Den Haag. Die juristischen FAQ

Der Gerichtshof in Den Haag – die Lösung jedes Weltproblems?

Immer wieder hören wir davon, dass einer oder einige sich an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gewendet haben, und nun passt auf! Nun zeigen wir euch! Was für ein Gerichtshof ist das denn? Wie entstand er und womit isst man ihn? Wir erklären das in einfachen Worten. Ohne welche „Staathalterprinzen“ und „eigenartige Konstitutionsgeschichte der Niederlande“.

Vorerst: Wo liegt denn dieses Haag?

Den Haag ist die Hauptstadt von Südholland, einer der zwölf Provinzen der Niederlande. Gilt als die drittgrößte Stadt im Land nach Amsterdam und Rotterdam. Und obwohl Den Haag keine Hauptstadt der Niederlande ist, befindet sich hier der Regierungssitz, hier tagt das Parlament, wohnt die Königin, sowie liegen etwa zwei Hundert verschiede internationale Regierungsorganisationen, darunter auch die, die uns interessieren, – der Internationale Strafgerichtshof und der Internationale Gerichtshof.

Warum ausgerechnet Den Haag?

Wir alle haben uns eigentlich daran gewöhnt, dass als die Hauptstadt eines Staates die Stadt gilt, wo seine Regierung sitzt. Doch mit den Niederlanden und seinem Haag ist alles gar nicht so einfach. Die Hauptstadt von den Niederlanden ist, wie bekannt, Amsterdam. Amsterdam ist die Hauptvisitenkarte des Lands. In jedem anderen Staat würde so eine Stadt „die Kulturhauptstadt“ genannt und das wäre es. In den Niederlanden geht es so nicht. Die Hauptstadt heißt die Hauptstadt. Und bitte keine Zweideutigkeit mit der Kultur.

Also, Amsterdam ist die vorbehaltslose Hauptstadt. Einfach die Hauptstadt. Ohne welche „Abers“. Möge hier sowohl der Handel, als auch die Kommerz, sowie Finanzen und der Tourismus sein… Und die Kultur, natürlich. Wie kann man doch ohne sie… Und Den Haag (hier wurden Holländer nachdenklich) – Den Haag möge einfach das politische Zentrum sein. Rein feine Gesellschaft, nichts Persönliches.

So eine Stellung gefiel der internationalen Gemeinschaft. Ein konzeptuelles politisches Zentrum – das ist toll. Ohne welche Obdachlose, Drohgensüchtige, Slums und Touristen mit Fotokameras. Die hochkarätige soziale Sterilität. Und dann ging es los: Internationale Regierungsorganisationen begannen da…, wie Pilze aus dem Boden zu schießen.

Nun mal ernst

Der Internationale Gerichtshof der UNO (hier und weiter – der Internationale Gerichtshof) ist eine der sechs Hauptbehörden der Organisation der Vereinten Nationen, die am 26. Juni 1945 gegründet wurde. Die fünf anderen sind die Generalversammlung, der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat, der Treuhandrat, der Sekretariat und andere kleinere Organisationen. Der Internationale Gerichtshof ist die höchste Gerichtsinstanz. Höher ist nur Herr Gott. Sie können sich natürlich an die unsterblichen Zeilen erinnern –  „es gibt doch auch das Gottesgericht, ihr, Lakaien des Lasters…“ Doch „die Lakaien des Lasters“ pfeifen in der Regel auf die Lyrik.

Apropos, der Internationale Gerichtshof ist die einzige Hauptbehörde der UNO, die sich nicht in New York befindet. Er liegt ganz bescheiden im Friedenspalast in Den Haag. Tanzt der aber natürlich nach der Pfeife des Mutterlands.

