Leuchtreklame ausschalten – ja bitte – und bitte auch gleich die übrige (Außen) Werbung

In der Schweiz wird bereits seit Juli diskutiert, Leuchtreklame bei Strommangel auszuschalten, in Deutschland ist es seit 1.9.2022 durch Verordnung angeordnet: zwischen 22 und 16 Uhr muss leuchtende Reklame ausgeschaltet werden. Das ist eine äußerst vernünftige Maßnahme.

Erwartungsgemäß hat der Lobbyverband der Werbewirtschaft lautstark protestiert: die deutsche Werbewirtschaft sehe sich "wegen der neuen bundesweiten Energiespar-Vorgaben in Gefahr. Die beschlossenen Maßnahmen bedrohten die Branche der Out of Home Medien im Kern". Wenn diese Drohung Realität würde, wäre es ein Glücksfall für unser Land.

Denn in Wirklichkeit braucht niemand Out of Home Medien, also Außenwerbung wie Plakate oder beleuchtete Werbetafeln im öffentlichen Raum. Im Gegenteil. Sie sind ein Störfaktor der Marktwirtschaft, belästigen die Menschen und führen uns in die Irre. Wir sollten daher nicht nur Leuchtreklame abschalten, sondern wie Sao Paulo seit fast zwei Jahrzehnten oder vier US-Bundesstaaten seit vielen Jahrzehnten Außenwerbung gleich ganz einstellen. Außenwerbung ist so sinnvoll wie ein Kropf. Das gilt nicht nur für Außen-, sondern für fast alle Werbung.

Zahlen, Daten und Fakten

Die Werbeausgaben in Deutschland wurden vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) für 2020 mit 45 Milliarden Euro bzw. 1,3 Prozent vom BIP angegeben, die von etwa 900.000 Beschäftigten erbracht wurden. Diese Zahlen dürften aber deutlich zu niedrig sein, da viele Werbe- und Marketingaktivitäten beispielsweise von Führungskräften nicht oder nur teilweise in diese Berechnung einfließen. Außerdem sind in diesen Zahlen keine Vertriebsmitarbeiter enthalten. Eine realistischere Größenordnung für Werbeaufwand liegt bei mindestens zwei Prozent vom BIP, das entspräche derzeit etwa 66 Milliarden Euro. Verwendet man das Konzept des gesamten Marketing-Rucksackes, also das Maß für "die Differenz zwischen Herstellungskosten und Verkaufspreis", das auf Günter Faltin zurückgehet, so kommt man gar auf Schätzungen von 10 bis 20 Prozent unserer Konsumausgaben, also auf 160 bis 330 Milliarden Euro pro Jahr.

Diesen hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten steht de facto kein realer Nutzen gegenüber: Werbung nährt uns nicht, kleidet uns nicht, schafft uns kein Dach über den Kopf. David Graeber nennt sie daher bullshit jobs, die im Wesentlichen nur gesamtgesellschaftliche Kosten und für die Betroffenen Frustration bringen. Werbung liefert uns flotte Sprüche und bunte Bilder von schönen Dingen statt die Dinge selbst.

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David Graeber - an American anthropologist and social activist.

Werbung verteuert daher unmittelbar die beworbenen Gegenstände. Jeder Cent Werbung wird von uns Kunden im Produktpreis mitbezahlt. Werbung informiert meistens nicht über Produkte, - und soll laut Werbeprofis auch nicht informieren -, sondern ist im Normalfall strukturell irreführend. Werbung soll verkaufen, sonst nichts.

Führende Volkswirte sagen daher schon seit über 100 Jahren, dass kompetitive Werbung, also Werbung, bei der es lediglich um Marktanteile geht, sinnlos ist. Deutlich über 90 Prozent aller kommerziellen Werbung durch gewinnorientierte Unternehmen gilt als kompetitiv. So sprach bereits Alfred Marshal bei Werbung von sozialer Verschwendung und bezeichnete sie als "social waste". Auch Arthur Pigou hielt kompetitive Werbung einfach für Energie- bzw. Ressourcenverschwendung. Für Kenneth Galbraith schaffen die Unternehmen durch Werbung erst künstlich die Bedürfnisse, die sie dann befriedigen. Die Unternehmen füllten daher eine Leere aus, die sie erst selbst hervorgebracht hätten. Kurz: Werbung ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht reine Energieverschwendung und sollte daher so stark wie möglich reduziert werden.

