Die Nein-Sager

Keine Waffen für die Ukraine

Ihre Motive sind durchaus unterschiedlicher Natur, doch eint verschiedene Staaten eine Haltung: keine Waffenlieferungen an die Ukraine bzw. an das Selenskyi-Regime!

Nehmen wir Brasilien. Gewiß: BRD-Kanzler Olaf Scholz und Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sind Duz-Freunde, da beide Sozialisten sind, was jedoch die Existenz „roter Linien“ nicht ausschließt. So lehnte Lula das Ersuchen der bundesdeutschen Regierung, Panzermunition an die Ukraine zu liefern, kurzerhand ab. Das meldete die brasilianische Tageszeitung „Folha de S. Paulo“ Ende Januar. Wie das Blatt weiter berichtete, sei die Entscheidung schon am 20. Januar bei einem Treffen der regierenden Arbeiterpartei (Partido los Trabalhadores, PT) mit hochrangigen Mitgliedern der brasilianischen Streitkräfte und Verteidigungsminister José Múcio getroffen worden.

Laut verschiedenen Medienberichten erfolgte die Anfrage nach Munition für den Panzer Leopard 1, weil die Regierung in Berlin der Ukraine zunächst das Vorgängermodell des Leopard 2 liefern wollte. Der Hersteller Rheinmetall hatte demzufolge zwar 88 der Fahrzeuge auf Lager, doch sei das Problem die Munition gewesen.

Die Nein-Sager
Ein ehemals belgischer Leopard 1 im Dienst des brasilianischen Heeres. Munition braucht man selbst. Für die Ukraine gibt es keine.

Wie das Portal amerika21.de Ende Januar unter Berufung auf Angaben des „International Institute for Strategic Studies“ in London mitteilte, haben die brasilianischen Streitkräfte 261 Leopard-1-Panzer in ihrem Bestand. Schon 2022 habe die Regierung in Berlin Munition für den Flugabwehrkanonen-Panzer „Gepard“ von Brasilien zurückkaufen wollen, um sie im Anschluß an die Ukraine zu liefern. Dieses Ansinnen wies Lulas Vorgänger, Jair Bolsonaro, jedoch zurück. Sicherlich: Brasilien stimmte zwar im März 2022 bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen für jene Resolution, die Rußlands Einmarsch in die Ukraine „mißbilligte“. Doch bezieht Brasilien in dem Konflikt eine neutrale Haltung und lehnt – wie die meisten lateinamerikanischen Staaten auch – Sanktionen gegen Rußland entschieden ab. Bolsonaro dachte hier nicht zuletzt pragmatisch: Importiert doch die brasilianische Agrarindustrie 85 Prozent ihres Bedarfs an Düngemitteln aus der Russischen Föderation.

Kolumbien: Verfassung schreibt Frieden vor

Lula da Silva hatte im Mai 2022 – seinerzeit als Präsidentschafts-Kandidat – in einem Gespräch mit dem US-Wochenmagazin „Time“ Rußlands Krieg gegen die Ukraine zwar verurteilt, doch auch den USA und der EU ein gerüttelt Maß an Mitschuld gegeben. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, Moskau eine Zusicherung zu geben, daß die Ukraine nicht der NATO beitreten werde.  

Keine Waffen für die Ukraine!

Die Nein-Sager
Luiz Inácio Lula da Silva – Der Staatspräsident Brasilien.

Die Nein-Sager
Gustavo Francisco Petro Urrego – Der Staatspräsident Kolumbiens.

Der Präsident Kolumbiens, Gustavo Petro, erteilt Wünschen nach Waffenlieferungen an die Ukraine ebenfalls eine deutliche Absage. Am Beispiel jener im nördlichen Teil Südamerikas gelegenen Republik wird die traditionelle „Hinterhof“-Politik Washingtons einmal mehr deutlich. Beim Gipfeltreffen der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (CELAC) im Januar in Buenos Aires baten die USA den Präsidenten, russische Waffen aus den Beständen der kolumbianischen Armee an die Ukraine zu liefern. Vormalige Regierungen kauften Petros Aussagen zufolge „russisches Militärmaterial“, darunter Hubschrauber, „für ihre eigenen Zwecke im Land. Das Material ist vorhanden. Es gibt Probleme bei der Wartung“, erklärte der Präsident. Dann wurde er jedoch deutlich: Er habe der US-Regierung mitgeteilt, „was unsere Verfassung in der internationalen Arena vorschreibt: den Frieden. Und selbst wenn sie als Schrott bei uns enden, werden wir keine russischen Waffen übergeben, um einen Krieg in der Ukraine fortzusetzen.“ Stattdessen müsse eine Politik des Dialogs gepflegt werden, um so den Krieg zu beenden, sagte Petro. Und abschließend: „Wir sind auf keiner der beiden Seiten, wir sind für den Frieden, deshalb wird keine russische Waffe, die sich heute auf unserem Gebiet befindet, in diesem Konflikt eingesetzt werden.“

Anders sieht das natürlich unter anderem Laura Richardson, kommandierende Generalin des US-Südkommandos. Sie verwies kürzlich während einer Veranstaltung der US-Denkfabrik „Atlantic Council“ auf Bestände an russischer Militärausrüstung, über die neben Kuba, Nicaragua und Venezuela sechs weitere lateinamerikanische Länder verfügen. Richardson wörtlich: „Wir arbeiten daran, sie durch US-Ausrüstung zu ersetzen, wenn diese Länder sie für die Ukraine spenden.“ Als hilfreich sieht Frau Richardson dabei die gegen Rußland verhängten Sanktionen an: sie versperrten den Zugang zu Ersatzteilen und Nachschub.

