Verblaßte Macht I – Die Hohenzollern und die Habsburger

Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges ist die Monarchie in Deutschland abgeschafft. Was macht der Adel heute?

Die Deutschen sind kein revolutionäres Volk. Zu keiner Zeit haben sie ihre Könige mit Gewalt vom Thron gestoßen oder ihnen gar den Kopf abgeschlagen. Als nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg die Monarchie vorbei war – weil es einflußreiche Kreise im Lager der Entente so wollten –, konnten die gekrönten deutschen Häupter in aller Ruhe zurücktreten oder ins Exil gehen. Niemand tat ihnen körperlich etwas zuleide.

So wurde dem bayerischen König Ludwig III. am 7. November 1918 auf einem Spaziergang in München geraten, er solle wegen der drohenden Revolution besser nach Hause gehen. Und in Sachsen verzichtete der letzte König Friedrich August III. mit dem berühmt gewordenen Wort auf den Thron: „... dann macht doch euern Dreck alleene!“ Demokraten und Parteien sollten sich fortan den Kopf über Deutschlands Schicksal zerbrechen.

Die neugegründete Weimarer Republik schaffte 1919 den Adel mitsamt seinen Privilegien kurzerhand ab. Den Anfang machte Preußen. Im Juni 1920 wurde dort das „Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels“ verabschiedet. Aber viel war ohnehin nicht mehr aufzuheben – feudale Privilegien wie Jagdrecht, eigene Gerichtsbarkeit, eigenes Erbrecht oder Freistellung von der Wehrpflicht gab es schon im Kaiserreich nicht mehr. Jetzt wurden auch die erblichen Adelstitel abgeschafft. Aber das war auch schon alles. Von weitergehenden Sanktionen, etwa kompletten Enteignungen oder einer Bodenreform, blieben die deutschen Fürstenhäuser verschont.

So überlebten die beiden führenden deutschen Adelsgeschlechter, die preußischen Hohenzollern und die österreichischen Habsburger, unbehelligt bis in unsere Tage. Nach der Abdankung des letzten deutschen Kaisers, Wilhelms II., verloren die nach ihrem Stammsitz, der Burg Hohenzollern in Schwaben, benannten Hohenzollern in Deutschland ihre politische Macht. Es gibt aber immer noch eine Reihe von Mitgliedern der Familie, die in der Öffentlichkeit präsent sind und Wohltätigkeitsorganisationen unterstützen oder kulturelle Aktivitäten fördern. So setzt sich Georg Friedrich Prinz von Preußen (geb. 1976), das heutige Oberhaupt der Familie, für den Erhalt und die Restaurierung historischer Gebäude in Berlin und anderen Teilen Deutschlands ein.

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Die Burg Hohenzollern, die Stammburg des Fürstengeschlechts und ehemals regierenden preußischen Königs- und deutschen Kaiserhauses der Hohenzollern, liegt auf einem 855 Meter hohen, isolierten Bergkegel.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde er aufgrund seiner umfangreichen Entschädigungsforderungen gegen die Bundesrepublik Deutschland bekannt. Monarchisten – die es durchaus auch heute noch gibt – halten ihn für den geeignetsten Anwärter auf einen eventuellen preußischen oder deutschen Thron. Er selbst freilich sagt, daß er keinerlei politische Rolle für sich anstrebe. Georg Friedrich Prinz von Preußen ist unter anderem Mitglied des Stiftungsrates der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Sein Großvater hingegen, Louis Ferdinand von Preußen (1907–1994), der zweitälteste Sohn des Kronprinzen Wilhelm und seiner Gemahlin Herzogin Cecilie zu Mecklenburg-Schwerin, hat als Enkel Kaiser Wilhelms II. nie einen Zweifel daran gelassen, daß er bei einer Restauration der Monarchie für das Amt des Kaisers zur Verfügung stünde.

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Der Ur-Ur-Enkel Kaiser Wilhelms II., Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen (* 10. Juni 1976), ist Major d. R. der deutschen Gebirgsjäger und seit 1994 Oberhaupt der brandenburgisch-preußischen Linie des Hauses Hohenzollern.

Sein Cousin, Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen (1939 – 2015), hat sich vor allem als Historiker einen Namen gemacht und zahlreiche Monographien über preußische und deutsche Themen veröffentlicht. Auch andere Familienmitglieder waren bevorzugt in der Kultur- und Kunstszene aktiv. So rief etwa Kira Prinzessin von Preußen (1943 – 2004) noch kurz vor ihrem Tod eine Musik- und Kulturstiftung ins Leben und war Mitglied im Kuratorium der Musikfestspiele in Bad Kissingen.

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Kira Auguste Viktoria Friederike Prinzessin von Preußen (* 27. Juni 1943 in Cadinen/Ostpreußen; † 10. Januar 2004 in Berlin) war die zweitälteste Tochter von Louis Ferdinand von Preußen (1907–1994) und dessen Gemahlin, der früheren russischen Großfürstin Kira Romanowa (1909–1967).