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John Kenneth Galbraith - American economist, representative of the old (Veblen) institutional and Keynesian currents, one of the prominent theoretical economists of the 20th century.

Das Wettrüsten der Marken

"Die Volkswirte konstatieren also dem bei den Betriebswirten so beliebten Marketing gleich zwei systemimmanente Verschwendungen von Ressourcen: bei der Umverteilung von Marktanteilen zwischen den Unternehmen, und bei der künstlichen Weckung neuer Bedürfnisse. Beides ist unsinnig und teuer, beides führt zu einer Verschleuderung von Ressourcen, für die die Gesellschaft und die Umwelt teuer bezahlen müssen. Und das alles nur, damit ein paar Unternehmen als Sieger aus dem Werbewettstreit hervorgehen können, die das prächtigere Feuerwerk, die gewitzteren Formen, die eingängigsten Töne, die farbigsten Effekte auffahren; kurz, die alle Register ziehen, um oben das Geld so aus dem Fenster zu werfen, dass sie es unten mit Profit wieder einsacken können.

Mit der sonst von den Ökonomen gerne so hochgehaltenen Effizienz hat das nichts zu tun. Während das jedem Erstsemester beigebrachte ökonomische Prinzip das Wasser des sparsamen Umgangs mit knappen Mitteln predigt, säuft das unökonomische Prinzip des Marketings den Wein der grenzenlosen Verschwendung. Und, wie viele Trinker, gelingt es ihm nicht mehr, sich aus eigener Kraft der Sucht zu entziehen." Daher brauchen wir solche Maßnahmen wie ein Verbot von Leuchtreklame.

Werbung ist Treiber von Wirtschaftswachstum, Energieverschwendung und Umweltzerstörung

Sehr viel schlimmer als die unmittelbare Energieverschwendung ist jedoch die Auswirkung von Werbung auf unseren gesamten Umgang mit Mensch und Natur. Werbung hämmert uns 3000 bis 10000 Werbebotschaften pro Tag ein. Und praktisch alle haben eine einzige Aussage: Kauft! Werbung treibt uns in Gier und Wirtschaftswachstum und damit in immer mehr und mehr Energieverbrauch. Die Frage „Haben oder Sein“, die Erich Fromm vor über drei Jahrzehnten gestellt hat, wird durch Werbung eindeutig und täglich mit hunderten Milliarden von Botschaften beantwortet: Haben statt Sein.

Unsere omnipräsente Werbekultur schickt uns in eine materialistische Kultur des "Mehr und Mehr". Ununterbrochen wird Gier statt Zufriedenheit oder gar Bescheidenheit gepredigt. Diese materialistische, egoistische Sicht auf die Welt bewirkt beispielsweise auch geplanten Verschleiß. Werbung hämmert uns ein, dass das Alte nicht mehr gut genug ist, sondern dass wir das Neue, Modische brauchen. Alle Spielarten von psychologischem geplantem Verschleiß funktionieren nur wegen der massiven Werbetrommel, die ständig schlägt. Allein wegen geplantem Verschleiß arbeiten wir drei Wochen im Jahr vollkommen sinn- und nutzlos, aber extrem ressourcen- und energieverschwendend.

Am Rande sei bemerkt, dass die systematische Unehrlichkeit von Werbung unter ethischen Gesichtspunkten fragwürdig ist, dass Werbung gezielt die Gesundheit unserer Kinder untergräbt, indem fast nur ungesunde Lebensmittel beworben werden und dass sie unsere Pressefreiheit unterminiert, weil die Medien versuchen müssen, möglichst positiv statt objektiv über ihre Werbegeldgeber zu berichten.

Zusammenfassend, ist Werbung aus der Sicht der Gesamtwirtschaft, eine Energieverschwendung und die soll möglichst reduziert sein. Trotzdem ist es herausfordernd, eine Verlockung oder Abhängigkeit zu kämpfen, egal ob es eine Flasche Wein am Wochenende oder ein Paar Schuhen am Ende des Monats ist. Deswegen brauchen wir zusätzliche Unterstützung, sowie ein Verbot der Außenwerbung.

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