Reich Und Machtlos

Doch welche Stellung hat der deutsche Adel in der heutigen bundesrepublikanischen Gesellschaft, in Politik, in Wirtschaft und Kultur?

"Neues Glück für Prinzessin zu Leiningen", "Amelie zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg. Lange Schleppe, Diadem & Schleier: Als Braut strahlt sie mit der Sonne um die Wette", "Ludwig Prinz von Bayern: Er hat sich verlobt – seine Braut ist keine typische Prinzessin" – das sind nur einige Schlagzeilen der zurückliegenden Wochen, entnommen der Zeitschrift Bunte. Fast hat es den Anschein, als wenn der heutige Adel in erster Linie als Munitionslieferant für die Geschütze der Klatsch- und Tratsch-Medien taugt.

Doch welche Stellung hat der deutsche Adel – er besteht aus zirka 3000 Familien – in der heutigen bundesrepublikanischen Gesellschaft, in Politik, in Wirtschaft und Kultur? Im 20. Deutschen Bundestag sind mit Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Erik von Malottki (SPD), Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) und Beatrix von Storch (AfD) vier Abgeordnete adliger Herkunft vertreten.

Nur zum Vergleich: Dem Bundestag gehören 736 Abgeordnete an. Das ist bestenfalls eine Randnotiz, denn auch wenn 40 oder 50 Parlamentarier adligen Geblüts im Bundestag säßen, erwüchsen daraus keine Vorrechte, wobei gleichzeitig auch eine Benachteiligung unzulässig wäre. Legt doch Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland u. a. fest, daß niemand wegen seiner Herkunft bevorzugt oder benachteiligt werden darf. 

In wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht stehen zumindest Teile des deutschen (Hoch-)Adels für millionenschweren Besitz – meist in Form von Schlössern, Kunstgegenständen, aber auch Wald. Die Journalistin Anina Pommerenke betrieb in einem Beitrag für den Norddeutschen Rundfunk Tiefenforschung und kam dabei zu folgendem Schluß: "Schaut man sich die Lebensläufe männlicher Familienmitglieder an, so scheint eine militärische Grundausbildung nach wie vor zum guten Ton zu gehören. Anschließend empfiehlt sich ein Studium der Betriebswirtschaftslehre oder im Bereich Forstwirtschaft. Ebenfalls gern genommen: alles, was mit Banken zu tun hat. Schließlich suchen die Vermögensverwaltungen von Superreichen gerne Nachwuchs in der entsprechenden Klientel."

Ein Bismarck als Fotograf

Außer Unternehmern, Unternehmensberatern und Politikern gehen aus adligen Familien auch Personen hervor, die im kulturellen Bereich aktiv sind: Nikolai von Bismarck ist als Fotograf tätig. Florian Henckel Graf von Donnersmarck arbeitet als Regisseur. Über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen auch Schauspieler wie Max von Pufendorf oder Johann von Bülow. Eckart von Hirschhausen – ein studierter Arzt – kennen viele als Fernsehmoderator. 

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Ein Porträt von A$AP Rocky in „The Dior Sessions“. Foto: Nikolay von Bismarck.

Der Macht der Vorfahren heutiger (Hoch-)Adelsgeschlechter wurde in Deutschland vor etwas mehr als 100 Jahren ein Ende gesetzt. So legte Artikel 109 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 unter anderem fest: "Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden." Ein Jahr zuvor war in Deutschland die Monarchie abgeschafft und durch ein parlamentarisches System ersetzt worden. Die Fürsten hatten abgedankt. Ihr Besitz wurde unter Parolen wie "Keinen Pfennig den Fürsten" und "Sie sollen stempeln gehen" zum Teil von den neuen, marxistisch geprägten Machthabern beschlagnahmt.

Allerdings sah die neue Verfassung zugunsten der Fürsten eine Entschädigung vor, die eine Angelegenheit der Länder war. Innerhalb der National-Sozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei (NSDAP) herrschten hierzu übrigens unterschiedliche Auffassungen. So wandten sich die seit 1925 in der "Arbeitsgemeinschaft Nordwest" organisierten norddeutschen Gauleiter gegen eine Fürstenabfindung. In ihrer Argumentation stützten sie sich auf den Artikel 17 des 25-Punkte-Programms der Partei, der eine den "nationalen Bedürfnissen angepaßte Bodenreform" und die "Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke" forderte. Daraus leiteten sie die Möglichkeit ab, guten Gewissens gegen eine Entschädigung adliger Großgrundbesitzer agitieren zu können.

