Verblaßte Macht III – Die Wettiner

Über 800 Jahre waren die Wettiner ein Faktor der sächsisch-deutschen Geschichte – Aber das Ende war absehbar

Motto: „Adel ist kein Anspruch, sondern eine Verpflichtung!“

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Die Stammburg des Hauses, die Burg Wettin bei Halle an der Saale.

Das Fürstenhaus der Wettiner ist mit über 1000 Jahren Familiengeschichte eines der ältesten urkundlich nachgewiesenen deutschen Adelsgeschlechter. Ihren Namen führt die Dynastie auf die Burg Wettin in der Nähe von Halle an der Saale zurück. Über mehr als 800 Jahre hinweg stellten die Wettiner Markgrafen, Kurfürsten und Könige und regierten das Gebiet des heutigen Sachsen, Teile Thüringens sowie der Lausitz.

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Wappen der Wettiner als Herzöge und Könige von Sachsen.

Als Begründer der Familie gilt Markgraf Konrad im 12. Jahrhundert, mit dem die wettinische Landesherrschaft in Sachsen begann. 1125 wurde er durch den deutschen Kaiser Heinrich V. offiziell mit der Markgrafschaft Meißen belehnt. 1127 erreichte er, daß die Markgrafenwürde seinem Haus als erblich zufiel. Damit war der Aufstieg des Geschlechtes in den Kreis der führenden deutschen Adelsfamilien gesichert. Die nächste Station auf dem Weg an die Spitze war 1423 die Erlangung der sächsischen Kurwürde. Fortan gehörten die Wettiner zu den ranghöchsten Fürsten, die zur Wahl des römisch-deutschen Königs berechtigt waren.

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Konrad von Meißen, genannt „der Große“ oder „der Fromme“, (* um 1098; † 5. Februar 1157 im Kloster auf dem Lauterberg) war Graf von Wettin, ab 1123 Markgraf von Meißen und ab 1136 der Mark Lausitz. Er wurde als Sohn des Grafen Thimo von Wettin und dessen Gattin Ida von Northeim geboren. – Ausschnitt aus dem Dresdner Fürstenzug.

1485 erwuchsen aus der sogenannten „Leipziger Teilung“ zwei Hauptlinien der Familie – die ernestinische, deren Ländereien hauptsächlich im heutigen Thüringen lagen, und die albertinische mit Landbesitz vor allem im heutigen Sachsen.

Während der im 16. Jahrhundert ausbrechenden Glaubenskämpfe bot der ernestinische Kurfürst Friedrich der Weise dem Reformator Martin Luther auf der Wartburg über Eisenach sicheres Asyl vor der Verfolgung durch Kaiser Karl V. Dadurch gerieten die Ernestiner jedoch in einen Gegensatz zu ihren albertinischen Verwandten, die weiterhin der kaiserlich-katholischen Seite die Treue hielten. Zu größeren kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Zweigen der Familie kam es aber in der Folgezeit nicht mehr. Beide Linien arrangierten sich mit der Situation. Die Kurwürde und der größte Teil des territorialen Besitzes ging noch im 16. Jahrhundert auf die albertinische Linie über.

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Friedrich III. oder Friedrich der Weise von Sachsen (* 17. Januar 1463 in Torgau; † 5. Mai 1525 in Lochau) war von 1486 bis zu seinem Tod 1525 Kurfürst von Sachsen. Porträt um 1500 von Albrecht Dürer.

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Schloß Hartenfels in Torgau, die Hauptresidenz Friedrichs des Weisen.

Die Ernestiner behielten demgegenüber lediglich kleinere Gebiete im heutigen Thüringen, die sich bald in zahlreiche noch kleinere Herrschaften aufsplitterten. Aus ihnen gingen später u. a. die Herzöge von Sachsen-Coburg und Gotha, die Könige von Belgien (seit 1831) und die Zaren von Bulgarien (1908 – 1946) hervor. Die albertinische Linie regierte zeitweise (unter König August II. dem Starken und König August III. bis 1763) auch Polen, erhielt 1806 von Napoleon die Königswürde verliehen und hatte diese bis 1918 inne. Derzeit ist der belgische König Philipp der letzte regierende Monarch ernestinischer Abstammung.