Ein ähnliches Bild bietet die andere ehedem führende deutsche Adelsdynastie, die Habsburger. Die Anfänge des Geschlechts lassen sich bis ins 11. Jahrhundert in den heutigen Schweizer Kanton Aargau zurückverfolgen; im Laufe der Jahrhunderte wurde es zu einem der wichtigsten europäischen Fürstenhäuser. Fast 700 Jahre lang – mit Unterbrechungen – lenkten die Habsburger die Geschicke des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und später des Österreichischen Kaiserreiches. Unter der Führung Kaiser Maximilians I. wurde Habsburg im 16. Jahrhundert zur mächtigsten Dynastie Europas.

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Die Habsburg liegt als eine Gipfelburg im Kanton Aargau in einer Höhe von 505 m ü. M. auf dem lang gestreckten Hügelkamm des Wülpelsbergs.

Nach dem Ersten Weltkrieg leistete der letzte Kaiser Karl I., der gleichzeitig König von Ungarn, Kroatien und Böhmen war, Verzicht auf jedwede Beteiligung an den Regierungsgeschäften und ging ins Exil. 1922 starb er auf der Insel Madeira. 2003 wurde er als Ultramontaner vom damaligen Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

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Karl I. (* 17. August 1887 auf Schloß Persenbeug; † 1. April 1922 in Funchal, Madeira/Portugal) aus der Dynastie Habsburg-Lothringen war von 1916 bis zu seinem Verzicht auf „jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ 1918 letzter Kaiser von Österreich. Als Karl IV. (ungarisch IV. Károly, kroatisch Karlo IV.) war er zugleich König von Ungarn und Kroatien und als Karl III. (tschechisch Karel III.) König von Böhmen.

Inzwischen ist die Macht der Habsburger Geschichte. Nach dem Tode Otto von Habsburgs, des ältesten Sohnes Karls, im Juli 2011 blieben der weitverzweigten Dynastie Ländereien, Immobilien und touristische Attraktionen im Wert von rund 100 Millionen Euro. Nur in Österreich verfügt die „kaiserliche Linie“ um Otto Habsburg und seinen Sohn, den derzeitigen Familienchef Karl, über so gut wie keine Besitztümer mehr. Otto und Karl suchten ihre Bestimmung in der Politik und saßen beide im Europaparlament.

Lediglich die „toskanische“ Linie der Familie – die Trennung erfolgte 1790 – verfügt heute noch über mehrere tausend Hektar Grund sowie prestigeträchtige Liegenschaften wie die Kaiservilla im österreichischen Bad Ischl.

Die meisten der rund 430 lebenden Habsburger, von denen rund 280 ihren Wohnsitz in Österreich haben dürften, sind heute in normalen Berufen tätig. Sie sind Banker, Beamte, Diplomaten, Computertechniker und Werbefachleute. Mit ihren adligen Kollegen aus den Häusern Esterházy oder Mayr-Melnhof können sie wirtschaftlich nicht mehr mithalten.

Die geschäftlichen Aktivitäten von Familienoberhaupt Karl Habsburg sind vergleichsweise bescheiden. Er ist über die Firma BG Privatinvest am bulgarischen Sender „TV Europe“ und über Stevia Communications an einem Printmedien-Projekt in Bulgarien beteiligt. Karls Bruder Georg (geb. 1964) ist in Ungarn als Medien-Manager im TV-Geschäft tätig und war ungarischer Sonderbotschafter bei den EU-Beitrittsverhandlungen. Er ist Präsident des ungarischen Roten Kreuzes und hatte als Taufpaten den einstigen Papst Paul VI.

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Karl von Habsburg-Lothringen (* 11. Januar 1961 in Berg am Starnberger See) ist seit 1986 Präsident der Paneuropa-Bewegung Österreich und seit 1994 Mitglied des Präsidiums der Paneuropa-Union. Als der älteste Sohn von Otto von Habsburg, dem letzten Kronprinzen von Österreich-Ungarn, und dessen Frau Regina, geborene Prinzessin von Sachsen-Meiningen, ist er seit dem 1. Januar 2007 das Oberhaupt der Familie Habsburg.

Was heute vom habsburgischen Doppeladler noch übrig ist, ist sein Mythos. Er öffnet den Mitgliedern der Familie noch immer manche Türen. Einige von ihnen, die mit ihrem Namen kokettieren, sorgen zuweilen immer noch für Schlagzeilen. Aber der Traum von einer Rückkehr an die Macht – wie er von einigen ehemaligen Herrschern in Südosteuropa zeitweise erwogen wurde – ist ausgeträumt.

Auch Habsburg ist Vergangenheit.

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