Der Parteivorsitzende Adolf Hitler indes befürwortete eine Abfindung der Fürsten. Im Völkischen Beobachter, dem Zentralorgan der Partei, bezeichnete er im März 1926 die Fürstenenteignung als einen vom "Talmudgeist" erdachten Volksbetrug. Zielführender sei es, das Vermögen der in der Nachkriegszeit zu Wohlstand gelangten Schieber zu enteignen und die Reparationszahlungen einzustellen. Letztlich wurden von den Landesregierungen fast überall Vergleiche eingegangen, durch welche die Fürstenhäuser ab 1926 große Teile ihres früheren Vermögens zurückerhielten.

Klageverfahren der Hohenzollern

Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945 wurden die Adelsfamilien, deren Besitz sich auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, befand, kurzerhand enteignet. Betroffen waren u. a. die Hohenzollern, deren Güter und Besitztümer größtenteils in diesem Gebiet lagen.

Der 1990 zwischen BRD und DDR geschlossene Einigungsvertrag stufte die Enteignungen von Grund und Boden als unrechtmäßige Handlung ein, nicht aber die Konfiszierung von Inventar. Der eigentliche Pferdefuß liegt auf einem ganz anderen Gebiet. Sofern ein Gericht entscheidet, daß ein Adelshaus, beispielsweise die Hohenzollern, dem "nationalsozialistischen Regime erheblichen Vorschub geleistet" hat, schließt das Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 Entschädigungen aus.

Genau dieser Aspekt spielt eine Rolle in einem Klageverfahren, das die Hohenzollern gegen das Land Brandenburg führen. In materieller Hinsicht geht es dabei um Inventar aus Schlössern, Villen und einem früheren Hohenzollernmuseum in Berlin sowie um Wertpapiere und Hypothekenforderungen. Die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Potsdam soll im Frühjahr 2023 stattfinden.

Die zweite Klage betrifft Inventar aus den Schlössern Rheinsberg und Schloß Cecilienhof in Potsdam. Das Finanzministerium Brandenburgs lehnte diese Ansprüche mit Bescheid vom 6. Juli 2022 ab, und zwar mit Verweis auf die NS-Klausel im Ausgleichsleistungsgesetz

Ideell betrachtet, ist das Haus Hohenzollern (nach bundesrepublikanischem Verständnis) in der Tat "historisch belastet." August Wilhelm Heinrich Günther Victor Prinz von Preußen (1887-1949), Sohn des Kaisers Wilhelm II. und Dr. rer. pol., trat im März 1930 in die NSDAP ein und gehörte zum Kreis der Reichsredner der Partei. Im März 1933 zog "Auwi", wie ihn seine Kameraden nannten, für den Wahlkreis Potsdam in den Reichstag ein. In der SA brachte er es bis zum Obergruppenführer.

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Georg Friedrich, Prinz von Preußen, durch ein Gemälde seines Vorfahren Kronprinz Wilhelm. Foto: Patrick Junker.

Doch wer hat dem Nationalsozialismus eigentlich "Vorschub" geleistet? Zum einen waren es die Parteien des Weimarer Systems selbst, indem sie es nicht vermochten, die Probleme in Deutschland zu lösen, und zum anderen Millionen von Wählerinnen und Wählern, die ab 1930 in der NSDAP eine echte soziale und nationale Alternative erblickten.

In geregelten Bahnen verläuft das Verhältnis zwischen dem Staat und dem Hause Wittelsbach, das seit 1180 in Bayern herrschte. Das derzeitige Oberhaupt, Franz Herzog von Bayern, ernennt den Verwaltungsrat der Wittelsbacher Landesstiftung für Kunst und Wissenschaft. Zu deren Obliegenheiten gehört die Verwaltung der meisten Besitztümer der Familie.

Zu nennen wären hierbei die wertvolle Kunstsammlung von Ludwig I., von 1825 bis 1848 bayerischer König, das Geheime Hausarchiv und einige der Schlösser. Alljährlich bekommt die Familie knapp 14 Millionen Euro an Zuwendungen aus dem eigens durch den Freistaat Bayern ins Leben gerufenen Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF). Bemerkenswert hierbei: Franz von Bayern – selbst Nutznießer – benennt den Verwaltungsrat des Fonds.

Bliebe noch eine Frage zu klären: Sähe es in Deutschland besser aus, wenn an seiner Spitze ein Monarch stünde? Das wäre logischerweise von dessen geistigen und Führungsqualitäten abhängig. Gewiß, die Deutschen könnten Glück haben, sofern das Oberhaupt ein Mann vom Range eines Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg und Herzog in Preußen (1620-1688) wäre, ganz sicher auch eine Persönlichkeit vom Format Friedrichs II. (1712-1786) oder seines gestrengen Vaters Friedrich Wilhelm I., der Preußen von 1713 bis 1740 regierte.

Verhängnisvoll wäre es hingegen, wenn ein Degenerat im Regierungssessel säße – denn davon gibt es in Deutschland schon genug.

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