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Das Wappen des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha.

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Die Veste Coburg (auch „Fränkische Krone“ genannt), eine zur Festung ausgebaute mittelalterliche Burganlage, überragt die Stadt Coburg im oberfränkischen Grenzgebiet zu Thüringen. Sie hat eine Ausdehnung von etwa 135 mal 260 Metern und ist sehr gut erhalten.

Das Adelshaus Sachsen-Coburg und Gotha erlebte seine Glanzzeit im 19. Jahrhundert als es durch Diplomatie und geschickte Heiratspolitik zur bedeutendsten Dynastie weltweit aufstieg. Die sogenannten „Coburger“ waren mit fast allen europäischen Fürstenhäusern eng verwandt und stellten die Regenten der vier Königshäuser Belgien, Portugal, Großbritannien und Bulgarien. Otto von Bismarck nannte das Haus Coburg auch „das Gestüt Europas“.

Das ernestinische Haus Sachsen-Coburg und Gotha regiert seit 1901 in Großbritannien und löste in jenem Jahr die seit 1714 bestehende britische Regentschaft der ebenfalls deutschen Königsdynastie Hannover ab, letztere ist die jüngere Linie des uradeligen, seit dem 8. Jahrhundert urkundlich nachgewiesenen ursprünglich fränkischen Welfengeschlechtes. König Georg V. änderte den Namen seines Königshauses auf politischen Druck während des Ersten Weltkrieges im Jahre 1917 um in Haus „Windsor“, um die Zugehörigkeit zum deutschen Adel zu verbergen.

„Proklamation des neuen Namens ‚Windsor‘ für das britische Königshaus und die königliche Familie vom 17. Juli 1917. Verkündet wird auch, daß alle Titel und Würden etc. (Degrees, Styles, Dignities, Titles and Honours sowie Appellations) der Herzöge und Herzoginnen von Sachsen, Prinzen und Prinzessinnen von Sachsen-Coburg und Gotha sowie alle anderen deutschen Titel abgelegt werden. In Coburg-Gotha war Herzog Carl Eduard seinem Vetter in London schon zuvorgekommen. Bereits am 10. Juli 1917 ließ er aus dem Hausgesetz vom 1. März 1855 die auf Prinz Albert und seine Nachkommen bezogenen Nachfolgeregelungen kurzerhand per Nachtrag streichen (Art. 6 und 7). Die gesetzlich erfolgte Streichung wurde auch konkret von Hand nachvollzogen. Ab diesem Zeitpunkt führte Carl Eduard nur noch den Titel ‚Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha‘.“ (Dr. Silvia Pfister: Haus Windsor 1917 – 2017 – Ausstellung im Foyer der Landesbibliothek Coburg; Landesbibliothek Coburg, 2017, S. 5 f.)

Der letzte sächsische König Friedrich August III. dankte 1918 im Zuge der Novemberrevolution ab. Den roten Revoluzzern soll er in tiefstem Sächsisch zugerufen haben: „Macht euern Dreck alleene!“ Die Herrschaft der Wettiner ging damit nach 829 Jahren zu Ende.

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Friedrich August III. (* 25. Mai 1865 in Dresden; † 18. Februar 1932 auf Schloß Sibyllenort) aus der Linie der albertinischen Wettiner war von 1904 bis zu seiner Abdankung am 13. November 1918 letzter König von Sachsen. Im Zuge der Novemberrevolution dankte er am 13. November 1918 ab und zog sich auf seinen schlesischen Privatbesitz Schloß Sibyllenort zurück. Zu den Trauerfeierlichkeiten in Dresden erwiesen ihm mehr als eine halbe Million Menschen die letzte Ehre.

