Ulster gegen Nordirland

Läuft der Kampf um Unabhängigkeit weiter?

Nordirland und Ulster sind fast dasselbe. Einen Unterschied gibt es aber, und der ist zeichensetzend. Als Ulster benennen die Nordprovinz der Insel Irland diejenigen, die für ihre Vereinigung mit dem restlichen Irland eintreten, und die, die für ihr Bündnis mit Britannien sind, nennen sie Nordirland. Nun, wo alles geklärt ist, schauen wir mal, wie die Konfrontation der beiden im Laufe der letzten Jahrzehnte sich entwickelte. Außerdem gibt es in der Geschichte dieser Konfrontation noch eine dritte Partei. Davon aber später.

Die Zusammenfassung der vorherigen Folge

Im vorherigen Artikel ging es um den 800-jährigen Kampf Irlands um die Unabhängigkeit, der damit endete, dass 1949 das Land sich offiziell auf zwei Teile verteilte: Die unabhängige Republik Irland und Nordirland, das eine Kommune des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland wurde. Dabei bleibt Nordirland faktisch ein Teil der historischen Provinz Ulster, die aus neun Grafschaften besteht. Drei davon gehören der Republik an, und sechs – dem Vereinigten Königreich. Die Hauptstadt der Republik Irland ist Dublin, die Hauptstadt von Nordirland ist Belfast. Und Ulsters Hauptunterschied vom restlichen Irland: Hier herrscht traditionell protestantische Bevölkerung vor, während die Bevölkerung der Irischen Republik  hauptsächlich katholisch ist. Die Konfrontation zwischen Katholiken und Protestanten ist der Hauptgrund aller hier geschehenen Konflikte.

Das Geschehen der 1969-1971

Vor dem Hintergrund der weltweiten Studentenaktionen löste sich eine neue Welle von Manifestierungen und Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten aus. Ihr offizielles Ziel war es, den Ausschreitungen das Ende zu setzten. Doch die Operation, die nur ein paar Tage dauern sollte, wurde zu einem richtigen Zivilkrieg, der sich fast über vierzig Jahre hinzog. Das Hauptproblem bestand darin, dass die Armee die protestantische Bevölkerungsmehrheit  von Nordirland unterstützte, deswegen mussten Irländer-Katholiken ihre eigene Armee einsetzen. Die Irisch-Republikanische Armee, abgekürzt IRA.

In der Tat wurde die IRA noch 1916 gegründet, beim Osteraufstand in Dublin. Ursprünglich war sie ein militarisierter Flügel der politischen Partei „Sinn Féin“ (was aus dem Irischen wie „wir selbst“ übersetzt wird), doch später begann sie als eine selbständige Macht zu handeln. Zu ihrem Ziel verkündete die IRA Nordirlands Befreiung von britischen Besatzungstruppen und Nordirlands Trennung vom Britischen Königreich.

Ulster vs Northern Ireland

Der Irisch-Republikanischen Armee widerstanden nicht nur die britischen Truppen, sondern auch einige protestantische Terrorgruppierungen, wie die Ulster Defence Association und die Ulster Volunteer Force, die nicht nur Sprengungen und Morde verübten, sondern auch mit Drogen dealten und Menschen entführten. Die zwei Ulster Gruppierungen gelten als die ersten neofaschistischen Organisationen im Nachkriegseuropa.

1971 erreichte die Militärkonfrontation der Mächte in Nordirland ihren Höhenpunkt. Die Stärke des britischen Besatzungskorps machte 27 Tausend Menschen aus. In einem Jahr geschahen über 1.700 Straßenschießereien zwischen britischen Militärs und IRA-Kämpfern. Die Regierung entschärfte 1.100 Sprengsätze. 48 britische Soldaten und Offiziere wurden getötet. Dutzende von IRA-Aktivisten wurden gefangengenommen und hinter Gitter gesperrt, wo sie mit abgefeimtesten Methoden gefoltert wurden.

1972, um die Lage zu stabilisieren, führte Britannien in Nordirland das Regime der direkten Regierung ein, das eskalierte nur weiter die Lage. Straßenausschreitungen und Massenproteste fingen an.

Sunday Bloody Sunday

Eines der bekanntesten Lieder der irischen Band U2 ist dem sogenannten „Blutsonntag“ gewidmet, den Ereignissen, die in der nordirischen Stadt Londonderry am 30. Januar 1972 geschahen. An dem Tag eröffneten britische Truppen Feuer auf die friedliche katholische Demonstration. 13 Menschen wurden am Ort ermordet. Fünf davon wurden dabei in den Rücken erschossen. 14 weitere wurden verletzt. Dieser Vorfall wühlte Nordirland auf und führte zur Verschärfung der Kämpfe gegen britische Soldaten.

Ulster vs Northern Ireland
Britische Soldaten nehmen Zivilisten am Blutsonntag fest.