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Laura Jane Strickland Richardson (* 1963 in Northglenn, Colorado), Kommandierender General des United States Southern Command, schlägt latein-amerikanischen Ländern US-Waffen im Tausch für russische vor, die an die Ukraine gehen sollen.

Ungarn: Strikte Heraushaltung aus dem Konflikt

Die Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine beschränkt sich aber nicht allein auf Lateinamerika. Bereits im Februar 2022 äußerte sich Ungarns Außenminister Peter Szijjarto auf Facebook eindeutig: „Wir werden den Transport tödlicher Waffen über ungarisches Gebiet nicht gestatten.“ Militärtransporte könnten „leicht zum Angriffsziel“ werden. Der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen verweigert sich Ungarn hingegen nicht. Ein Regierungsdekret vom 25. Februar 2022 gewährt Ukrainern vorübergehenden Schutz; die sonst sehr strengen ungarischen Asylgesetze finden auf sie keine Anwendung.

Ministerpräsident Viktor Orbán hält sein Land aus dem Konflikt heraus, stellte aber auch beizeiten klar, daß sein Land keine Waffen an die Nachbarstaaten liefern werde. Erst im Januar hat die ungarische Regierung diese Haltung bekräftigt: Laut Angaben der Nachrichten-Agentur RIA Novosti sagte Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky bei einem Treffen mit seiner österreichischen Amtskollegin Klaudia Tanner: „Ungarns Position ist klar: Wir liefern keine Waffen in den Konflikt, weil wir seine Eskalation vermeiden wollen. In dieser Hinsicht stehen wir auf einer Plattform mit Österreich. Das neutrale Österreich liefert ebenfalls keine Waffen in den Krieg.“

Im Falle Ungarns kommt noch der völkische Aspekt hinzu: In Transkarpatien, gelegen im Westen der Ukraine, machen Ukrainer zwar rund vier Fünftel der Bevölkerung aus, doch leben hier auch Menschen, die sich zum ungarischen Volkstum bekennen. Laut der letzten Volkszählung (2001) beträgt ihr Anteil rund zwölf Prozent. Die Geschichte dieses Gebiets ist sehr wechselvoll: bis 1918 zu Ungarn gehörend, fiel es danach an die Tschechoslowakei, 1939 erneut an Ungarn und 1945 an die Sowjetunion.

„Außenpolitischer Geisterfahrer“

In Uschgorod, der Hauptstadt Transkarpatiens, beendete Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen am 2. Februar seinen Ukraine-Besuch, wobei er bei aufmerksamen Zeitgenossen ein dickes Fragezeichen entstehen ließ. So erklärte er einerseits, sein Land könne aufgrund der verfassungsmäßig verankerten Neutralität seines Landes keine Waffen an die Ukraine liefern. Auch eine Hilfe des Bundesheeres bei der (von Selenskyi erbetenen) Entminung sei nicht möglich. Andererseits führte van der Bellen noch einen zweiten Grund an. Der Bundespräsident wörtlich mit fast schon devotem Unterton: „Wir in Österreich müssen gestehen, unsere Armee nach zehn Jahren finanzieller Aushungerung so vernachlässigt zu haben, daß ich nicht wüßte, welche Waffen wir liefern könnten.“ Diese Aussage kann durchaus als ausschlaggebender Grund für die österreichische Haltung gewertet werden, oder anders ausgedrückt: „Wir würden ja gerne Waffen an euch liefern, sofern sie denn funktionieren täten.“

Zudem erklärte van der Bellen, Österreich werde nichts unternehmen, andere an Waffenlieferungen zu hindern. Das sorgt für Gegenwind. Für Herbert Kickl, den Bundesparteiobmann der FPÖ, ist van der Bellen ein „außenpolitischer Geisterfahrer“. Kickl weiter: „Denn seine klare Aufgabe als Bundespräsident eines neutralen Landes wäre es gewesen, entschieden für ein möglichst rasches Ende dieses schrecklichen Krieges durch Verhandlungen einzutreten und nicht jenen Verblendeten das Wort zu reden, die nur noch mehr Krieg fordern und in deren Vokabular der Begriff ,Frieden‘ gar nicht mehr vorkommt.“

In Italien wächst derweil die Abneigung gegen Waffenlieferungen, an denen sich auch die Meloni-Regierung beteiligt. Wie aus einer Euromedia-Umfrage, Ende Januar in „La Stampa“ veröffentlicht, klar hervorgeht, sprechen sich 52 Prozent der befragten Italiener gegen entsprechende Lieferungen militärischer Güter in das Kriegsgebiet aus. Nein-Sager gibt es also nicht nur im fernen Lateinamerika.

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