Bis heute gelten die Sachsen unter den deutschen Stämmen als besonders bodenständig. Auch das traditionelle Herrscherhaus, die Wettiner, erfreut sich bis heute größerer Sympathien als die früheren Herrscherfamilien anderer deutscher Teilstaaten. 2002 führte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) eine Umfrage durch und förderte dabei ein erstaunliches Ergebnis zutage: 60 Prozent der befragten Bürger in Sachsen konnten sich die Rückkehr zur Monarchie vorstellen – natürlich mit einem Wettiner an der Spitze.

Als Kronanwärter wäre damals der Chef des Hauses, der 1953 geborene Rüdiger Prinz von Sachsen Herzog zu Sachsen Markgraf von Meißen in die engere Wahl gekommen. Er ist ein Ur-Enkel des letzten sächsischen Königs, kam nach der Jahrtausendwende aus Westdeutschland nach Sachsen zurück und baute ein großes Waldimperium auf. Er überließ seine Position als Oberhaupt der Familie vor wenigen Jahren seinem Sohn Daniel, der seit 2007 die Wettinische Forstverwaltung leitet. Prinz Daniel lebt mit seiner Familie in Moritzburg unweit von Dresden.

Wie alle anderen deutschen Fürstengeschlechter so verfügen auch die Wettiner heute über keinerlei politischen Einfluß mehr. Nichtsdestotrotz sind sie allein durch die zahlreichen Baudenkmäler, die die Familie über die Jahrhunderte errichtet und der Nachwelt hinterlassen hat, noch sehr präsent.

Überhaupt sorgt der umfangreiche Familienbesitz immer wieder für Schlagzeilen. Erst 2014 kam es zu einem endgültigen Vergleich zwischen dem Haus Wettin und dem Freistaat Sachsen, bei dem es um das üppige Familienerbe ging: rund 7200 Bücher, Handschriften, Drucke sowie 2000 Kunstgegenstände, die nach dem Zweiten Weltkrieg zum Teil in die Sowjetunion verschleppt und erst nach und nach wieder an Deutschland zurückgegeben wurden. Mindestens 200.000 Bücher lagern allerdings noch immer in Moskau. Gegen die Zahlung von 4,82 Millionen Euro verzichtete die Familie auf ihre Eigentumsansprüche und überließ den Großteil des wertvollen Erbes dem sächsischen Staat und damit der Öffentlichkeit.

In den letzten Jahren machte die Familie nicht zuletzt durch öffentlich ausgetragene Streitigkeiten von sich reden. Kinderlosigkeit und Tod haben die Reihen des Hauses Wettin mittlerweile stark gelichtet. Es herrscht Unklarheit darüber, wer heute legitimes Familienoberhaupt ist. Hinzu kommt, daß es nach alter Überlieferung ein Adliger sein muß – aber seit 1918 ist die Erblichkeit des Adels in Deutschland abgeschafft, und neue Erhebungen in den Adelsstand gibt es nicht mehr.

Einer der letzten noch lebenden Kandidaten, der in Frage kommt, ist Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach. Der heute 76jährige residiert im westdeutschen Mannheim, hat allerdings keinerlei Ambitionen auf den Vorsitz der unübersichtlich gewordenen Familie. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) sagte er vor Jahren in einem Interview: „Ich halte nichts von historischem Fasching.“ Deutschland hätte es wie Österreich machen und alle Adelstitel generell abschaffen sollen – dann hätte man heute nicht ständig Streß mit „Sumpfblüten“, also eingeheirateten Sprößlingen, die keine Adligen sind und deshalb eigentlich auch gar nicht zur Familie gehören.

Im übrigen gelte: „Adel ist kein Anspruch, sondern eine Verpflichtung!“ Im Hause Wettin fühlt sich aber offenbar niemand mehr angesprochen. Damit dürfte es mit einem der ältesten deutschen Adelshäuser nun bald zu Ende sein. – Diesmal endgültig.

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