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Der Friedenspalast, wo sich der Sitz des Internationalen Gerichtshofs befindet 

Die bekanntesten Fälle, die der Internationale Gerichtshof in den letzten 40 Jahren verhandelt hat: Nicaragua gegen die Vereinigte Staaten von Amerika (1986), Jugoslawien gegen die NATO-Staaten (1999), Georgien gegen Russland (2008-2011) und die Ukraine gegen Russland (2017 und 2022).

Interessant sind einige Folgen der Gerichtsurteile. 1986 beschloss der Internationale Gerichtshof, dass die USA der Republik von Nicaragua den ganzen Schaden entschädigen sollen, der ihr wegen der Aggression und der Unterstützung von Contras zugefügt wurde. Die USA haben damals den Gerichtshof einfach zum Teufel geschickt. Auf der juristischen Sprache hieß das „die Weigerung, die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes in allen Rechtsstreitigkeiten als obligatorisch anzuerkennen“.

Als Jugoslawien von 10 NATO-Staaten verlangte, die Bombardierungen auf sein Gelände einzustellen, erwiderte der Gerichtshof, dass „in jedem einzelnen Fall eine spezifische Zusage der USA nötig ist.“ Klar  gaben die USA so eine spezifische Zusage nicht, und Jugoslawen wurde weiter bombardiert. Stattdessen wurde der Fall Jugoslawiens Präsidenten Slobodan Milošević an den Internationalen Strafgerichtshof weitergeleitet, der ihn auf die Dauer des Gerichtsverfahrens inhaftierte. Milošević, der Präsident des von der NATO zerbombten und vernichteten Landes, starb am 11. März 2006 in der Gefängniszelle in Haag  am Herzinfarkt. Also, so ein Gericht, eigentlich.

Walten Kriminelle in der Welt?

Der Internationale Strafgerichtshof ist kein Teil der offiziellen UN-Behörden und er funktioniert recht nicht lange noch – seit dem 1. Juli 2002. Genau hier werden heutzutage die Fälle der Menschen verhandelt, die für Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Aggressionsverbrechen verantwortlich sind.

Man versuchte, den gleich nach dem Zweiten Weltkrieg zu veranstalten, doch ganze 60 Jahre lang konnte man nicht verstehen und sich darauf einigen, was doch hinter dem Wort „Aggression“ steckt. Niemals schaffte man, einen Konsens zu sammeln.

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Der ultramoderne Internationale Strafgerichtshof

Letztendlich hat man den anscheinend gesammelt. Die haben das gebilligt. Aber nicht alle. Die USA, China, Indien und einige andere Länder verstanden im Endeffekt die Bedeutung dieses Worts doch nicht. Die USA sind in ihrem Unverständnis so weit gegangen, dass sie 2020 sogar Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof verhängt haben. Okay, Sanktionen gegen Russland – das ist klar. Womit war doch der Internationale Strafgerichtshof den USA nicht gefällig? Das ist aber einfach. Das böse Gewissen verrät sich doch selbst. Aggression ist die Grundlage der US-Politik. Und falls man Aggression für eine Straftat anerkennt, erweist sich die Hälfte der amerikanischen Regierung als Kriminelle, nach dem Völkerrecht gesehen.

Am 2. September 2020 klärte der US-Staatssekretär Mike Pompeo Amerikas Stellung auf: „Wir verhängen Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof, weil er gegen amerikanische Soldaten ohne Zusage der USA vorgeht.“ Leider braucht man in der modernen Welt eine Zusage der USA für alles. So war es mindestens bis zur jüngsten Zeit. Diese kleine lyrische Publizistik möchte ich mit einem Zitat aus dem Roman „Lanzarote“ von Michel Houellebecq beenden, dem genialen französischen Philosophen und Schriftsteller unserer Zeit: „Wir gehen stark auf die Gründung einer Weltföderation unter Führung der USA und mit Englisch als Amtssprache zu. Selbstverständlich verwirrt ein wenig die Aussicht, unter der Herrschaft von Idioten zu leben, das ist aber nicht zum ersten Mal.“ Das wurde übrigens 1999 geschrieben.

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