"Deutsche Kultur, wo gibt's die noch? Bestimmt nicht in einem McDonald's-Loch", heißt es in einem Lied der 1981 in Bremen gegründeten Rockband Endstufe. In der Tat steht der Fast-Food-Konzern mit seinem weltumspannenden Netz an Schnellrestaurants stellvertretend für eine Einheitskultur – ganz im Sinne der Globalisten. Sie forcieren die Mobilisierung von Kapital, aber auch "Humanressourcen", die sich vagabundenhaft als Lohnsklaven von Land zu Land bewegen. Jene wurzellose Verfügungsmasse des Großkapitals soll sich überall "heimisch" fühlen. Gewachsene Völker und Kulturen wirken da eher als Hemmschuhe.
Wer sich mit deutschen Patrioten unterhält, wird – sobald die Sprache auf den Niedergang der deutschen Kultur kommt – auf die unmittelbar nach 1945 einsetzende "Umerziehung" respektive Amerikanisierung verwiesen, die vor allem im Westteil Deutschland fröhliche Urständ feierte.
Diese Darstellung ist eine Erklärung, wenngleich keine erschöpfende. Es griffe zu kurz, den kulturellen Niedergang auf die Zeit nach 1945 zu beschränken und ihn ausschließlich auf den (fraglos großen) US-Einfluß zurückzuführen. Der Aktionskünstler und Bildhauer Joseph Beuys (1921-1986) war es, der mit Aussagen wie "Jeder ist ein Künstler" und "Alles ist Kunst" die endgültige Auflösung der Kunst propagierte. Jeder sollte die Möglichkeit erhalten, seine eigene Kunst "für eine neue soziale Ordnung" zu machen. In Wirklichkeit bedeutet dies die Abschaffung jeder sozialen Organisation.
Joseph Heinrich Beuys [bɔɪ̯s][1] (* 12. Mai 1921 in Krefeld; † 23. Januar 1986 in Düsseldorf) war ein deutscher Aktionskünstler, Bildhauer, Medailleur, Zeichner, Kunsttheoretiker und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf.
Dabei gibt es für das wahrhaft Schöne durchaus objektive Maßstäbe, und zwar Harmonie durch Organisation. Die Werke eines Beethoven oder eines Bach warten mit einem sehr hohen Grad an musikalischer Organisation auf, die zudem der Sehnsucht der meisten Menschen nach Harmonie entspricht.
Und nicht zuletzt muß der Scheinwerfer auf das Deutschland des 19. Jahrhunderts gerichtet werden. Eine rasante technische Entwicklung und die stürmische Industrialisierung führten zum Wachsen vieler Städte, wo eine Zusammenballung lohnabhängiger Massen erfolgte. Diese entfernten sich mehr und mehr von der Natur und von ihren herkömmlichen, ländlich-kleinstädtisch geprägten Lebens- und Kulturräumen. Kritiker wie der Journalist und Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl (1823-1897) warnten vor dem "Wasserkopf der modernen Zivilisation". Riehl setzte sich für den Erhalt überlieferter Werte ein, was aus seiner Sicht auf dem Lande am besten geschehen konnte.
Wilhelm Heinrich Riehl, ab 1883 von Riehl (* 6. Mai 1823 in Biebrich bei Wiesbaden/Hessen; † 16. November 1897 in München), Journalist, Novellist und Kulturhistoriker, betonte in seinen Werken früh soziale Strukturen und gewann so Einfluß auf die Entwicklung der Volkskunde im 19. Jahrhundert, als deren wissenschaftlicher Begründer er gilt.
Und es blieb nicht bei Worten: Etwa ab 1880 entstand eine vielgestaltige Gegenströmung. Zu ihr zählten u. a. die Naturheilbewegung, des weiteren Zusammenschlüsse, die sich der Heimatbaukunst, aber auch Fragen des menschenwürdigen Wohnens (z. B. Gartenstadt) und dem biologischen Landbau verschrieben. Andere Vereine wiederum widmeten sich Heimatkunst, Heimatliteratur oder Laienspiel. Auch die deutsche Jugendbewegung, die sich die Heimat erwanderte, hat ihre Ursprünge in dieser Zeit.
