sicher ist jedoch die Neuausrichtung von Tätigkeitsprofilen, wodurch Umschulungen notwendig werden.

Vor diesem gesamten Hintergrund sei die ketzerische Frage erlaubt, ob Zuwanderung – noch dazu von meist analphabetischen, unausgebildeten und unmotivierten Menschen mit überproportional ausgeprägter krimineller Energie aus kulturfremden Regionen – auf breiter Front, wie von Politik und Wirtschaft gefordert, überhaupt erforderlich ist.

Wer sich mit der Fachkräfte-Problematik befaßt, könnte eventuell noch auf eine vieldiskutierte Frage stoßen: Ist die Bundesrepublik Deutschland ein Einwanderungsland?

Perverser Neo-Kolonialismus Und Abwanderung

Auf den ersten Blick: ja! Denn eingewandert wird nach Deutschland seit Hunderten von Jahren: Hugenotten, Salzburger Protestanten, Schotten und Niederländer wurden von den Preußenkönigen ins Land geholt, Italiener und Polen im Kaiserreich. Auch Exoten gab es, beispielsweise seit den 1880er Jahren indische Befreiungsnationalisten, die in der Reichshauptstadt Berlin lebten. Und als nach dem Bau der Mauer im August 1961 der Fachkräftezustrom aus der DDR nach Westdeutschland versiegte, kamen die Gastarbeiter: neben Italienern und Türken Portugiesen, Spanier sowie Kroaten und Serben. Nach 1970 konnten sie ihre Familienangehörigen „nachholen“. Der Asylansturm, flankiert von einer sehr großzügigen Aufnahmepraxis, sorgte für einen weiteren Bevölkerungszuwachs auf deutschem Boden mit dem Ergebnis, daß mittlerweile 25 Prozent der auf BRD-Territorium lebenden Menschen einen sogenannten „Migrationshintergrund“ haben. 

Doch ist die BRD damit ein Einwanderungsstaat? Mitnichten! Denn ein entscheidender Faktor dafür ist das zur Verfügung stehende Territorium im Verhältnis zur Bevölkerungszahl. Die USA beispielsweise verfügen über eine Fläche von 9.525.067 Quadratkilometern, auf denen laut Zensus 2020 etwas mehr als 330 Millionen Menschen lebten. Die Bevölkerungsdichte beläuft sich auf 33 Einwohner pro Quadratkilometer. Die BRD nimmt sich dagegen wie ein schmächtiger Zwerg aus. Denn deren Fläche beträgt – bei einer Einwohnerzahl von rund 85 Millionen – lediglich 357.588 Quadratkilometer. In diesem Raum türmen sich die Menschen förmlich. Beträgt doch die Bevölkerungsdichte 236 Einwohner pro Quadratkilometer. 

Es gleicht einem Treppenwitz der politischen Ideengeschichte, daß gerade die Grünen, die vorgeben, ökologische Belange zu vertreten, am liebsten jeden Flüchtling aufnehmen würden. Das hätte die Versiegelung weiterer Flächen zur Folge, da für die Neuankömmlinge Wohnungen und soziale Einrichtungen benötigt werden. Nicht zu vergessen ist der Ressourcenverbrauch. Zuwanderung und Ökologie sind also nicht voneinander zu trennen, wobei es vollkommen gleichgültig ist, ob es sich bei den Migranten um Leute mit Berufsabschluß, Ungelernte oder um Analphabeten handelt.

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