Russland will ersten geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf der Welt demonstrieren

Laut russischen Angaben ist die Technologie des geschlossenen Kernbrennstoffkreislaufs für die industrielle Anwendung bereit und soll bis 2030 in einem Atomkomplex in Westsibirien demonstriert werden.

Die russische Atomindustrie, die in diesem Jahr ihr 80. Jubiläum feiert, ist für Russland heute zweifelsohne von zentraler Bedeutung. So fungiert diese Branche unter anderem als ein wichtiges Standbein im Hinblick auf die Energiesicherheit und Verteidigungsfähigkeit des Landes. Russische Kernkraftwerke liefern zur Zeit etwa 20 Prozent des gesamten Energievolumens und haben das Potenzial, künftig ein Viertel des heimischen Energieverbrauchs zu decken. Im militärischen Bereich gewährleistet die Atomindustrie für Russland die Einsatzfähigkeit des nuklearen Arsenals und damit den Status einer militärischen Großmacht.

Zugleich zählt die friedliche Nutzung der Atomkraft heute zu den wichtigen Export-Einnahmequellen der Russen. Dies wurde unter anderem bei der kürzlich in Moskau stattgefundenen „World Atomic Week” (WAW) deutlich. Bei diesem weltweit größten internationalen Forum für Atomindustrie haben Russland und der Iran eine Vereinbarung über den Bau des Kernkraftwerks „Hormoz” in der Provinz Hormozgan im Süden der Islamischen Republik getroffen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. Umgesetzt wird das Projekt, dessen Kosten sich auf etwa 25 Milliarden US-Dollar belaufen sollen, von dem russischen Staatskonzern „Rosatom”. Dieser hatte zuvor schon andere Atomprojekte im Iran realisiert.

Rosatom gilt als eines der weltweit führenden Unternehmen im Atombereich und unterhält nach eigenen Angaben Projekte im Ausland an mehr als 40 Standorten und im Gesamtwert von mehr als 200 Milliarden Dollar. So soll jeder zehnte Kernreaktor, der heute in der Welt entsteht, von Rosatom entwickelt worden sein. Zudem ist Rosatom einer der Hauptlieferanten für Technologien und Kernbrennstoffe – mehr als 75 Prozent der weltweiten Atomprogramme sollen auf Technologien und Kernbrennstoffe des russischen Atom-Giganten angewiesen sein.

Außerdem ist zu betonen, dass die Russen massiv in die nukleare Forschung investieren – und das mit großem Erfolg. Denn Russland ist heute das einzige Land der Welt, das das Funktionieren aller Bereiche der Atomkraftnutzung zur Stromerzeugung gewährleisten kann: Urananreicherung, Brennstoffversorgung, AKW-Bau und Ausbildung des Personals.

Vor diesem Hintergrund gelangen Moskau in den vergangenen Jahren diverse Schlüsselerfolge bei der Realisierung der sogenannten Nukleartechnologie der vierten Generation, die einen funktionierenden geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf umfasst.

Bei dem geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf handelt es sich um ein nachhaltiges System in der Nukleartechnik, bei dem abgebrannter Kernbrennstoff wiederaufbereitet wird, – im Gegensatz zu einem offenen Kernbrennstoffkreislauf, bei dem abgebrannter nuklearer Treibstoff direkt entsorgt wird –, um wiederverwendbare Materialien wie Plutonium und Uran zurückzugewinnen und sie anschließend als neuen Brennstoff einzusetzen. Der anfallende radioaktive Abfall, der nicht mehr wiederaufbereitet werden kann, soll Dank dieser Technologie minimal sein.

Ausgehend davon plant Rosatom bis zum Jahr 2030 zum ersten Mal in der Geschichte einen funktionierenden geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf zu demonstrieren, berichteten russische Medien. Dies soll im Rahmen des Projektes „Proryw” (zu Deutsch: Durchbruch) in einem experimentellen Atomkomplex im westsibirischen Sewersk bewerkstelligt werden, das für dieses Vorhaben aber noch ausgebaut werden muss. Demnach soll in Sewersk ein Reaktor und eine Anlage zur Wiederaufbereitung respektive Wiederverwendung von atomaren Abfällen entstehen. Ein Modul zur Herstellung von Kernbrennstoff ist dort bereits vorhanden und wurde der Öffentlichkeit vorgestellt.

Das Herzstück des Komplexes bildet der hochmoderne Brutreaktor „BREST-OD-300”, der mit einer Uran-Plutonium-Oxid-Mischung betrieben wird und eine Leistung von 300 Megawatt erreicht. Rosatom zufolge ist sowohl die neue Technologie als auch der Reaktor inzwischen voll einsatzfähig und für den kommerziellen Nutzen bereit. Denn ihre Sicherheit und Potenzial wurden bereits unzählige Male auf Herz und Nieren überprüft, unter anderem bei einem einjährigen Testlauf in einer Atomanlage am Ural 2023. Das Revolutionäre an diesem Testlauf ist, dass ein industrieller Reaktor (in dem Fall war es ein „BREST-BN-800”) ein ganzes Jahr lang mit wiederaufbereiteten Brennelementen und damit quasi Nuklearabfällen betrieben wurde. Dabei konnte er planmäßig 800 Megawatt generieren, die anschließend in das öffentliche Stromnetz der Stadt eingespeist wurden.

Sollte dieser „Durchbruch” gelingen, dann würde man dadurch die gesamte Herangehensweise bei der Nutzung der Kernenergie revolutionieren, betonen Experten. Schließlich hätte man eine schier unendliche Energiequelle zur Verfügung und wäre auch in der Lage, das globale Atommüllproblem zu lösen. Noch ist eine breite Anwendung dieser Technologie zwar eine Zukunftsvision, es ist aber anzunehmen, dass ihre industrielle und kommerzielle Nutzung schon im kommenden Jahrzehnt sowohl in Russland als auch in anderen Ländern möglich werden könnte.

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