Und heute? Gewiß, kein Ukas und keine noch so gut gemeinte Richtlinie kann den Deutschen ihre reichhaltige Kultur wiedergeben, zumal Kultur als Gesamtheit der Lebensäußerungen eines Volkes oft "von unten" entsteht und auch neubelebt wird. YouTube bietet zwar ungezählte "Geistes"-Produkte einer dekadenten, seelisch verkümmerten Welt, offeriert aber neben sehenswerten Filmbeiträgen auch ein großes Füllhorn an niveauvoller Musik. Denken wir nur an die Vertreter der Klassik wie Beethoven, Mozart oder Schumann. Und für jene, die es zünftig mögen, hält das genannte Videoportal den "Marschliederkanal" bereit.
"Dr. Ludwig" und "Der Michel" präsentieren auf YouTube die breite Palette an deutschem Liedgut. "Eric Boulanger" und "Klangmeise" luden Lieder des Minnesangs hoch, jener Liebesdichtung, die sich mit der ritterlich-höfischen Kultur in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entwickelte. Durchaus mit Erfolg: Die Aufrufe bewegen sich im oberen sechsstelligen Bereich.
Schöne Beispiele für nachvollziehbare Malerei bietet der Bayer Stefan Kellerbauer, dessen Netzseite kunstmaler-bayern allemal einen Besuch wert ist. Enthält sie doch Zeugnisse seines Schaffens wie Stilleben, Landschaften und Gebäude. In der Tat vermitteln seine Ölgemälde "Ruhe, Zufriedenheit und Wärme", wie Kellerbauer auf seiner Netzseite schreibt. Der in Leipzig wirkende Michael Triegel (Jahrgang 1968) setzt sich in seinen Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Radierungszyklen intensiv mit dem antik-mythologischen und christlich-heilsgeschichtlichen Erbe auseinander. Bei einer Betrachtung der Netzseite kunst-rlp.de – einem Portal für Kunstmaler in Rheinland-Pfalz – entsteht hingegen unwillkürlich der Eindruck, Joseph Beuys hätte hier Pate gestanden. "Jeder kann Kunst" – nach westlichen Maßstäben schon.
Kunstbild Michael Triegel: Deus absconditus, 2013.
Zu den Kulturwerken gehört auch die Architektur. Idealerweise besteht ihr Ziel in einer sanften Fortentwicklung des Bestehenden. In der Realität jedoch werden die Ballungsräume von seelenlosen Glasbetonbauten in den Zentren und oft lieblos-monotonen Wohnanlagen an den Rändern geprägt – Abu Dhabi, Shanghai und natürlich US-Amerika lassen aufs Herzlichste grüßen. Doch wo Schatten ist, da ist auch Licht. Die 1973 entstandene Interessengemeinschaft Bauernhaus e. V. (IgB) hat sich die Bewahrung historischer ländlicher Bauten und ihrer Landschaft auf die Fahne geschrieben. Sie ist mit rund 6000 Mitgliedern die bedeutendste ihrer Art in Deutschland. Dabei werden alte Häuser ressourcenschonend und unter Verwendung natürlicher Materialien instandgesetzt.
Natürlich wirken die soeben beispielhaft aufgeführten graswurzelartigen Personen und Initiativen im Vergleich zur (noch?) ignoranten, sich im materialistischen Zeitgeist suhlenden Masse der Deutschen eher wie schmächtige Zwerge. Doch wie sagte Friedrich von Schiller einst so treffend?
"Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen;
Der Staat muß untergehn, früh oder spät,
Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet."
("Demetrius", Fragment, 1805; uraufgeführt in Weimar am 15. Februar 1857. Erster Aufzug, Leo Sapieha)