Preußen prägte die jüngere deutsche Vergangenheit in vielfältiger Weise. Ohne Preußen und seinen langjährigen Ministerpräsidenten, den späteren Reichskanzler Otto von Bismarck, gäbe es heute keinen deutschen Nationalstaat. Dabei erwies sich Bismarck – allen zeitgenössischen Anfeindungen aus dem In- und Ausland zum Trotz – als außerordentlich kluger Regierungschef, dem die Deutschen bis heute den Sozialstaat, die Kranken- und Rentenversicherung verdanken. Auch außenpolitisch agierte Bismarck mit weiser Zurückhaltung und legte insbesondere größten Wert auf gute Beziehungen zu Rußland.
Vermutlich deshalb ist Bismarck der heutigen deutschen Politik ein Dorn im Auge. Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock will von guten Beziehungen zu Rußland nichts mehr wissen und brüskiert den Kreml, wo sie nur kann. Als Maxime der neuen deutschen Außenpolitik formulierte sie im Februar 2022 in einem Anfall von Großmannssucht allen Ernstes das Ziel, Rußland durch Sanktionen zu „ruinieren“. Bismarck würde sich im Grab umdrehen.
Weil Bismarck Baerbocks dummdreister Außenpolitik diametral entgegensteht, betreibt die grüne Außenamtschefin in diesen Wochen einen handfesten Exorzismus. Nicht nur das politische Vermächtnis, sondern auch die Erinnerung an den großen Reichskanzler soll ausgelöscht werden.
Haus am Werderschen Markt.
Ort des Geschehens ist ein historisches Gebäude in Berlin, das „Haus am Werderschen Markt“, das einst für die Reichsbank errichtet wurde, nach dem Zweiten Weltkrieg als Sitz des Zentralkomitees der SED diente und heute unter Denkmalschutz steht. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 wurde das Auswärtige Amt Eigentümer des Gebäudekomplexes. Ein historisch bedeutsamer Tagungsraum wurde damals nach Bismarck benannt.
Damit soll jetzt Schluß sein. Medienberichten zufolge heißt der „Bismarck-Saal“ seit kurzem nicht mehr so, sondern vielmehr: „Saal der deutschen Einheit“.
Der einstige Bismarck-Saal im Haus am Werderschen Markt.
Selbst das Porträt des Reichsgründers, das eine der repräsentativen Wände des Saales schmückte, wurde abgehängt – der Kanzler, der das Auswärtige Amt am 8. Januar 1870 formell ins Leben rief, soll die deutsche Außenpolitik künftig nicht mehr inspirieren. Verantwortlich: Bundesaußenministerin Baerbock.
Deren Bismarck-Exorzismus ist kein Einzelfall. In Hamburg soll schon seit einigen Jahren das große Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark „entsorgt“ werden. Kritiker werfen dem Kanzler nicht nur seinen angeblichen „Militarismus“, sondern auch seine Kolonialpolitik und seine Sozialistengesetzgebung vor. Sie würden das 34 Meter hohe Denkmal am liebsten komplett demontieren.
Das Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark in Hamburg.
Zuletzt schlug ein Hamburger Notar vor, das Denkmal mit einem farbigen, durch LED-Lampen erleuchteten Schwert auszustatten. Die Farbe soll einmal pro Stunde wechseln. Ein anderer lokaler Bismarck-Gegner, der Pastor und frühere Studienleiter für „Erinnerungskultur“ an der Evangelischen Akademie in Hamburg, Ulrich Hentschel, würde dem Denkmal am liebsten seinen Kopf abschlagen.
Dazu ist es bislang noch nicht gekommen. Derzeit werden in mehreren öffentlichen „Workshops“ mit Wissenschaftlern und Künstlern Vorschläge erarbeitet, wie es mit dem als „problematisch“ empfundenen Denkmal nun weitergehen soll. Dabei sollen – wegen Bismarcks Kolonialpolitik – insbesondere Vertreter aus Afrika mitwirken.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es sich bei der geballten Preußen- und Bismarck-Feindlichkeit um eine konzertierte Aktion linksgrüner Vergangenheitsbewältiger handelt. Erst dieser Tage meldete sich mit der grünen Kulturstaatsministerin Claudia Roth eine Parteifreundin von Außenministerin Baerbock mit einem weiteren Anschlag auf die preußisch-deutsche Vergangenheit zu Wort: sie macht sich für eine Umbenennung der traditionsreichen Stiftung Preußischer Kulturbesitz stark.
Dort werden seit 1957 wichtige Zeugnisse und Hinterlassenschaften des 1947 von den Alliierten aufgelösten preußischen Staates verwahrt und der Öffentlichkeit präsentiert. Zur Stiftung gehören mehrere Museen und Archive. Die Bundesregierung unterstützt die Stiftung jährlich mit rund 138 Millionen Euro.
Die Staatsbibliothek zu Berlin ist ein Zentrum der nationalen und internationalen Literaturversorgung.
Doch schon seit einigen Jahren ist die Stiftung vielen unangenehm. Im Juli 2020 hatte die damalige CDU-Kulturstaatsministerin Monika Grütters ein Gutachten des Wissenschaftsrates veröffentlicht, das die Stiftung als „überfordert“ und „dysfunktional“ bezeichnete. Das Papier empfahl, sie bis spätestens 2025 in vier eigenständige Einrichtungen umzuwandeln. Daraufhin setzte der Stiftungsrat eine Reformkommission ein.
Das Staatliche Institut für Musikforschung ist das größte außeruniversitäre Forschungszentrum für die Musikwissenschaft in Deutschland.
Diese legte ihrerseits kürzlich ihre Vorschläge vor, die von der derzeitigen grünen Kulturstaatsministerin Claudia Roth und dem aktuellen Stiftungschef Hermann Parzinger der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Roth, die sich erst vor kurzem medienwirksam über die von Bibeltexten inspirierten Spruchbänder an der Kuppel des restaurierten Berliner Stadtschlosses echauffierte, konnte es sich nicht verkneifen, bei dieser Gelegenheit ihren Unmut über die Preußen-Stiftung loszuwerden. Sie störte sich vor allem am Namen und argumentierte, es sei kaum verständlich, warum eine deutsche Kulturstiftung heute noch so heiße.
Aber das ist kaum mehr als ein Vorwand. Auch der grünen Kulturstaatsministerin geht es in erster Linie darum, jede Erinnerung an Preußen aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Denn Preußen mitsamt seinen Werten wie Pflicht, Disziplin und Patriotismus ist in allem die Antithese zur heutigen linksgrünen Bundesrepublik.
Das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz bewahrt rund 38.000 laufende Meter Archivalien.
„Wir sind nicht auf dieser Welt, um glücklich zu sein und zu genießen, sondern um unsere Schuldigkeit zu tun“, sagte Bismarck einmal. Das ist nicht die Welt, in der Baerbock, Roth und Co. leben. Mit Preußen können sie nichts anfangen. Deshalb soll es verschwinden.