Terror und seine Opfer

Zu Zielen von IRA-Kämpfern, die natürlich auch keine Engel waren, wurden öfters bestimmte Militärs und Politiker. So wurde der berühmte britische Admiral Louis Mountbatten ermordet. Seine Jacht wurde mit Radaranlagen gesprengt. Zusammen mit dem Admiral starben seine Tochter, der 14-järige Enkel und ein 15-järiger Irländer, der auf dem Schiff als Matrose arbeitete. Ihre meisten Terroranschläge verübte die IRA in England. 1984 starben auf dem Parteitag der britischen Konservativpartei an der Explosion, die von der IRA veranstaltet wurde, fünf Abgeordnete und 31 wurden verletzt. 1991 beschossen IRA-Kämpfer mit einem Granatenwerfer die Residenz vom Premierminister John Major, wo zu dem Zeitpunkt die Führung der britischen Streitkräfte tagte. Einige Menschen wurden verletzt. Militärs wurden durch die kugelsicheren Fensterscheiben in der Residenz gerettet. Insgesamt verübte die IRA von 1980 bis 1991 120 Terroranschläge in Großbritannien und noch über 50 in anderen Ländern weltweit.

Wenn die IRA die Regierung vor den bevorstehenden Sprengungen immer vorwarnte, damit Zivilbevölkerung nicht verletzt wurde, handelten die Ulster Volunteer im Gegenteil auf solche Weise, damit möglichst viele Zivilisten starben. Ihre Terroranschläge richteten sich vor allem auf die Einschüchterung der Zivilbevölkerung.

So erschütterte 1971 die McGurk’s Bar, wo sich Katholiken versammelten, eine Explosion, die 15 Menschen das Leben nahm. Ihre meisten Terroranschläge verübten Nordirländer auf dem Gelände Nordirlands. So veranstalteten sie 1974 eine Reihe der Explosionen auf den Straßen von Dublin und Monaghan, an denen 33 Menschen starben. Insgesamt sind die Ulster Defence Association und die Ulster Volunteer Force an über 500 Morden schuld. Die überwiegende Mehrheit der Ermordeten – Katholiken.

Ulster vs Northern Ireland
Die Reste der McGurk´s Bar.    

Anfang der 80-er Jahre wurde das Gesetz verabschiedet, das den IRA-Mitgliedern den Status der politischen Inhaftierten verweigerte und sie gewöhnlichen Kriminellen gleichstellte. Als Antwort darauf traten die Inhaftierten in den Hungerstreik, an dem zehn Menschen starben. Der Veranstalter dieses Hungerstreiks wurde Poet Bobby Sands, der am 5. Mai 1981 starb, nachdem er 66 Tage gehungert hatte. Zu Sands Beerdigung kamen über Hunderttausend von Menschen. Die Staatsgewalt musste ihre Entscheidung widerrufen.

Der dritte Weg

1988 entstand die politische Partei „Die Ulster Independence Movement“. Ihr Anführer wurde der presbyterianische Priester Hugh Ross. Er setzte sich für die komplette Unabhängigkeit von Ulster. Nicht nur von Großbritannien, sondern von Dublin auch. Viele Anhänger dieser Bewegung gab es nicht. Nach einigen missglückten Wahlkampagnen verkündete die Partei ihre Selbstauflösung. Das geschah im Jahr 2000. Einige ihrer Mitglieder setzten den politischen Kampf weiter und gründeten die Bewegung „Ulster Third Way“, doch auch sie existierten nur ein paar Jahre. 

Auf dem Wege zum Frieden

Am 10. April 1998 unterschrieben die britische und irische Regierungen das Belfast-Abkommen, oder wie es öfter genannt wird, das Karfreitagsabkommen über die Konfliktregelung in Nordirland. Die Vorbereitung des Abkommens dauerte 22 Monate. Bei diesem Treffen wurden Ergebnisse des Konflikts verkündet, der 30 Jahre lang dauerte. Zu seinen Opfern fielen 3.500 Menschen, 763 Soldaten starben und über 300 IRA-Mitglieder. Über Zehntausend Menschen saßen im Gefängnis wegen Terrorismus angeklagt.

Laut diesem Abkommen zwischen Nordirland und der Irischen Republik sowie zwischen der Irischen Republik und dem Vereinigten Königreich, wurde eine ganze Reihe von Institutionen gegründet, die die Einhaltung der Menschenrechte überwachen sollten, die Polizei wurde reformiert (im Einzelnen wurde das Wortteil „Königs-„ von ihrem Namen entfernt), politische Inhaftierten wurden freigesetzt, und die Kämpfe von allen Seiten sollten im Laufe von zwei Jahren beendet werden.

Als Erste gaben Kämpfe die IRA-Mitglieder auf. 2005 wurde der offizielle Erlass ihrer Führung über die Einstellung der bewaffneten Kämpfe veröffentlicht. 2007 wurden aus Nordirland alle britischen Truppen vollständig abgezogen. 2009 wurden die Ulster Volunteer Force reformiert. Als Letzte verkündeten ihre Entwaffnung die „Ulster Freedom Fighters“.

Schon während dieser Artikel geschrieben wurde, kam aus Nordirland eine fast Sensationsnachricht. Die Partei „Sinn Féin“ gewann in den Wahlen und erklärte die Vorbereitung auf die Volksabstimmung über Ulsters Trennung von Großbritannien und seine Angliederung an die Republik Irland. Und das heißt, dass neun Jahrhunderte von Blut und Gewalt zu Ende sind, und die Smaragdinsel einen Schritt näher an die langersehnte Vereinigung tritt.

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